Siemens-Chef Löscher „Eine große Wegstrecke liegt noch vor uns“

Siemens will die Kosten massiv drücken – mit der Erstnotiz der Osram-Aktie am Montag kann Konzernchef Löscher die teure Trennung von der Lichttochter abschließen. Es gebe aber noch viel zu tun, sagt er im Interview.

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Siemens-Chef Peter Löscher baut den Konzern um. Eine Vorgabe für den Stellenabbau gebe es nicht, betonte er. Quelle: Reuters

München Herr Löscher, Osram ist unabhängig. Am Montag wird die Aktie das erste Mal an der Börse notiert. Sind Sie froh, dass Sie die Lichttochter los sind?
Peter Löscher: Wir haben Osram so gestärkt, dass es ausgezeichnet ausgestattet ist, um jetzt als unabhängiges und flexibles Unternehmen auf dem dynamischen Lichtmarkt anzutreten. Und ich glaube, es ist gut, dass Osram damit den Freiraum haben wird, alle unternehmerischen Entscheidungen selbst zu treffen. Und für Siemens ist das ein konsequenter Schritt, um uns auf unser Kerngeschäft der vier Sektoren und seine Weiterentwicklung zu konzentrieren.

Aber hätte der Lichtspezialist nicht perfekt in Ihr Geschäft mit der Infrastruktur großer Städte gepasst?

Das Marktumfeld hat sich massiv verändert. Osram muss sich starken asiatischen Wettbewerbern stellen und die Herausforderungen der LED-Technik meistern. Dafür sind kurze Entscheidungswege, Eigenständigkeit und unternehmerische Verantwortung gefragt. Osram konkurriert nun nicht mehr mit anderen Siemens-Geschäftsbereichen bei der Zuteilung von Investitionsgeldern und kann sich flexibel selbst am Kapitalmarkt finanzieren.

Siemens bleibt mit weniger als 20 Prozent an Osram beteiligt. Halten Sie sich damit eine Hintertür offen?

Wir unterstreichen damit die Verbindung, die es zwischen beiden Unternehmen gibt. Siemens und Osram werden ja auch weiter geschäftliche Beziehungen haben, gerade auch mit dem Sektor Infrastructure and Cities. Aber Osram ist jetzt ein unabhängiges Unternehmen, das seine Chancen wahrnehmen kann und wird.

Sie haben nicht nur das Kapitel Osram geschlossen, auch für das Gemeinschaftsunternehmen mit Nokia, NSN, haben Sie eine Lösung gefunden. Die Finnen übernehmen den Siemens-Anteil. Die Geschichte der Kommunikationssparte bei Siemens ist damit vorbei. Zufrieden?

Die Situation bei NSN war ja über viele Jahre eine durchaus arbeitsintensive und auch strategische Herausforderung. Dass wir jetzt für dieses Geschäft die logische Heimat gefunden haben, ist für alle Beteiligten mit Sicherheit die beste Lösung.


„Keine Vorgabe für Stellenabbau“

Osram und NSN waren große Baustellen. Eine andere ist das Sparprogramm Siemens 2014. Wie kommen Sie voran?

Der Verkauf von NSN und die Abspaltung von Osram sind ja zwei wesentliche Teile von Siemens 2014. Insofern haben wir bei der Umsetzung des Programms gerade erneut zwei große Schritte nach vorne gemacht. Insgesamt haben wir mehr als 20.000 Einzelmaßnahmen identifiziert. Wir kommen gut voran, aber es liegt noch eine wesentliche Wegstrecke vor uns.

Können Sie absehen, wie viele Stellen wegfallen werden?

Siemens 2014 ist im Vergleich zu früheren Programmen kein Abbauprogramm. Es gibt keine Vorgabe für einen Stellenabbau. Dort, wo aufgrund struktureller Veränderungen Maßnahmen nötig sind, reden wir mit den Arbeitnehmervertretern. Über Details berichten wir am Ende des Geschäftsjahrs.

Wie sieht das konkret aus?

Nehmen Sie zum Beispiel die Energiemärkte in Europa. Hier gibt es zur Zeit und absehbar so gut wie keine Nachfrage mehr für Gaskraftwerke. Die Märkte haben sich nach Asien verlagert – und dort müssen wir uns dem Wettbewerb stellen. Das hat sicher Auswirkungen auf die Standorte hier.

Berichten zufolge überlegen Sie, sich deswegen gleich ganz aus dem Geschäft mit schlüsselfertigen Kraftwerken zurückzuziehen und nur noch Komponenten zu liefern.

Das ist absolut falsch. Das Geschäft mit kompletten Lösungen war immer eine Stärke von Siemens, ist eine unserer Stärken und wird immer eine Stärke von Siemens sein. Es gibt Märkte, auf denen müssen Sie komplette Lösungen anbieten. Das ist für uns ganz zentral.

Die USA erschließen sich durch das hierzulande stark umstrittene Fracking große Gasreserven. Die Nachfrage nach Gaskraftwerken steigt auch dort. Bedauern Sie die deutsche Skepsis?

Wir haben von unseren effizientesten Gasturbinen weltweit bisher 20 Stück verkauft. Acht davon nach Asien, neun in die USA. Dort ist Energiepolitik zugleich ein Hebel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Das Land reindustrialisiert sich. Ich glaube, man sollte in Deutschland gegenüber der Weiterentwicklung der Fracking-Technologie aufgeschlossen sein, um nicht den Anschluss zu verlieren. Man darf aber umgekehrt auch nicht glauben, wir könnten einfach nachmachen, was in den USA passiert.

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