Siemens Vor diesen fünf Hürden steht Siemens

Siemens-Chef Joe Kaeser hat mit der Anhebung der Prognose die Investoren überrascht. Trotzdem wird sich der Konzernchef auf der Hauptversammlung am Dienstag unangenehmen Fragen stellen müssen. Hier die fünf wichtigsten.

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Siemens CEO Joe Kaeser Quelle: REUTERS

Wie stark drückt der Ölpreisverfall aufs Geschäft?

Kostet ein Fass Öl 90 Dollar, rechne sich die Übernahme, hatte Siemens-Chef Joe Kaeser gesagt, als er im Sommer 2014 den US-Konzern Dresser-Rand kaufte. 7,8 Milliarden Dollar zahlten die Münchner für das Unternehmen aus Texas, das Ausrüstung und Anlagen für die Öl- und Gasindustrie baut. Viel zu viel, meinten schon damals viele Investoren: Kaeser hatte sich in ein Bietergefecht mit dem Schweizer Sulzer-Konzern mit Kaeser-Vorgänger Peter Löscher an der Spitze, treiben lassen.

Heute liegt der Ölpreis bei rund 30 Dollar, und das Siemens-Geschäft mit der Öl- und Gasindustrie leidet wie kaum ein anderes im Konzern. Zuletzt erzielte die Sparte eine Rendite von 6,5 Prozent, deutlich weniger als die Marge des gesamten Siemens-Industriegeschäfts von gut zehn Prozent. Weil kaum ein Experte von einem baldigen Anstieg des Ölpreises ausgeht, dürfte die Sparte weiter unter Druck bleiben. Große Ölförderer wie Royal Dutch Shell stellen geplante Milliardeninvestitionen zurück; in den USA rutschen immer mehr Fracking-Unternehmen in die Pleite. Viele Aktionäre stellen sich darum die Frage, wann Kaeser die erste Abschreibung auf den Dresser-Rand-Zukauf verkünden muss.

Wie findet Siemens zu alter Innovationskraft zurück?

Die Krawatten blieben im Schrank, der oberste Hemdknopf war offen, als Kaeser und sein Technologievorstand Siegfried Russwurm im Dezember der Öffentlichkeit die neue Innovationsstrategie des Konzerns vorstellten. Die beiden Vorstände wollten mit ihrem lockeren Auftreten Start-up-Flair verbreiten, und auch der Ort der Präsentation war gut gewählt: Im Deutschen Museum in München erklärten Kaeser und Russwurm, Siemens werde im laufenden Geschäftsjahr die Forschungsausgaben um 300 Millionen Euro auf 4,8 Milliarden Euro steigern. Zusätzlich legt Siemens einen mit 100 Millionen Euro ausgestatteten Innovationsfonds auf, der Ideen von Mitarbeitern in neue Geschäfte verwandeln soll. Ein neuer wissenschaftlicher Beirat soll die Innovations- und Technologiekompetenz des Konzerns stärken. Darüber hinaus will Siemens die Kooperation mit Start-ups vertiefen.

Die neun Divisionen von Siemens

Dass sich bei Siemens in der Forschung etwas ändern muss, bestreitet niemand mehr. Scharf rechnende Controller und Bedenkenträger haben in der Vergangenheit zu viele gute Ideen blockiert. Der amerikanische  Konkurrent General Electric (GE) ist Siemens bei der Innovationskraft davon geeilt. „Siemens bräuchte mehr Visionäre statt mehr Bürokraten“, sagt ein früherer Siemens-Forscher, der bei Siemens in München im Bereich Corporate Technology gearbeitet hat.

„Es war ein Trauerspiel, wie viele geniale Ideen durch Verwalter und Bürokraten blockiert wurden. Und mit jeder Umorganisation wurden mehr Bürokraten eingestellt. Inzwischen sitzen jedem Forscher mindestens drei Controller gegenüber, die alles blockieren. Das ist ein guter Zeitpunkt, Siemens zu verlassen“, so der Wissenschaftler. Kaeser wird noch deutlicher erklären müssen, wie er den gefährlichen Trend umkehren will.

