RWE in der Krise Der Aufstand der Kommunen

Der RWE-Aufsichtsrat besiegelt die Nulldividende. Städte wie Dortmund und Essen müssen auf Millionen verzichten. Jetzt sinnen die kommunalen Aktionäre des Energieriesen auf Revanche: RWE-Chef Terium droht ein Denkzettel.

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Vertrauen verspielt: RWE-Chef Terium hat die Aktionäre an Rhein und Ruhr mehrfach brüskiert. Quelle: dpa

Düsseldorf Es ist ein Tabubruch. Zum ersten Mal seit mindestens 57 Jahren streicht RWE seinen Aktionären fast vollständig die Dividende. Der Aufsichtsrat von Deutschlands zweitgrößtem Energieversorger nickte die Pläne von RWE-Boss Peter Terium am Donnerstag ab. Damit erhalten nur die Vorzugsaktionäre des Essener Konzerns eine Mini-Ausschüttung von 13 Cent pro Anteilsschein. Stammaktionäre wie die finanziell ohnehin klammen Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die knapp ein Viertel der RWE-Papiere halten, gehen dagegen völlig leer aus.

RWE-Chef Terium warb um Verständnis für den radikalen Schritt. Und der Niederländer hat schlagkräftige Argumente auf seiner Seite. Schließlich zerbröselt der Börsenwert von RWE immer weiter. Lag der Aktienkurs des Essener Stromkonzerns 2008 noch bei knapp 100 Euro, notiert das Papier heute nicht einmal mehr bei zwölf Euro. Wegen dem rasanten Verfall der Großhandelspreise für Strom lassen sich die großen Atom- und Kohlekraftwerke von RWE kaum noch profitabel betreiben.

RWE musste deswegen rund 2,1 Milliarden Euro abschreiben. Der Essener Konzern ist schwer angeschlagen. Unter dem Strich steht für 2015 ein Nettoverlust von 200 Millionen Euro. Zudem drücken Schulden in der Höhe von 25 Milliarden Euro. Und auch die Aussichten sind trist. Doch just in dieser existenziellen Krise von RWE proben Vertreter des wichtigsten Aktionärs des Energiekonzerns den Aufstand: die Kommunen an Rhein und Ruhr.

„Das Vertrauen in Peter Terium ist schwer angeschlagen“, sagte Wolfgang Schäfer dem Handelsblatt. Der Geschäftsführer des Verbands der kommunalen RWE-Aktionäre (VkA) in Westfalen beschreibt die Stimmung unter den etwa 130 Städten und Landkreisen, die aus historischen Gründen an RWE beteiligt sind, als „ziemlich aufgeheizt“. Es gebe zwar noch keine endgültigen Beschlüsse, so Schäfer, „aber die Tendenz geht klar in Richtung Nicht-Entlastung des Vorstands.“

Die Regional-Vertreter streben demnach an, RWE-Chef Peter Terium auf der Hauptversammlung am 20. April einen Denkzettel zu verpassen. Ein Misstrauensvotum hätte zwar  keine unmittelbaren rechtlichen Folgen, da der Aufsichtsrat über die Besetzung des Vorstands entscheidet, aber es wäre eine symbolische Ohrfeige.

Die Kommunen werfen Terium vor, „kein überzeugendes Geschäftsmodell“ parat zu haben und die Probleme des Konzerns in Großbritannien, wo RWE wegen technischer Probleme Tausende Kunden verliert, nicht in den Griff zu bekommen.


„Starke und erfahrene Führungspersönlichkeiten“

Was die regionalen Anteilseigner zudem erzürnt, ist die Art und Weise, wie RWE-Boss Terium den Dividendenausfall kommuniziert hat – im Alleingang, ohne die Kommunen miteinzubeziehen. „Das muss Konsequenzen haben“, sagte Uwe Bonan dem Handelsblatt. Dem Stadtkämmerer von Mülheim an der Ruhr fehlen jetzt 7,2 Millionen Euro in seinem Finanzhaushalt. Das Defizit der Stadt von 67,5 Millionen Euro dürfte deshalb weiter steigen.

Auch in anderen Städten wie Essen oder Dortmund fehlen wegen der ausbleibenden Einnahmen durch die Dividende plötzlich Millionen. Zuletzt hatte RWE den Kommunen an Rhein und Ruhr noch 150 Millionen Euro im Jahr überwiesen.

Kritisch beäugen die regionalen Anteilseigner auch den Umbau des Konzerns. Als Reaktion auf die Umwälzungen im Energiemarkt spaltet sich RWE ähnlich wie der Konkurrent Eon auf. Die RWE AG wird nur noch für den Großhandel und die notleidende konventionelle Stromerzeugung zuständig sein.

Das Zukunftsgeschäft mit den erneuerbaren Energien, dem Vertrieb und den Netzen wird in eine neue Gesellschaft (Arbeitsname: NewCo) ausgelagert, die am 1. April 2016 offiziell an den Start gehen soll. Ende des Jahres will RWE zehn Prozent der Anteile an der neuen Gesellschaft im Zuge einer Kapitalerhöhung an die Börse bringen.

Die künftige Führungsmannschaft der Tochter und der RWE AG hat der Aufsichtsrat am Donnerstag nun endgültig beschlossen. Demnach leitet Peter Terium bis zum Börsengang der NewCo beide Unternehmen in Personalunion und wechselt dann zur grünen Tochter. Finanzvorstand der neuen Gesellschaft wird Bernhard Günther, Personalvorstand Uwe Tigges. Martin Herrmann, Hans Bünting und Hildegard Müller, ehemals Geschäftsführerin des Bundesverbands Energie- und Wasserwirtschaft, komplettieren die Führungsriege.

Den Vorstandsvorsitz der RWE AG übernimmt der bisherige Unternehmensvize Rolf Martin Schmitz. Markus Kerber, der derzeit die RWE Supply & Trading GmbH leitet, wird Finanzchef. Personal- und Arbeitsdirektor wird Uwe Tigges, der die Funktionen bis April 2017 in Personalunion führen wird.

„Ich bin froh, dass wir mit den getroffenen Entscheidungen auch für die Phase nach dem Börsengang langfristige Führungskontinuität bei der RWE AG gewährleisten können“, erklärte RWE-Aufsichtsratschef Manfred Schneider. Nachsatz: „Beide Unternehmen brauchen starke und erfahrene Führungspersönlichkeiten, um in schwierigem Umfeld erfolgreich zu sein.“

Alle Beschlüsse im RWE-Aufsichtsrat sind nach Informationen des Handelsblatts einstimmig gefällt worden. Das heißt: Auch die vier Vertreter der Kommunem im 20-köpfigen Kontrollgremium haben dem Umbau des Konzerns und der Dividendenstreichung zugestimmt.

Wenngleich sich viele regionale Anteilseigner kämpferisch geben, die einheitliche Beschlussfassung ist ein Indiz dafür, dass die Revolte der regionalen Anteilseigner auf der Hauptversammlung vielleicht doch nicht ganz so heftig ausfallen dürfte.  

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