Schröders Rosneft-Ambitionen Putins krudes Ölimperium

Als Aufsichtsrat von Rosneft wird Gerhard Schröder künftig über einen Konzern wachen, der keineswegs so unabhängig ist, wie der Altkanzler behauptet. Der russische Ölriese ist vielmehr Putins wichtigste Einnahmequelle.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Rosneft ist ein russischer Öl-Konzern Quelle: dpa

Knorrig, unbeirrt, machtbewusst: Trotz harscher Kritik will Gerhard Schröder das Angebot annehmen und vielleicht sogar als Aufsichtsratschef in den Kontrollrat beim russischen Ölkonzern Rosneft einziehen. „Ich werde das tun“, sagte der frühere Bundeskanzler. Der Sozialdemokrat will nach eigenem Bekunden dazu beitragen, die Energieversorgung in Europa zu sichern. Es sei dabei weder aus ökonomischen noch aus politischen Gründen vernünftig, Russland zu isolieren oder gar zu dämonisieren.

Auf den Vorwurf, er heuere bei einem kremlnahen Koloss an, entgegnet Schröder: Rosneft sei keineswegs „der verlängerte Arm der russischen Regierung“. Schließlich hält der britische Ölmulti BP 19,75 Prozent der Rosneft-Aktien. Weitere 20 Prozent der Wertpapiere besitzen zudem der Schweizer Rohstoffhändler Glencore und das Emirat Katar. Das neunköpfige Aufsichtsgremium von Rosneft sei zudem nicht russisch dominiert und er selbst „nicht benutzbar“.

Doch so unabhängig wie Schröder propagiert, ist Russlands größter Ölkonzern laut Experten längst nicht. „Es ist geradezu absurd zu behaupten, Rosneft sei ein unabhängiges Unternehmen, das mit der russischen Regierung nichts zu tun habe“, sagte Gerhard Mangott dem Handelsblatt. Der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Wirtschaftspolitik des Kremls und sieht Rosneft als die zentrale Stellgröße im ökomischen Machtgefüge Russlands.

Um zu verstehen, wie Rosneft der größte Ölförderer der Welt werden konnte und heute mehr gesicherte Reserven in seiner Bilanz ausweist als jeder andere Rohstoffkonzern, muss man bis in die 90er-Jahre zurück. 1993 wurde Rosneft gegründet. Bis zur Amtseinführung von Wladimir Putin als Präsident Russlands im Jahr 2000 war die Firma aber nur ein eher kleiner Staatskonzern. Die Öl- und Gasindustrie Russlands wurde damals noch fast ausschließlich von Unternehmen dominiert, die in privater oder oligarchischer Hand waren.

Doch schon in seiner Dissertation im Jahr 1997 hat Putin detailliert beschrieben, dass die Renationalisierung der Rohstoffindustrie aus seiner Sicht eine wesentliche Voraussetzung für das Wiedererstarken Russlands in der Post-Sowjet-Ära sei. „Putin hat Rosneft dann als Vehikel auserkoren, um diese Renationalisierung der russländischen Ölwirtschaft voranzutreiben“, erklärt Mangott. Der erste Streich bei diesem Unterfangen war die politisch vorangetriebene Zerschlagung von Yukos im Jahr 2004. Während Michail Chodorkowski, der Eigentümer von Yukos, ins Straflager geschickt und später begnadigt wurde, verleibte sich Rosneft die lukrativsten Assets des Konzerns ein.

„In einer völlig undurchsichtigen Auktion hat Rosneft über Umwege den größten Teil der Yukos-Unternehmenswerte erhalten. Seither versucht Putin Rosneft groß und größer zu machen“, analysiert Russland-Experte Mangott. Der Mann, der für Putin den gierigen Oligarchen die Macht über die Ölquellen entreißt, heißt Igor Setschin. Der Rosneft-Chef zählt zu den engsten Vertrauten des russischen Präsidenten. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten.