Krisen in den BRIC-Staaten machen Siemens zu schaffen

Welche Folgen hat der Abschwung in den Schwellenländern für den Konzern?

„Mit Investitionsgütern will man in China zurzeit nicht unterwegs sein“, sagte Kaeser vor einigen Monaten mit Blick auf den Abschwung in der Industrie des Riesenreichs. Immer mehr chinesische Unternehmen legen wegen der schwachen Nachfrage Investitionen in ihre Fabriken auf Eis.

Und es ist nicht nur die schwächelnde Konjunktur in China. Auch die Krisen in Brasilien und die Sanktionen in Russland machen Siemens schwer zu schaffen. In China erzielte der Technologiekonzern zwischenzeitlich mehr als zehn Prozent seines Umsatzes. Im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr schrumpfte der Umsatz allerdings um vier Prozent auf 6,9 Milliarden Euro – nur noch etwa neun Prozent des Gesamtumsatzes.

Was alles einmal zu Siemens gehörte
Joe Kaeser Quelle: dpa
Wolfgang Dehen Quelle: dpa
Kaffee tropft aus einem Kaffee-Vollautomaten in eine Tasse Quelle: dapd
Gigaset-Telefone Quelle: dapd
Stopp-Schild vor einem Gebäude mit dem Benq-Logo Quelle: AP
Schild Nokia Siemens Networks Quelle: dpa
Infineon-Fabrik Quelle: REUTERS

Viel besser dürfte es so bald nicht werden. Der Auftragseingang in China ging im selben Zeitraum um zwölf Prozent auf 6,6 Milliarden Euro zurück. Kaeser hofft nun, mit der Sparte Mobility vom Ausbau der Infrastruktur in China zu profitieren. Die Modernisierung des Gesundheitswesens, vor allem in ländlichen Regionen könnte Aufträge für die Medizintechnik bringen.

Wie will Siemens zum Erzrivalen GE aufschließen?

Im Sommer 2014 war Kaeser seinen Job als Siemens-Chef angetreten. Es folgten ein weit reichender Umbau des Konzerns, ein „Jahr der operativen Konsolidierung“ wie Kaeser es umschrieb, ein Jahr des Übergangs. Doch nun, im Geschäftsjahr 2016, soll der Traditionskonzern wieder wachsen, und das sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn. Der Vergleich mit dem Erzrivalen GE fällt ernüchternd aus. Mit 350.000 Mitarbeitern erwirtschaften die Amerikaner einen Umsatz von 108 Milliarden Euro bei einer Rendite im Industriegeschäft von 16,5 Prozent. Siemens kommt mit 348.000 Mitarbeitern auf 76 Milliarden Euro Umsatz bei einer Rendite von 10,1 Prozent.

GE ist schneller, beweglicher und weniger bürokratisch, auch innovativer. So war etwa Siemens bei großen Gasturbinen der so genannten H-Klasse jahrelang führend. Inzwischen hat der Konkurrent aus Connecticut eine Turbine mit einem leicht höheren Wirkungsgrad am Markt.

Seit der letzten Hauptversammlung gab die Siemens-Aktie um 13 Prozent nach, der Kurs des GE-Papiers dagegen legte um zehn Prozent. Die Aktionäre werden wissen wollen, wie lange das so weitergeht.

Was wird Siemens mit seiner Beteiligung am Lichtkonzern Osram machen?

Mit gut 17 Prozent ist Siemens noch an seiner früheren Tochter Osram beteiligt. Als deren Chef Olaf Berlien im November erklärte, er werde in Malaysia für eine Milliarde Euro eine neue LED-Chipfabrik bauen, rauschte der Kurs der Osram-Aktie um 28 Prozent in den Keller – und Siemens verlor innerhalb von Minuten 260 Millionen Euro. Entsprechend groß war Kaesers Wut. Lakonisch erklärte er später, der Kapitalmarkt habe die Frage nach dem Sinn der geplanten Investition beantwortet. Investoren werden wissen wollen, ob Siemens bei Osram auf eine Kurskorrektur drängen will und wann Kaeser die Beteiligung an dem Lichtkonzern abgeben will.

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