Siemens und Bombardier Was sich Siemens von der Zug-Fusion verspricht

Siemens will sein Zuggeschäft mit dem des Konkurrenten Bombardier verschmelzen. Der Zusammenschluss wird Tausende von Jobs kosten. Und auch potenzielle Kunden melden schon vorab Bedenken an.

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ICE-Bauer Siemens. Quelle: imago images

An der hohen Mauer rund um das Wiener Siemens-Werk verwittern die Plakate, der Güterwaggon vor der mit graublauem Blech verkleideten Fabrikhalle ist mit Fahrgestellen für Straßenbahnen beladen. Hier in Simmering, einem Arbeiterbezirk der österreichischen Hauptstadt, bauen gut 1000 Mitarbeiter des Münchner Konzerns Bahnen für die Welt.

Wenige Kilometer weiter, in einem Gewerbegebiet auf der anderen Seite der Donau, sieht es ähnlich aus. Vor der Werkshalle steht eine neue, grün lackierte Straßenbahn, drinnen schrauben rund 600 Arbeiter für den kanadischen Hersteller Bombardier an Bahnen. Die sollen demnächst unter anderem in Rotterdam, Innsbruck und dem australischen Gold Coast unterwegs sein.

Aus beiden Fabriken könnte bald eine werden. „Welchen Sinn hat es, in Wien zwei Standorte zu haben, wenn die Unternehmen ihr Zuggeschäft verschmelzen?“, fragt ein österreichischer Bombardier-Manager. Verschmelzung – darauf arbeiten beide Unternehmen offensichtlich hin. Insider berichten, dass die Gespräche schon seit Monaten laufen, am Ende soll ein neues Gemeinschaftsunternehmen das Geschäft mit Zügen, Lokomotiven, Steuerungstechnik sowie U- und Straßenbahnen bündeln. Ähnlich hat es Siemens bereits bei der Windkraft mit dem spanischen Hersteller Gamesa gemacht.

Weltweite Marktanteile von Herstellern elektrischer Lokomotiven

Auf den ersten Blick ist das durchaus sinnvoll. Mit einem gemeinsamen Umsatz von knapp 15 Milliarden Euro könnten die Konzerne ein stärkeres Gegengewicht zum chinesischen Staatskonzern CRRC bilden. Der hat zuletzt umgerechnet mehr als 32 Milliarden Euro umgesetzt und verkauft seine Bahntechnik bereits recht erfolgreich in den Schwellenländern Südostasiens und im Nahen Osten. „Der Zeitpunkt, zu dem China seine Produkte auch in Europa zugelassen bekommt, ist nicht mehr fern“, sagt Andreas Matthä, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB).

Siemens-Chef Joe Kaeser will das Sagen haben

Bis Siemens und Bombardier ihr gemeinsames Projekt aber auf die Schiene bringen, müssen sie noch diverse Fragen klären. Insider berichten, dass noch offen ist, wer dann das Sagen haben soll. Zudem stecken die Kanadier in einer schwierigen Restrukturierung. Und auch bei den Kartellbehörden wird die Fusion kein Selbstläufer.

Die wichtigsten Antworten zur möglichen Zug-Fusion

Mögliche Kunden melden schon mal Bedenken an. „Es wäre nicht gut, wenn wir nur noch einen großen europäischen Anbieter hätten“, sagt ÖBB-Chef Matthä. Alstom aus Frankreich, Stadler aus der Schweiz und der italienische Hersteller Hitachi-Ansaldo sind deutlich kleiner, der tschechische Hersteller Škoda wird gerade von CRRC geschluckt. „Ein Deal dürfte nicht eins zu eins durchgehen“, sagt Maria Leenen, Chefin der auf die Bahnbranche spezialisierten Beratung SCI.

Restrukturierung schwächt die Position von Bombardier

Noch ist nicht klar, was am Ende von Bombardier noch übrig ist. Der Konzern baut gerade rund 5000 von aktuell 38.000 Stellen ab. In Deutschland, wo er etwa 8500 Mitarbeiter beschäftigt, soll der Aufsichtsrat am Donnerstag den Abbau beschließen. Insider berichten, dass rund 2700 Arbeitsplätze wegfallen sollen, auch von Standortschließungen ist die Rede. „Es gibt noch erhebliche Differenzen“, sagt ein Arbeitnehmervertreter. Zumindest auf betriebsbedingte Kündigungen soll der Konzern verzichten.

Die Restrukturierung schwächt die Kanadier in den Verhandlungen mit München. Bei den reinen Daten sehen sie ohnehin nicht gut aus. Obwohl in der „Mobility“-Division von Siemens nur rund 27.000 Beschäftigte arbeiten, liegt ihr Umsatz um eine Milliarde Euro höher als der von Bombardier, zudem ist die Sparte deutlich profitabler. Schon deshalb dürfte Siemens-Konzernchef Joe Kaeser darauf bestehen, dass das neue Unternehmen von Siemens geführt wird. Die Siemens-Arbeitnehmervertreter sehen das genauso.

Dabei baut auch Siemens Arbeitsplätze ab. Vor wenigen Wochen kündigte der Konzern an, in seinem Werk in Krefeld 300 Arbeitsplätze in der Zugmontage zu streichen. Auf der Betriebsratssitzung in dieser Woche sollen die Arbeitnehmer allerdings erklärt haben, dass sie die Gespräche erst mal langsam angehen lassen wollen. Sie wollten doch erst mal abwarten, was die Verhandlungen mit Bombardier so ergeben.

Siemens-Chef Kaeser sieht Jobs durch die Digitalisierung gefährdet. Er investiert deswegen Hunderte Millionen in digitale Weiterbildung seiner Leute und warnt die deutsche Industrie davor, das Silicon Valley nachzuahmen.
von Miriam Meckel
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