SMS Group Verbiegen in der Stahlkrise

Die Stahlindustrie steckt in einer Krise. Auch die Zulieferunternehmen bleiben davon nicht verschont. Ein Beispiel ist die SMS group. Wie sich der Ausrüster von Walzstraßen und Hüttenwerken aus Düsseldorf retten will.

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Der Düsseldorfer Ausrüster leidet unter den weltweiten Stahl-Überkapazitäten. Quelle:

Düsseldorf Überkapazitäten, Preisdruck, Billigimporte – die Stahlindustrie hangelt sich weltweit seit Jahren durch die Krise. Aufbruchstimmung mag bei so viel Gegenwind gar nicht erst aufkommen, die Lust zu investieren ist arg gedämpft. Das spüren auch die Ausrüster von Walzstraßen und Hüttenwerken wie der Düsseldorfer Großanlagenbauer SMS group, einer der drei großen weltweit operierenden Anbieter.

In Spitzenzeiten wie 2008 holte der Familienkonzern von Patriarch Heinrich Weiss noch über fünf Milliarden Euro an neuen Aufträgen in die Bücher, zuletzt waren es nur noch gut drei Milliarden. Eine Besserung ist nicht in Sicht. „Das ist keine Basis für die Auslastung unserer Kapazitäten“, klagte schon vor einem Jahr Konzernchef Burkhard Dahmen. Die werden seitdem kräftig angepasst, vor allem in den deutschen Standorten. Ende 2017 sollen hier nur noch gut 4.000 Mitarbeiter im Kerngeschäft Maschinen- und Anlagenbau werkeln, 1 200 weniger als Anfang 2014. Das gab Dahmen am Dienstag auf einer Belegschaftsversammlung bekannt.

Der jetzt beschlossene Personalschnitt wird allerdings nicht ausreichen, die laufende Kurzarbeit in den Standorten kurzfristig zu beenden. „Basis der Maßnahmen ist eine Businessplanung für die kommenden fünf Jahre“, sagte Dahmen. „Aktuell liegen wir unterhalb des angepeilten Volumens. Ich rechne damit, dass wir mit der derzeitigen Unterdeckung noch in das Jahr 2017 reingehen müssen.“ Dann soll der eingeleitete Umbau greifen und sich Kapazitäten, Auslastung sowie Umsätze die Waage halten.

Der SMS-Chef hatte schon kurz nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren ein erstes Restrukturierungsprogramm aufgelegt: Die beiden Tochtergesellschaften SMS Siemag und SMS Meer wurden Anfang 2015 fusioniert, Betriebsteile aber auch Forschungsbüros auf die beiden großen Produktionsstandorte in Mönchengladbach und Hilchenbach konzentriert. Gut 700 Stellen fielen der ersten Umbauwelle zum Opfer, allerdings weitgehend sozialverträglich über Altersteilzeit, Einstellungsstopp und Versetzungen in andere Betriebsteile abgefedert.

Heute legte Dahmen noch einmal nach: Knapp 500 Stellen kommen in einem zweiten Schub dazu, 200 davon über betriebsbedingte Kündigungen. „Das ist für jeden Betroffenen ein Schlag ins Kontor“, räumte Dahmen gegenüber dem Handelsblatt ein. Kündigungen sind für den Familienkonzern ungewöhnlich – nach 2001 ist es erst das zweite Mal in der SMS-Geschichte. Doch die anhaltende Flaute in der Stahl-, Aluminium- und Kupferindustrie lässt Dahmen keine andere Wahl.

Megaaufträge fast in Milliardenhöhe für den Bau komplett neuer Produktionsanlagen gehören der Vergangenheit an. Vor allem die Stahlindustrie produziert auf zu vielen Anlagen, die Auslastung der Hütten sank 2015 unter die Schwelle von 70 Prozent – dabei werden Gewinne traditionell erst ab einer Marke von gut 80 Prozent gemacht.

