Solarkonzern Bei SMA verdüstern sich die Aussichten

Preisverfall, bröckelnde Markanteile, Einbußen im Kerngeschäft: SMA Solar gerät unter Druck. Konzernchef Urbon steuert gegen und will die Firma zum Energiedienstleister wandeln. Experten zweifeln, ob das gelingt.

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Der SMA-Chef sieht 2017 als „Übergangsjahr“ und rechnet insgesamt mit einem Umsatz- und Gewinnschwund. Quelle: dpa

Frankfurt Der Tag begann für Pierre-Pascal Urbon mit einer guten Nachricht. Sein alljährlicher Medizincheck fiel positiv aus. „Laut meinem Arzt ist alles bestens“, frohlockt der Vorstandschef des Wechselrichterehrstellers SMA Solar. Und auch sonst könnte die Laune des TecDax-Managers kaum besser sein. Während Solarworld, der zweite große Photovoltaikkonzern in Deutschland, zuletzt herbe Verluste melden musste, blickt Urbon auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück.

Zwar schrumpfte der Umsatz von SMA im vergangenen Jahr leicht auf rund 947 Millionen Euro. Aber parallel dazu erzielte der Konzern einen neuen Absatzrekord und verdoppelte den Gewinn auf 29,6 Millionen Euro. „SMA ist bestens positioniert“, erklärte Urbon bei der Präsentation der Bilanz am Donnerstag in Frankfurt. Doch der 46-Jährige weiß: Die Aussichten für SMA verdüstern sich.

Der globale Solarmarkt könnte dieses Jahr erstmals schrumpfen. Im ersten Quartal 2017 dürfte der Umsatz von SMA nicht zuletzt deswegen um gut 31 Prozent absacken, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wird voraussichtlich sogar um 60 Prozent einbrechen – auf kaum mehr als 15 Millionen Euro. SMA-Chef Urbon sieht 2017 als „Übergangsjahr“ und rechnet insgesamt mit einem Umsatz- und Gewinnschwund.

„Das Geschäftsjahr 2017 wird für die gesamte Photovoltaikbranche sicherlich eine Herausforderung“, sagt Urbon. Er geht von einem weiterhin enorm starken Preisdruck aus. Der Grund: In China, dem weltgrößten Photovoltaikmarkt, dürfte nach Berechnungen von SMA die Nachfrage bis 2019 um 70 Prozent einbrechen. „Das ist eine fundamentale Änderung im Markt“, erklärt Urbon. Um den Umsatzrückgang im eigenen Land zu kompensieren, würden chinesische Anbieter von Wechselrichtern wie Huawei verstärkt ins Ausland drängen. In der Folge erwartet SMA drastisch einbrechende Preise.

Vorstandschef Urbon will SMA jetzt von den enormen Schwankungen im globalen Solarmarkt abkoppeln. Konkret versucht der Manager, den Hardwarehersteller zu einem Energiedienstleister zu wandeln. Seine Vision: „Die vollkommene Unabhängigkeit der Menschen in ihrer Energieversorgung durch dezentral erzeugte Erneuerbare Energie in einer vernetzten Welt“.

Stromhandel über das Energie-Internet

Urbon ist überzeugt, dass Haushalte und Unternehmen ihren Strom schon bald mithilfe von Photovoltaikanlagen selbst herstellen, in einer Batterie zwischenspeichern und ganz selbstverständlich über eine Art Energie-Internet mit Elektrizität handeln werden. Möglich machen soll das Technik aus seinem Hause.

„Stellen Sie sich vor, Sie sind der Manager eines Supermarkts und wollen die Kosten senken“, holt Urbon aus. Wie macht man das am besten? Urbons Erzählung geht so: Der drittgrößte Kostenblock bei einem Supermarkt sind die Energiekosten. Also installiert der Manager eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Supermarkts. Denn selbst erzeugter Solarstrom ist meist günstiger als ein Vertrag beim örtlichen Stadtwerk. Um die günstige Energie vor Ort optimal zu nutzen, will der Manager die Photovoltaikanlage mit einem Speicher, der Lüftung und der Klimaanlage verbinden.

Die Folge: Die Kosten purzeln. Der Chef des Supermarktmanagers findet die Idee genial und will dieses Konzept nun bei all seinen Supermarktfilialen ebenfalls umsetzen. Er will aber noch mehr – etwa seinen eigenen Kunden einen Mehrwert bieten oder neue Kunden in seine Märkte lotsen.

