Solarworld Der Sonnenkönig kann wieder strahlen

Nach dem Schuldenschnitt kämpft sich Solarworld aus der Krise. Der Umsatz steigt, die Verluste schrumpfen und auch die Aussichten sind rosig. Doch über dem Solarpionier schwebt weiter ein Damoklesschwert.

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Für den Solarpionier geht es nach einer schweren Krise wieder aufwärts. Quelle: Christoph Papsch

Bonn Für Frank Asbeck scheint wieder die Sonne. Der Gründer und Chef von Solarworld, Deutschlands größtem Photovoltaikkonzern, musste bei der Präsentation der Geschäftszahlen in seinem Bonner Vertriebszentrum sogar die Jalousien und Rollläden vollständig schließen, um nicht andauernd geblendet zu werden. Trotz Abdunkelung strahlte der Solarpionier über das ganze Gesicht. Nach schwerer Krise geht es für Solarworld wieder aufwärts.

„Wir laufen in allen Produktionsstädten auf 105 Prozent – alles brummt“, frohlockte Asbeck. Sein Unternehmen erwirtschaftete 2015 einen Umsatz von rund 764 Millionen Euro. Ein Plus von 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Anders als von Sonnenkönig Asbeck versprochen, hat der börsennotierte Konzern aber auch im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) von rund 4,2 Millionen Euro eingefahren. Der Trend ist allerdings positiv. Schließlich machte Solarworld 2014 noch einen Verlust von rund 44 Millionen Euro. Und auch die Aussichten für den Bonner Solarmodulhersteller sind gut.

Das Analysehaus IHS Technology prognostiziert alleine für dieses Jahr ein weltweites Wachstum bei neu errichteten Photovoltaikanlagen von rund 14 Prozent. Wurden bereits 2015 Solaranlagen mit einer Leistung von 58,8 Gigawatt neu errichtet, sollen es dieses Jahr schon 68,7 Gigawatt sein. Im Schnitt prophezeit IHS Technology der Solarbranche bis 2019 ein Wachstum von sieben Prozent pro Jahr. „Der Solarmarkt ist voll intakt“, erklärte Asbeck. Nachsatz: „Ich sage voraus, dass wir im Jahr 2020 über 100 Gigawatt an Solar-Neuaufbau haben werden“.

Der Umsatz von Solarworld soll 2016 um 20 Prozent steigen und Konzern-Boss Asbeck will dieses Jahr endlich wieder ein positives Ergebnis vorlegen. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll im zweistelligen Millionenbereich liegen. Solarworld profitiert insbesondere von dem Solarboom in den USA.

Ende vergangen Jahres wurden die in den Vereinigten Staaten gültigen Steuererleichterungen von anfangs bis zu 30 Prozent auf Solar- und Windenergieanlagen entgegen allen Erwartungen um weitere fünf Jahre verlängert. „Das ist ein Markttreiber erster Güte“, jubelte Asbeck. Da Solarworld schon heute mehr als die Hälfte seines Umsatzes in den USA generiert, profitiert der Konzern überproportional von den verlängerten Fördermaßnahmen. Dennoch besteht bei Solarworld für Anleger Sonnenbrandgefahr.

Im Tagesgeschäft verbrennt das Unternehmen zwar kein Geld mehr. Aber es drücken noch immer Schulden in der Höhe von 217 Millionen Euro – das entspricht mehr als einem Viertel des Umsatzes. Das Eigenkapital schrumpfte um fast zwei Prozent; die Ausgaben für Forschung und Entwicklung wurden um rund sechs Prozent zurückgefahren. Und über dem gesamten Konzern schwebt noch immer ein Damoklesschwert – ein existenzbedrohender Rechtsstreit.


Kaum Rückstellungen gebildet

Der Siliziumlieferant Hemlock Semiconductor verklagt Solarworld wegen nicht eingehaltener Verträge in den USA auf rund 800 Millionen Dollar Schadensersatz. Im Falle einer Niederlage vor Gericht bestehen für Solarworld negative Auswirkungen „bis hin zur Bestandsgefährdung“, wie es im Geschäftsbericht des Unternehmens dazu heißt. Und die Gefahr, dass der Bonner Konzern die seit Jahren andauernde Auseinandersetzung mit dem Rohstofflieferanten tatsächlich verliert, ist seit Ende Oktober 2015 gestiegen. Denn das Gericht in Michigan hat das Kernargument von Solarworlds Verteidigung kassiert. Der Solarmodulhersteller darf sich demnach nicht auf das europäische Kartellrecht berufen.

Frank Asbeck versucht zu beruhigen. Es handle sich bloß um eine Teilentscheidung des Gerichts und kein Urteil. Die Verträge seien nichtig, da das US-amerikanische Recht vorsehe, dass bei Dumping „vertragliche Verpflichtungen auf dem betroffenen Markt nicht mehr durchgesetzt werden dürfen. Und es gebe eindeutig „illegale Dumpingaktivität chinesischer Photovoltaik-Hersteller auf dem US-Markt“.

Solarworld hat keinerlei Rückstellungen für die „ungünstigen Verträge gebildet“. Lediglich für die Prozesskosten wurden drei Millionen Dollar beiseitegelegt. Der Solarworld-Aktionär und deutsche Corporate-Governance-Experte Christian Strenger hält das für „fahrlässig“. Solarworld selbst sieht die Risiken „kontinuierlich bilanziell gewürdigt“. Philipp Koecke, der Finanzchef des Unternehmens, verweist darauf, dass Solarworld bereits Anzahlungen von 120 Millionen Dollar an Hemlock Semiconductor geleistet habe.

„Ich gehe davon aus, dass diese Auseinandersetzung mit Hemlock außergerichtlich geklärt wird“, sagte Arash Roshan Zamir, Analyst bei Warburg Reearch. In ähnlichen Fällen mit Siliziumlieferanten, etwa mit Wacker Chemie, habe sich Solarworld ja bereits außergerichtlich geeinigt. „Es ist allerdings offen, wie groß Solarworlds finanzieller Spielraum ist, um sich im Extremfall auf eine zweistellige Millionensumme einigen zu können“, so Roshan Zamir.

Solarworld galt einst als deutsches Vorzeigeunternehmen. Zur Hochphase des Photovoltaikbooms war die Firma rund 4,6 Milliarden Euro an der Börse wert. Heute hat Solarworld nur mehr eine Marktkapitalisierung von rund 170 Millionen Euro – was auch an dem ungeklärten Rechtsstreit mit Hemlock liegt.

Frank Asbeck hält im Übrigen nicht viel von seinem Geschwätz von gestern. In einer WDR-Fernsehdokumentation erklärte Asbeck 2014: „Ich habe gesagt, solange ich mit der Firma kein Geld verdiene, möchte ich auch kein Geld verdienen“. Nun schreibt Solarworld ebenso wie 2014 Verluste. Asbeck zahlte sich aber 2014 ein Gehalt von 736 Millionen Euro aus und 2015 von fast 900 Millionen Euro.

„Diese Leistung steht mir zu“, rechtfertigte sich Asbeck. Er habe „genau das gemacht“, was er „angekündigt habe“. Denn in den Jahren vor 2014, in der Restrukturierung, habe er zwei Jahre auf sein Salär verzichtet. Sein Gehalt sei im Übrigen auf eine Million Euro limitiert, ließ er wissen.

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