Dahmen trimmt SMS daher stärker auf Serviceleistungen: Bis 2020 soll das Kerngeschäft der SMS group ein Drittel ihrer Umsätze von 2,65 Milliarden Euro über Reparaturen und die Wartung von Anlagen machen - derzeit sind es 20 Prozent. Gerade erst haben die Düsseldorfer einen mehrjährigen Servicevertrag mit einem russischen Stahlkonzern abgeschlossen.

„Das Anlagengeschäft nimmt ab, im Servicebereich stellen wir Personal ein, auch in Deutschland“, sagt Dahmen dazu. Doch Service funktioniert nur bei regionaler Nähe zum Kunden – sitzt der in Indien oder der Ukraine, entsteht die Arbeit dort. Auch ein Grund, weshalb die SMS group vor allem in Deutschland Stellen kappt.


Stellenabbau „hart aber fair“

Die SMS-Belegschaft verteilt sich derzeit noch zur Hälfte auf Inland und Ausland – Ende 2017 sollen laut Dahmen schon 60 Prozent der Mitarbeiter im Kerngeschäft Metallurgie jenseits der Landesgrenze sitzen. Für den Gesamtkonzern, zu dem auch der Hochofenbauer Paul Wurth aus Luxemburg gehört, gilt das ohnehin – derzeit arbeiten weltweit 14 000 Mitarbeiter für den Familienkonzern aus Düsseldorf.

Seine Stellung als Anbieter von Komplettlösungen für die Stahl- und Aluminiumindustrie will der Familienkonzern durch die Maßnahmen nicht gefährden. „Wir geben keine Produktlinie auf“, sagte Dahmen, „das wäre fahrlässig“. Schließlich hätte sich in der Vergangenheit gezeigt, dass es immer wieder Schwankungen in der Nachfrage gebe, diese ließen sich bei einer breiten Angebotspalette viel besser ausgleichen.

Auch wird SMS nach Aussage Dahmens nicht dem Weg des Konkurrenten Danieli gehen, der einen Großteil seiner Produktion nach Thailand verlagert hat und gerade in Schwellenländern auch Anlagen oder Teile davon anbietet, die nicht im High-end-Bereich angesiedelt, dafür aber deutlich günstiger sind. Kritiker werfen der SMS-Führung vor, diesen Trend verschlafen und zu lange an einer teuren Fertigung in Deutschland festgehalten zu haben. „Wir bleiben bei dem, was wir können“, sagte Dahmen dazu. „Technologieführerschaft und ein Komplettangebot sind das wichtigste Merkmal der Differenzierung zu unseren Wettbewerbern.“

Einen anderen Weg hätte wohl auch die Belegschaft nicht mitgetragen. So verliefen die wochenlangen Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern über den Stellenabbau „hart aber fair“, wie es aus dem Betriebsrat hieß. „Uns war wichtig, dass SMS funktionsfähig bleibt und keine Produktgruppen abgebaut werden.“

Dahmen muss nun zeigen, dass er mit der jetzt gefundenen Lösung den Konzern nachhaltig fit für die Zukunft machen kann. Tiefere Einschnitte und eine zusätzliche Verlagerung von Kapazitäten und Kompetenz ins kostengünstigere Ausland hätte wohl auch Aufsichtsratschef Heinrich Weiss nicht mitgetragen, um dessen Lebenswerk es schließlich geht.

Der Unternehmer hatte erst Mitte Februar zusammen mit den Gesellschaftern der drei Familienstämme die Anteile an der Holding in eine zuvor gegründete Familienstiftung übertragen. Damit soll das Unternehmen auf Dauer als Familienkonzern abgesichert werden. Für Konzernchef Dahmen „ein Vetrauensvorschuss“: „Das gibt Belegschaft und Management die Sicherheit, dass der Eigentümer die Firma langfristig halten will.“ Für den SMS-Chef aber auch eine Verpflichtung dem Patriarchen Heinrich Weiss gegenüber: „Wir müssen jetzt liefern.“

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