Idealerweise bieten diese Ideen Synergien mit bestehenden Geschäften. Aus Sicht der Unternehmen ist das vielfach ein wichtiges Entscheidungskriterium für ein Start-up. So sind bei Springer beispielsweise gerade die Gründer des Start-ups Adincon eingezogen, sie wollen die Platzierung von Werbeanzeigen auf Internet-Seiten optimieren. An den Tischen daneben entwickeln die Gründer von SnapClip eine Plattform zur Videobearbeitung.
Telekom-Manager Borchers wiederum fördert die Gründer von Vigour. Das Start-up entwickelt eine Technologie, um Videos oder Medieninhalte einfacher auf verschiedenen Gerätetypen anzuzeigen, vom Handy bis zum Fernsehen. Oder das Start-up Reputami, das Bewertungen von Hotels oder Restaurants analysiert.
„Es hilft auch uns, wenn beispielsweise die Vertriebler von T-Systems solch ein tolles, junges Produkt mit zu den Kunden nehmen können“, sagt Borchers. Die Start-ups wiederum bekommen durch die Telekom schneller und leichter Zugang zu Kunden.
Von diesem Geben und Nehmen profitieren beide Seiten, junge Gründer und alteingesessene Unternehmen. Deshalb will die Bundesregierung den Schulterschluss fördern. „Die deutschen Unternehmen müssen Start-ups nicht als Bedrohung sehen, sondern als Partner“, predigt Tobias Kollmann, der für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Beirat junge digitale Wirtschaft leitet. In ihm sitzen Gründer und IT-Experten.
Allerdings sollten sich Unternehmen bewusst sein, wie aufwendig die Entwicklung eines langfristig erfolgreichen Start-up-Programms ist, meint der Professor für Betriebswirtschafslehre, Wirtschaftsinformatik und insbesondere E-Business sowie E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen in Essen.
Medienwirksame WG
Mancher Vorstand glaube, man müssen nur den Mitarbeiter, der sowieso immer in Turnschuhen rumläuft, mit der Betreuung der Start-ups beauftragen, ätzt Ulrich Schmitz, Technikchef bei Axel Springer, gegen die eigene Zunft. Der Verlag sieht sich derzeit in Deutschland als Vorreiter der Digitalisierung, etwa indem er seine Top-Manager medienwirksam ins Silicon Valley schickt und sie in einer Wohngemeinschaft in der US-Internet-Hochburg unterbringt.
Neben dem Waldschratbart-Look für „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann hat Axel Springer in dem amerikanischen IT-Mekka auch einen erfahrenen Partner für seine Start-up-Aktivitäten gefunden: Der Konzern-Inkubator Plug & Play investiert dort seit Jahren in Start-ups und betreibt nun den hiesigen Accelerator mit Springer gemeinsam.
Dies sei zwar „nicht der alleinige Heilsbringer für die Digitalisierung“, sagt Axel-Springer-Manager Rheinboldt. Aber ein Baustein von vielen. „Strategisch wesentlich wichtiger ist für uns der Kauf von Unternehmen, die schon gezeigt haben, dass sie erfolgreich sind“, sagt Springer-Manager Schmitz. Das sei berechenbarer als die Frühphaseninvestments.
Wetten auf Trends
Doch auch bei diesen Wetten auf neue digitale Trends lagen Konzerne in den vergangenen Jahren oft genug daneben. So hat die Deutsche Telekom gerade die Plattform Musicload aufgegeben, die Apples iTunes-Store Paroli bieten sollte. Das zu RTL gehörende soziale Netzwerk Wer-kennt-wen schließt am 1. Juni. Beim Netzwerk Lokalisten, das ProSiebenSat.1 vor sechs Jahren für einen zweistelligen Millionenbetrag kaufte, bleiben die Nutzer weg.
„Frühestens im fünften oder sechsten Jahr sieht man, welche Modelle wirklich funktionieren“, sagt Investor O’Leary. Daher müssten nun auch die Unternehmen erst einmal beweisen, ob sie mit ihren neuen Start-up-Spielplätzen einen so langen Atem haben.