Gerhard Cromme, 69, sammelt zurzeit seine Truppen beim Technologiekonzern Siemens. Der Aufsichtsratschef muss um die Verlängerung seines Mandats bangen, nachdem Arbeitnehmervertreter darauf dringen, dass er bei der nächsten Hauptversammlung im Januar 2013 nicht noch einmal als Chef des Kontrollgremiums antritt. Cromme ist auch Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp und Anwärter auf den Chefsessel der Krupp-Stiftung, die bisher noch vom früheren Krupp-Testamentsvollstrecker Berthold Beitz, 98, geleitet wird.
Die Arbeitnehmervertreter im Siemens-Aufsichtsrat verübeln Cromme sein hartes Durchgreifen in der Korruptionsaffäre, die im Jahr 2007 hochkam und den früheren Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer, 71, den Job kostete. Auch der heutige Chef des US-Aluminiumherstellers Alcoa und damalige Siemens-Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld, 54, musste deswegen gehen. Offiziell argumentieren die Siemens-Arbeitnehmer-Aufseher, Cromme sei zu alt. Außerdem habe er als eingefleischter Krupp-Manager und Beitz-Ziehsohn einen allzu autoritären und hierarchischen Führungsstil, der nicht zu Siemens passe.
Crommes Handicap
Die Vorentscheidung für die Wahl fällt im Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats, das letzte Wort hat die Hauptversammlung im Januar. Das Votum der Aktionärsversammlung gilt aber als Formalie, weil die Kandidatenkür vorher unter den wichtigsten Aktionärsgruppen abgestimmt wird. Crommes Handicap: Als Vorsitzender des Nominierungsausschusses bei Siemens muss er sich neutral verhalten und darf nicht mitstimmen.
Wie das Gerangel ausgeht, ist zwar noch nicht sicher, Crommes erneute Nominierung hat aber gute Chancen. Denn parallel zu den Widerständen, die sich auf der Arbeitnehmerseite aufbauen, formieren sich seine Unterstützer auf der Kapitalseite. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Siemens-Aufseher und Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann, 57, der die Wiederwahl Crommes schon intensiv vorbereitet, wie Siemens-Insider wissen.
Eingespieltes Team
Cromme und Diekmann gelten seit Jahren als eingespieltes Team, Cromme ist bei der Allianz stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Noch etwas verbindet die beiden: Diekmann sei „von westfälischer Härte“, wenn er sich einmal für oder gegen einen Kandidaten entschieden habe, sagen Allianz-Insider. Gut für den in Vechta geborenen Westfalen Cromme, der solchen Rückhalt im Aufsichtsrat auch einfordert. Ebenfalls zu den Unterstützern Crommes zählte bisher der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, 64, der soll allerdings im Januar seinen Siemens-Aufsichtsratssitz für Nachfolger Jürgen Fitschen, 63, räumen. „Kein Kommentar“, heißt es dazu bei der Deutschen Bank wie bei der Zürich-Versicherung, wo Ackermann jetzt Verwaltungsratspräsident ist.
Heißer Anwärter
Viel ändern würde der Wechsel wohl nicht, auch Fitschen gilt als Cromme-Unterstützer. So wie E.On-Finanzchef Hans Michael Gaul, 70, der erneut in den Siemens-Aufsichtsrat einziehen dürfte und wieder als heißer Anwärter für die Leitung des Prüfungsausschuss gilt. Gaul fungierte bisher als Crommes Horchposten in dem wichtigen Prüfungsgremium. Verzichten müssen wird Cromme dagegen auf zwei weitere bisherige Gefolgsleute: Aus dem Siemens-Aufsichtsrat ausscheiden wird der Schwede und frühere MAN-Chef Hakan Samuelson, 61. Ebenfalls von Bord geht Crommes alter Weggefährte Jean-Louis Beffa, 71.
Als früherer Vorstandschef des französischen Industriekonzerns St. Gobain hat der Franzose Cromme maßgeblich gefördert. Er wurde unter Beffa zum stellvertretenden Generaldirektor für das Deutschlandgeschäft des Konzerns, bevor er 1986 zu Krupp wechselte.
Wenn Cromme wiedergewählt wird, will er die volle Amtszeit ausüben, sagen seine Unterstützer. Selbst eine Übernahme des Krupp-Stiftungsvorsitzes, sollte dem amtierenden Amtsinhaber Beitz etwas zustoßen, werde ihn daran nicht hindern.