Serie Wirtschaftswelten 2025 Wie in Zukunft Krieg geführt wird

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Sabotage-Akte und nicht tödliche Waffen

28. Mai 2025: Sabotage 4.0

Bei Kundgebungen gegen die EU im Baltikum sterben Menschen. In Estland verbrennen zwei Jugendliche, als ihr Molotowcocktail beim Vorstoß der Sicherheitskräfte explodiert. Ein wütender Mob stürmt daraufhin öffentliche Gebäude. Seit Wochen fordern Angehörige der krakosischen Minderheit mehr Autonomie und eine enge Kooperation mit Krakosien bei einer Loslösung ihrer Länder von der EU. Sicherheitskreisen zufolge fahren immer mehr Krakosier in Zivil und in Uniform in Reisebussen über die kaum kontrollierten Grenzen ins Baltikum.

Big Brother gegen Bomben: Ausgefeilte Systeme zur Überwachung und Verbrechensvorhersage erkennen Terrorvorbereitungen frühzeitig. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Roland Warzecha für WirtschaftsWoche

Nationale Minderheiten sind eine leichte Beute für Aufwiegler. Spätestens der derzeitige Krieg zwischen Russland und der Ukraine zeigt, wie aggressive Länder einzelne Volksgruppen in anderen Staaten mithilfe digitaler Medien zur Vergrößerung des eigenen Machtbereichs missbrauchen können. Weil es zu deren Befriedung kaum reichen wird, Minderheiten mehr Autonomie zu geben, wird sich eine neue Spielart des Kriegs auch innerhalb von Krisenländern verbreiten: Geheimdienste werden im Internet Überwachungsmöglichkeiten schaffen und ihre Bürger isolieren; Militär und Polizei entwickeln nicht tödliche Waffen wie Mikrowellenstrahler, um gegen Saboteure aus dem Innern besser vorgehen zu können.

13. Juni 2025: Terrorkrieg

Eine Gruppe Bewaffneter erschießt in zwei Supermärkten der lettischen Küstenstadt Liepaja mehrere Kunden. Kurz darauf rast ein ferngesteuerter, mit Sprengstoff bestückter Geländewagen durch eine Einkaufsstraße im litauischen Kaunas. Sicherheitskräfte verhindern eine Explosion. Im Anschluss vereiteln Polizisten den Angriff einer bewaffneten Minidrohne. Zu den Anschlägen bekennt sich bisher niemand.

Gegen klassische Terroranschläge sind viele europäische Länder noch immer kaum gerüstet. So fehlt etwa in Deutschland, das anders als Frankreich föderal organisiert ist, eine klare Zuständigkeit bei Anschlägen. Krankheitswellen zum Beispiel, egal, ob verursacht durch natürliche Erreger oder Bioterroristen, sind Sache der lokalen Feuerwehr. Während in Großbritannien Computersysteme die Einflugschneisen großer Flughäfen nach potenziellen Anschlägen absuchen können, baut Deutschland Videokameras ab, selbst wenn sie – wie 2012 am Bahnhof Bonn – zur Aufklärung eines geplanten Bombenanschlags beigetragen haben.

Diese Haltung Deutschlands wird künftig noch stärker auf den Prüfstand gestellt. Wenn die technischen Möglichkeiten ausgereift sind und die Bedrohungslage unverändert ist, stellt sich in naher Zukunft die Frage nach einer stärkeren Vernetzung aller Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Ein gemeinsames Kommunikationssystem wäre da wohl nur ein erster Schritt. Es würde allen Sicherheitsbehörden auf richterliche Anordnung Zugriff auf alle im öffentlichen Bereich gesammelten Daten geben. Gleichzeitig müsste es technisch so angelegt sein, dass es über eigene Datenleitungen auch im Fall von Sabotage oder Anschlägen auf das öffentliche Internet funktionieren würde.

Ein weiterer Schritt: Ein möglichst gemeinsam von den EU-Staaten beauftragtes Überwachungssystem, entwickelt etwa von den Rüstungsunternehmen Airbus, Rheinmetall und Thales aus Frankreich, das vorhandene Technik wie Satellitenüberwachung und Datenanalyse kombiniert. Die Kommandozentrale müsste alle öffentlichen Informationen aus Datenbanken sowie aktuelle Bilder von Satelliten, Telefondaten mit den Bewegungsmustern der Besitzer bis zu den Kameras der Verkehrsüberwachung auswerten und nach Auffälligkeiten sowie Anzeichen künftiger Gefahren durchsuchen. Es wäre eine perfektionierte und erweiterte Version der im vergangenen Herbst in Zürich, München und Nürnberg von der Polizei gestarteten Systeme zur Verbrechensvorhersage.

In der direkten physischen Konfrontation mit dem Gegner wird der technische Fortschritt den Sicherheitsbehörden helfen: Polizisten bekommen Geräte mit elektromagnetischem Impuls zum Stoppen von Autos und handliche Laserwaffen gegen Minidrohnen. Ein Riesenfortschritt zu heute: Als im September 2013 ein Flugroboter Kanzlerin Angela Merkel gefährlich nahe kam, hatten die Leibwächter nur einen Regenschirm zur Abwehr.

