Siemens-Chef Joe Kaeser fordert Betriebsrat zu Verhandlungen auf

Der Siemenschef wirft den Arbeitnehmervertretern eine Verweigerungshaltung vor. Quelle: dpa

Siemens steht in der Kritik, weil trotz Rekordgewinn tausende Jobs abgebaut werden sollen. Vorstandschef Kaeser gibt sich selbstkritisch – fordert zugleich jedoch von Arbeitnehmervertretern, ihren Widerstand aufzugeben.

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Siemens-Chef Joe Kaeser hat Betriebsrat und IG Metall aufgefordert, ihren Widerstand gegen Verhandlungen über Stellenabbau und Werksschließungen aufzugeben. Kaeser warf den Arbeitnehmervertretern am Montag in München vor, ihre Haltung gehe zu Lasten der über 3000 Mitarbeiter, deren Stellen wegfallen sollen: „Für die Menschen, die betroffen sind, ist es am Ende einfach unverantwortlich“, sagte Kaeser. „Deshalb muss man Wege finden, wie die Sozialpartner am Beispiel von Siemens Transformation üben.“

Grund für geplante Werksschließungen und Stellenabbau ist der schrumpfende Markt für konventionelle Kraftwerkstechnik. „Wenn sich bestimmte Partner im Gefüge (...) im Augenblick versperren und verwehren, weil sie mit Koalitionsbildung oder mit Tarifauseinandersetzungen beschäftigt sind, dann werden wir das zunächst einmal alleine versuchen müssen, oder beginnen müssen“, sagte Kaeser an die Adresse der Arbeitnehmervertreter wie auch der SPD. „Am Ende des Tages brauchen wir alle.“

Der Siemens-Chef betonte, dass das Unternehmen in anderen Bereichen gleichzeitig 12.000 bis 15.000 neue Stellen schaffen wolle.

Kaeser stört sich auch daran, dass Betriebsrat und IG Metall inzwischen zwar mit dem Siemens-Vorstand über die Pläne sprechen - aber das nicht als Verhandlungen bezeichnen. „Der einzige Grund, warum dieses Haarspalten jetzt gemacht wird, ist, dass man sich nicht korrigieren muss. Weil man einmal gesagt hat, wir verhandeln mit denen nicht, bevor sie die Schließungspläne nicht zurücknehmen“, kritisierte Kaeser. „Das wird nicht helfen.“

Der Siemens-Chef übte auch Selbstkritik: „Es gab einige Dinge, die nicht so toll waren, dass man Rekordergebnisse verkündet, und drei Wochen später kommt die Restrukturierung. Ich verstehe das, wenn die Menschen sagen, also irgendwie ist das jetzt Ackermann hoch zwei“, sagte Kaeser mit Blick auf den früheren Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann und dessen hohe Renditevorgaben.

Der Gewinn soll nach Kaesers Worten bei Siemens nicht das alleinige Kriterium sein: „Der Wert der Integration der Gesellschaft ist höher als ein Punkt Marge oder zwei.“ Kaeser lud den Betriebsrat ausdrücklich zu Verhandlungen ein: „Die Tür ist offen.“

Der Konzern gab am Montag einen Neuauftrag für ein großes Gas- und Dampfkraftwerk in der zu Russland gehörenden Republik Tatarstan bekannt. Das Auftragsvolumen für die Münchner und das türkische Bauunternehmen Enka beläuft sich auf 380 Millionen Euro. Doch der Auftrag hat nach Kaesers Worten keinen Einfluss auf die Gesamtsituation: „Daran wird ein Auftrag, wie wir ihn jetzt gewonnen haben und für den wir dankbar sind, natürlich nichts ändern.“

Die Bundesrepublik wird nach den Worten Kaesers von den Veränderungen in der industriellen Arbeitswelt besonders getroffen werden. „Wenn man's ganz harsch formuliert: Was bisher in dieser Siemens-Diskussion zum Ausdruck gekommen ist, ist das Versagen der Sozialpartner, sich auf Transformation gemeinschaftlich einzustellen.“

Verweigerungshaltung wird nach Kaesers Argumentation aber kontraproduktiv: „Sonst wird uns diese vierte industrielle Revolution, diese ganze Digitalisierung (...) allen gemeinsam auf die Füße fallen.“ Kaeser beklagte eine „Retrotopia“ in Deutschland, eine Sehnsucht nach der guten alten Zeit: „Dieses Zurück in die Vergangenheit, das ist eine echt gefährliche Kiste.“

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