Sensorenhersteller Sick Gisela Sick und die Kunst des Loslassens

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Hausfrau, Mutter - Unternehmerin

Gisela Sick verließ einst die Rolle der Hausfrau und Mutter nur zögerlich. Erst als ihr Gatte sich zunehmend in seinen Tüfteleien verkroch, löste sie sich langsam von Haus und Herd. Nicht ihr Mann, sondern sie war es, die in die USA und nach Japan reiste, um die Gründung von Tochterunternehmen vorzubereiten. Deswegen wäre die Gründergattin aber nie auf die Idee gekommen, für sich oder ihre Töchter eine operative Stellung in der Firma anzustreben. „Bei uns hat niemand den Anspruch, dass Familienmitglieder im Unternehmen etwas werden“, sagt sie.

Die Zurückhaltung hat jedoch nichts zu tun mit mangelndem Führungswillen: Um Kampfabstimmungen unter den Aktionären zu verhindern, hat die ursprüngliche Alleinerbin durchgesetzt, dass die 95 Prozent der Aktien am Unternehmen, die insgesamt einer Handvoll Familienmitgliedern gehört, gepoolt sind. Die Familie kann also in der Hauptversammlung nur mit einer Stimme reden. Zudem sind wechselnde Mehrheiten unter den Anteilseignern ausgeschlossen, weil die meisten Aktien, 52,6 Prozent, in einer Dachgesellschaft liegen, der Sick Holding GmbH in Freiburg. Das sorgt für Stabilität.

Gesellschafter dieser Holding sind Renate Sick-Glaser, mit 68 Jahren die älteste Tochter der Gründergattin, und deren Sohn Sebastian Glaser, 38. Aber auch Sick-Glaser, die ursprünglich als Krankengymnastin arbeitete, hatte nie größere Ambitionen im Unternehmen. Seit zehn Jahren sitzt sie als einfaches Mitglied im Aufsichtsrat und empfindet sich vor allem als eine, „die bei Sick die Fäden zusammenhält und dazu beitragen will, dass es der Sick AG gut geht“.

Das eigentliche Sagen bei Sick überlassen die Endsechzigerin und ihre betagte Mutter schon seit Jahren einer Gruppe Hochkaräter. Zum Chefaufseher haben sie Klaus Bukenberger gemacht, einen der wenigen Berufsaufsichtsräte in Deutschland. Der Wirtschaftsingenieur kapriziert sich von Stuttgart aus auf den gehobenen deutschen Mittelstand mit 200 Millionen bis zwei Milliarden Euro Umsatz und technologischer Ausrichtung, darunter der Messtechniker Mahr in Göttingen und der Verpackungsspezialist Tricor im bayrischen Bad Wörishofen.

Die Trennung von Kompetenz und Eigentum bei Sick sei vorbildlich, sagt Bukenberger. Von der Unternehmensverfassung des Familienunternehmens könnten sich „so manche börsennotierten Konzerne eine Scheibe abschneiden“. Ebenfalls zu den Großkalibern im Aufsichtsrat gehört der Stuttgarter Rechtsanwalt Mark Binz. Der gebürtige Hesse gilt als hartgesottener Vertreter all jener Familiengesellschafter in Deutschland, die zum Äußersten bereit sind, um ihre Interessen als Miteigentümer zu wahren. Bei Sick vertritt der 67-Jährige vor allem die Interessen der zweiten Tochter des Gründers, Dorothea Sick-Thies, von Beruf ebenfalls Krankengymnastin und nebenbei Umweltaktivistin.

Sich auf andere zu verlassen mussten die Gründergattin und ihre Töchter schon in den letzten Lebensjahren des Gründers lernen. Weil ihn alles Kaufmännische anwiderte, wie er einmal bemerkte, hatte er sich zwei Geschäftsführer zur Seite gestellt. Die kümmerten sich um die Betriebswirtschaft. Er selbst vergrub sich in seinen Erfindungen oder verrannte sich in aussichtslose Projekte, zuletzt in eine Solaranlage zur Entsalzung von Meerwasser auf Fuerteventura. Als er 1988 im Alter von 79 Jahren auf der Kanareninsel wegen Überarbeitung an einem Herzinfarkt starb, eröffneten die beiden Geschäftsführer den Erbinnen: Sick war ein Sanierungsfall.

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