„An einem Samstagmorgen kostet Strom fast nichts“, erklärt Urbon. Die Industrie ruht, die Nachfrage ist gering, es gibt ein Überangebot an Elektrizität. In so einer Situation könnte doch ein Supermarkt-Manager auf die Idee kommen, seinen Kunden anzubieten, drei Stunden lang ihre Elektroautos kostenfrei an den Ladesäulen des Supermarktes aufzuladen.


Energieflüsse clever steuern

„Heute funktioniert das noch nicht. Diese Sektoren miteinander zu verknüpfen ist hoch komplex“, sagt Urbon. Aber er will mit SMA noch in diesem Jahr eine Anwendung auf den Markt bringen, die es ermöglicht, die Energieflüsse der einzelnen Sektoren und Geräte in Echtzeit darzustellen. In einem nächsten Schritt soll ein Produkt folgen, mit dem sich die Energieflüsse auch clever steuern lassen.

„Der Ansatz von SMA sich zu einem Datenkonzern in so etwas wie einem Energie-Internet zu entwickeln, ist interessant. Aber es ist unklar, warum SMA hier eine Schlüsselrolle einnehmen sollte und nicht etwa Konzerne wie Google“, sagt Götz Fischbeck von Smart Solar Consulting. „Ja, es stimmt“, entgegnet SMA-Chef Urbon. Größe IT-Konzerne oder Energieversorger wie Eon oder Innogy arbeite ebenfalls daran, volatile Energieflüsse zu managen. Aber SMA sitze mit seinen Wechselrichtern genau an der Schnittstelle.

Tatsächlich sind Wechselrichter so etwas wie das technische Herzstück einer jeden Photovoltaikanlage. Sie wandeln den in Solaranlagen gewonnenen Gleichstrom in Wechselstrom für die Steckdose um. Schon heute sammelt SMA über seine Wechselrichter jede Menge Daten – etwa zu welchen Tageszeiten viel oder wenig Strom ins Netz eingespeist wird. Auf Basis dieser Daten hilft SMA etwa dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet dabei, das deutsche Stromnetz vor Engpässen und Überlastungen zu schützen.

Photovoltaikexperte Fischbeck ist dennoch skeptisch: „SMA ist den Beleg schuldig, dass ihre geplanten Dienste wirklich Erfolg versprechen. Nur weil hier ein wachsender Markt entstehen könnte, heißt das ja noch nicht, dass man dort auch Geld verdient.“ Während SMA-Chef von der Energiewelt von morgen träume, breche dem Konzern zudem aktuell das Kerngeschäft weg.

„Insgesamt zeichnet sich in der Solarindustrie ein Trend hin zu kleineren, dezentralen Wechselrichtern ab. SMA macht aber den Großteil seiner Gewinne mit Zentralwechselrichtern“, erklärt Fischbeck. Auch Arash Roshan Zamir zweifelt am Konzept von SMA. Prinzipiell attestiert der Analyst von Warburg Research dem Konzern zwar, auf die richtigen Themen für die Zukunft zu setzen. Aber er glaubt nicht daran, dass SMA damit kurz- bis mittelfristig wirklich Geld verdienen wird.

„Das Problem ist: SMA hat zwar die Daten, aber es ist fraglich, ob sie auch der beste Anbieter für die Datenauswertung sind“, erklärt Roshan Zamir. Parallel zeige sich, dass 2018 die Installationen von neuen Solarparks in den USA deutlich zurückgehen könnten. Amerika ist aber der mit Abstand wichtigste Markt für SMA. Der Konzern mit Sitz in Niestetal bei Kassel macht dort fast die Hälfte seines Umsatzes. „Wenn SMA es nicht schafft, die absehbar wegbrechenden Umsätze in den USA mit Erlösen in den anderen Märkten zu kompensieren, könnte es für SMA heikel werden“, sagt Roshan Zamir.

Pierre-Pascal Urbon sieht die Lage zwar weit weniger dramatisch, sorgt aber dennoch bereits für schlechtere Zeiten vor. Die Nettoliquidität von SMA hat er von 285 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf aktuell 362 Millionen Euro in die Höhe geschraubt. Dieser Anstieg des Cash-Bestands diene nicht dazu, die Kriegskasse zu mehren, erläutert Urbon, sondern zur Sicherung der Stabilität des Unternehmens.

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