1. Juli 2025: Cyber-Angriffe

In allen großen Banken der baltischen Staaten schalten sich die Computersysteme ab und blockieren landesweit alle Überweisungen und Geldautomaten. Auch der Strom fällt aus, in den Lagerhäusern drohen die Lebensmittel zu verderben. Sicherheitsexperten vermuten Cyber-Sabotage. In kurzer Zeit sichern die Unternehmen über in der Öffentlichkeit bislang unbekannte Zweitsysteme eine Notversorgung mit Strom.

Im Gegensatz zu Unruhen oder Angriffen werden im Computerkrieg in 2025 die Unternehmen an vorderster Front stehen. Anders als heute sollten sie bis dahin darauf vorbereitet sein. Derzeit lassen sich Unternehmen noch zu oft von Hacker-Attacken aus dem Internet überraschen. „Viele bemerkten einen Angriff nicht einmal“, sagt Sandro Gaycken, Cyber-Experte der European School of Management and Technology in Berlin.

Dabei wissen spätestens seit dem jüngsten Hacker-Angriff auf die Filmstudios des japanischen Elektronikriesen Sony Experten wie Dietmar Hilke, deutscher Cyber-Security-Chef von Thales: „Cyber ist die perfekte Waffe armer Angreifer. Für den Gegenwert eines Radpanzers können sie 2000 Programmierer in Indien ein Jahr lang nach Schwächen im Computersystem suchen lassen.“

„Der Schaden kann unter Umständen dem eines mittleren Nuklearkriegs entsprechen“, warnt Airbus-Manager Mey. Anders als im Nuklearkrieg aber sind Cyber-Gegner oft schwer auszumachen: „Eine saubere Beweisführung ist bei Cyber-Angriffen manchmal schwer, manchmal einfach“, sagt der US-Militärjurist Michael Schmitt vom Naval War College in Newport. Man könne ihn über Server in aller Welt und sogar im Zielland selbst laufen lassen.

Deswegen ganz oben auf der Agenda von Behörden und Unternehmen: widerstandsfähige Computernetze. Vorbild ist das menschliche Immunsystem mit für Angreifer schwer auszumachenden Zugangskontrollen, aktiven Abwehrprogrammen gegen jede ungewöhnliche Aktivität sowie – als eine Art Impfung – regelmäßigen Testangriffen mit weniger gefährlichen Viren.

Den Grundstein für die erfolgreiche Abwehr solcher Cyber-Attacken legen die baltischen Staaten und das westliche Militärbündnis Nato seit 2008 in einem schmucken Gebäude mit unverputzten Backsteinmauern in Estlands Hauptstadt Tallinn. In der Kaserne der Funker der estnischen Armee, die einst ein Bataillon des russischen Zaren beherbergte, residiert Europas wichtigstes Abwehrzentrum gegen Computerangriffe via Internet.

Anfangs schickten die 14 Mitgliedstaaten insgesamt gut 40 IT-Fachleute an die Ostsee, damit sie Attacken aller Couleur simulieren – vom Lahmlegen eines Servers bis hin zum Hacken einer Drohne. In 2025 werden dort mindestens 250 Experten arbeiten und etwa Trainingsprogramme zur Abwehr entwickeln.

Deutschlands wichtigste Rüstungsgüter
U-Boot U212/214Hersteller: Thyssen-Krupp. Die Tauchungetüme gelten dank des Elektroantriebs als leiseste Unterwasserschiffe Foto: Pedro Vilela Quelle: Creative Commons
Lenkwaffe Iris-THersteller: Diehl Die Rakete des Nürnberger Konzerns gilt als weltweit präziseste Waffe für Kampfflugzeuge Foto: HaraF Quelle: Creative Commons
Panzer Leopard 2Hersteller: KMW/Rheinmetall Mehrere Überarbeitungen machen den Boliden zum sichersten aller Panzer Foto: Bundeswehr-Fotos Quelle: Creative Commons
Sturmgewehr G36Hersteller: Heckler & Koch Weltweit begehrt wegen des geringen Gewichts – auch von nicht opportunen Ländern. Quelle: dpa

21. Juli 2025: Roboter-Soldaten

Unbekannte setzen zur Hauptverkehrszeit an Bahnhöfen in Estland kleine Roboter aus, die auf Fahrgäste schießen. Zeitgleich attackieren mit Raketen bewaffnete Flugkörper ein Volksfest, werden jedoch in kurzer Zeit abgefangen. Alle Waffen tragen keine Hoheitszeichen. Den Vorwurf, hinter den Angriffen zu stehen, bezeichnet Krakosiens Präsident Pinto als Aggression, die sich das Land nicht gefallen lassen werde.

Noch 2010 waren automatische Kampfroboter und bewaffnete Drohnen ein Privileg großer Industrienationen. Doch die Technik wird schon jetzt immer besser – und preiswerter. Spätestens seit die USA im Irak oder bei Aufklärungsflügen über dem Iran immer wieder unbemannte Flugobjekte verlieren, kann sie jeder Aggressor nutzen. Im Internet kursieren Handbücher ebenso wie Anleitungen, mit denen sich ferngesteuerte Minihubschrauber zu Kampfmaschinen umrüsten lassen.

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