Der Gewinn ist zum Start ins neue Geschäftsjahr stark gestiegen, die Prognose wurde angehoben, die Aktie liegt nahe der Höchstständen: Siemens-Chef Joe Kaeser sieht sich da schon genötigt, ein wenig die Euphorie zu bremsen. „Wir sind gut beraten, auf dem Boden und bescheiden zu bleiben“, sagt er bei Vorlage der Quartalszahlen vor der Hauptversammlung in München am Mittwoch. Noch laufe nicht alles so, wie es sollte.
Am Morgen der Hauptversammlung ist die Stimmung des Siemens-Chef bestens. Begleitet von gleich drei Vorständen betritt er gut gelaunt die Olympiahalle. „Ein starkes Quartal“ habe man hinter sich, sagt er. Und das sei eine Teamleistung. So dürfen auch Klaus Helmrich, Lisa Davis und Ralf Thomas mit aufs Podium.
Siemens entwickelt sich derzeit weitaus besser als die Konkurrenz. Und das obwohl das Umfeld für Investitionsgüterkonzerne derzeit alles andere als gut ist. Die Konjunktur in wichtigen Märkten schwächelt, die niedrigen Ölpreise hemmen die Investitionsbereitschaft bei Förderern und Förderländern und die politischen Unsicherheiten sind nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump groß.
Sieht man vom Rückgang der Neuaufträge ab – im Vorjahresquartal gab es mehr Großaufträge – können sich die Siemens-Zahlen tatsächlich sehen lassen. Der Umsatz der Münchener stieg von Oktober bis Dezember um vergleichbar drei Prozent auf 19,1 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass Siemens trotz des schwierigen Umfelds weiter aus eigener Kraft wächst.
Kaeser: "Siemens auf Wachstumskurs"
Zum Vergleich: Erzrivale General Electric hat im selben Zeitraum einen Rückgang der Erlöse um vergleichbar zwei Prozent auf 33,1 Milliarden Dollar hinnehmen müssen. Auch der Schweizer ABB-Konzern hatte in letzter Zeit nur selten mit Wachstum geglänzt.
Siemens und Osram - ein Abschied auf Raten
Für den Elektrokonzern gehört die ehemalige Tochter schon lange nicht mehr zum Kerngeschäft. Gut drei Jahre nach der Abspaltung über die Börse hält Siemens mittlerweile noch 17,5 Prozent an Osram. Zuletzt trübte Streit um die Zukunftsstrategie das Verhältnis zwischen beiden Unternehmen empfindlich. Siemens-Chef Joe Kaeser hält den Plan von Osram-Chef Olaf Berlien für eine LED-Chipfabrik in Malaysia für zu risikoreich. Auf der Hauptversammlung entzog Großaktionär Siemens Berlien deshalb demonstrativ das Vertrauen. Anlass für Zeitdruck gibt es derweil kaum: Bei Siemens läuft es derzeit auch dank einer Reihe von Großaufträgen gut, so dass Kaeser die Gewinnprognose für das gerade abgeschlossene Geschäftsjahr 2015/16 (30. September) anheben konnte. 2017 allerdings sei „ein neues Spiel“, wie der Siemens-Chef vor einigen Wochen sagte.
Bisher waren vor allem zwei potenzielle Investoren aus China im Gespräch, nämlich der Finanzinvestor GSR Go Scale Capital und der Halbleiterhersteller San'an Optoelectronics, der auch erste Kontakte bestätigt hatte. Auch darüber hinaus hat Osram bereits Erfahrungen mit chinesischen Investoren - erst im Sommer entschied sich der Konzern zum Verkauf der traditionellen Lampensparte Ledvance an den chinesischen LED-Spezialisten MLS. Auch der Autozulieferer Continental soll über ein Engagement bei Osram nachgedacht, mit um die 50 Euro je Osram-Aktie aber aus Siemens-Sicht zu wenig Geld geboten haben.
Als lukrativ gilt vor allem die Sparte Automobilbeleuchtung. Zudem hält das Unternehmen rund 18.000 Patente. Mit einem Einstieg könnten Chinesen also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - Geld anlegen und sich die Technologie aneignen.
Das ist unklar. Zuletzt war es wieder etwas ruhiger um die seit September anhaltenden Verkaufsspekulationen geworden. Das könnte auch daran liegen, dass hinter den Kulissen noch über Preisvorstellungen und weitere Details gerungen wird. Vom Tisch ist das Thema damit aber noch lange nicht.
Zuletzt wuchs in Berlin der Widerstand gegen die Übernahme zukunftsträchtiger Unternehmen durch Chinesen. Auch Osram selbst hatte das beim Verkauf seiner Lampensparte zu spüren bekommen, den die Bundesregierung nun noch einmal genau unter die Lupe nehmen will. Künftig will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zudem heimische Schlüsseltechnologien besser vor einem Ausverkauf schützen. Es müsse klar sein, „dass Deutschland und Europa sich für die Zukunft Instrumente schaffen werden, um sicherheitsrelevante Technologien zu schützen, wo dies geboten ist“, hatte Gabriel vor seiner China-Reise in der vergangenen Woche betont. Bei einem Besuch in Peking und Hongkong forderte er zudem Chancengleichheit für deutsche Unternehmen in China.
Wichtig für Kaeser: „Siemens bleibt auf profitablem Wachstumskurs.“ Das operative Ergebnis im industriellen Geschäft, eine der wichtigsten Kennziffern, stieg im ersten Quartal 2016/17 um 26 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. Das entsprach einer Umsatzrendite von 13 Prozent nach 10,4 Prozent im Vorjahreszeitraum. So gut schnitt Siemens schon länger nicht mehr ab.
Als Konsequenz hob Siemens die Prognose für das Gesamtjahr deutlich an. Bisher hatte Kaeser eine Ergebnismarge von 10,5 bis 11 Prozent in Aussicht gestellt. Nun prognostiziert er 11 bis 12 Prozent. Auch der Gewinn nach Steuern soll nun bei bis zu 7,70 Euro liegen. Bislang hatte Siemens bis zu 7,2 angestrebt. Im ersten Quartal stieg der Gewinn nach Steuern um ein Viertel auf 1,9 Milliarden Euro.