Als Putin in den 90er-Jahren Vize-Oberbürgermeister von St. Petersburg wurde, stand Setschin ihm als Privatsekretär zur Seite. Später wurde er stellvertretender Leiter von Putins Präsidialverwaltung. Von 2004 bis 2011 führte er den Verwaltungsrat von Rosneft. Seit 2012 ist er Vorstandschef des Konzerns und treibt das Wachstum von Rosneft trickreich wie eh und je voran. So verleibte sich Setschin im vergangenen Jahr den Konkurrenten Bashneft ein. Zuvor wurde Bashneft-Mehrheitseigner Wladimir Jewtuschenkow aus fadenscheinigen Gründern unter Hausarrest gestellt und erst später wieder rehabilitiert.

Der russische "Darth Vader"


Wegen derlei skrupellosen Vorgehensweisen und seiner mürrischen Physiognomie wird Setschin auch der russische „Darth Vader“ genannt. Viele Kremlauguren halten Setschin längst für den zweitmächtigsten Mann Russlands. Der 56-Jährige herrscht über ein Reich mit fast 300.000 Mitarbeitern. Der Weltmarktanteil von Rosneft bei der Ölproduktion liegt bei sechs Prozent.

Im vergangenen Jahr fördert der Konzern 210 Millionen Tonnen Öl- und Gaskondensat. Der Jahresumsatz liegt bei mehr als 77 Milliarden Dollar. Unter dem Strich verdiente Rosneft 2016 rund 2,8 Milliarden Dollar. 35 Prozent dieses Nettogewinns zahlt der Konzern als Dividende an die Aktionäre aus. Der größte Anteilseigner ist trotz der Teilprivatisierungen weiterhin der russische Staat mit einer Kontrollmehrheit von über 50 Prozent.

Gut 42 Prozent der russischen Staatbudgets basieren auf Steuereinahmen, Dividenden und anderen Zahlungen aus der russischen Öl- und Gasindustrie. „Als größter Ölkonzern Russlands ist Rosneft ein immenser Wirtschaftsfaktor für das Land“, erklärt Kreml-Kenner Mangott. Dabei verdient Rosneft sein Geld nicht nur im Inland. Unter Setschin expandiert der Konzern auch fleißig ins Ausland, zuletzt bevorzugt in Asien. Aber das Unternehmen kontrolliert auch Ölfelder in Algerien, Kasachstan und Venezuela. Zudem ist Rosneft in Deutschland bei den Raffinerien Bayernoil in Vohburg, PCK in Schwedt und Miro in Karlsruhe aktiv.

Die EU hat Rosneft wegen Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt 2014 mit Sanktionen belegt. Europäischen und amerikanischen Unternehmen ist es seither verboten, Technik zur Förderung von Öl in der Arktis, der Tiefsee oder in Schiefergestein an Rosneft zu liefern. Diese Sanktionen treffen den Konzern hart. „Rosneft verfügt zwar über genügend Know-how für die klassische Ölförderung am Festland, aber gerade für Bohrungen in der Arktis ist der Konzern auf Technik aus dem Westen angewiesen“, erklärt Mangott. Zudem wird Rosneft durch die Sanktionen die Kreditaufnahme erschwert. Der Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten ist blockiert.

Gerade weil gegen Rosneft Sanktionen bestehen, ist das Engagement von Ex-SPD-Chef Schröder so umstritten. „Ich finde das, was Herr Schröder macht, nicht in Ordnung“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einigen Tagen in einem Interview mit „bild.de“. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrej Melnyk, bezeichnete es als moralisch verwerflich, „dass ein ehemaliger Bundeskanzler und führendes SPD-Mitglied vom Kremlchef instrumentalisiert wird“.

Schröder selbst sieht dagegen kein Problem darin zum Aufsichtsrat bei Rosneft bestellt zu werden. Kritik berühre ihn nur dann, wenn sie von Menschen komme, die ihm wichtig sind: „Der Mainstream war noch nie ein Gewässer, was mich besonders interessiert hat“, sagte Schröder. Der 73-Jährige dürfte voraussichtlich am 29. September in das Kontrollgremium von Rosneft gewählt werden. Seine Kandidatur für das Amt wurde am Donnerstag von Rosneft bestätigt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%