Solarworld in der Krise Den Bonnern geht das Geld aus

Deutschlands größter Photovoltaikkonzern Solarworld schlittert immer tiefer in die Krise. Wegen des globalen Preisverfalls bei Modulen wird das Geld knapp. Um zu überleben, brauchen die Bonner wohl eine Kapitalspritze.

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Solarworld-Chef Frank Asbeck kämpft um den Fortbestand seines Photovoltaikkonzerns. Quelle: dpa

Düsseldorf Im Frühjahr schien die Welt für Frank Asbeck noch in Ordnung. „Der Solarmarkt ist voll intakt“, erklärte damals der Gründer und Chef von Solarworld. Die Produktionsstätten von Deutschlands größtem Photovoltaikkonzern würden auf Hochtouren laufen. „Alles brummt“, frohlockte Asbeck noch im März und verkündete, dass seine Firma dieses Jahr endlich wieder in die Gewinnzone zurückkehren werde. Heute, mehr als ein halbes Jahr später, sind Asbecks Ankündigungen nur noch Makulatur.

Die Lage für Solarworld hat sich binnen weniger Monate dramatisch verschlechtert. „Seit dem Sommer haben fast alle Solarhersteller und auch wir mit einer neuen globalen Preiserosion zu kämpfen“, schreibt Asbeck im jüngsten Quartalsbericht an seine Aktionäre. Die Ursache: Überkapazitäten chinesischer Produzenten, die jetzt den Weltmarkt mit Billigmodulen fluten. Die Folge: Solarworld verbrennt Geld im Rekordtempo.

Seit Jahresbeginn sind die flüssigen Mittel des Unternehmens um mehr als 100 Millionen Euro geschrumpft – auf nur noch 84 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote von Solarworld ist auf 18,4 Prozent abgesackt. Die Nettoverschuldung schoss parallel um ein Drittel in die Höhe – auf beinahe 315 Millionen Euro. Dadurch hat sich die Risikolage von Solarworld „verschärft“, schreibt der Konzern. Die wirtschaftliche Situation der Firma bewertet der Vorstand nun als „sehr schwierig“. Zuvor hat das Management die Lage stets mit „schwierig“ beschrieben.

Weil Solarworld zum 30. September bestimmte Unternehmenskennzahlen nicht eingehalten hat, musste der Konzern Finanzverbindlichkeiten aus dem langfristigen in den kurzfristigen Bereich in der Bilanz verschieben – mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen. Denn theoretisch könnten die Darlehensgläubiger von Solarworld nun Schulden in Höhe von mehr als 180 Millionen Euro fällig stellen. Kommt es dazu, benötigt die Firma wohl eine Kapitalspritze, um zu überleben. Schließlich würden die Forderungen der Darlehensgläubiger die liquiden Mittel von Solarworld um derzeit fast 100 Millionen Euro übersteigen.

„Die Finanzierungssituation von Solarworld hat sich im dritten Quartal erkennbar verschärft“, sagte Arash Roshan Zamir dem Handelsblatt. Dass Solarworld bis 2019 keine Anschlussfinanzierung benötigt, so wie das der Konzern etwa im Konzernbericht 2015 dargestellt hat, ist für Roshan Zamir „so nicht mehr haltbar“.

Solarworld-Sprecher Milan Nitzschke erklärte dem Handelsblatt hingegen: „Die Verfehlung von Covenants-Zahlen führt aufgrund bestehender Vereinbarungen nicht zu einer Veränderung der Kreditlaufzeit.“ Weitere Angaben, warum gerissene Kreditvereinbarungen dahingehend keine Konsequenzen haben sollen, machte Nitzschke nicht.  


„Wir haben bewiesen, dass wir erfolgreich kämpfen können“

Im aktuellen Quartalsbericht weist Solarworld darauf hin, beispielsweise Maßnahmen zur Kostensenkung eingeleitet zu haben, um die Liquidität im vierten Quartal „deutlich zu verbessern“. Obwohl die Gesamtrisikolage des Konzerns „sehr hoch“ sei, gehe der Vorstand aus heutiger Sicht „vom Fortbestand der Gesellschaft und des Konzerns aus“.

Klar ist aber: Solarworld wird 2016 aller Voraussicht nach das sechste Jahr in Folge Verluste schreiben. Nach neun Geschäftsmonaten steht unter dem Strich bereits ein Minus von fast 62 Millionen Euro. Im Tagesgeschäft gab der Konzern um gut 40 Millionen Euro mehr aus, als er einnahm. Die angepeilte Umsatzmilliarde zum Ende des Jahres ist wohl in unerreichbare Ferne gerückt.

Solarworld-Chef Frank Asbeck machte den Aktionären und seinen mehr als 3.000 Mitarbeitern trotz der schwierigen Lage Mut. „Mehr als einmal haben wir bewiesen, dass wir erfolgreich kämpfen können“, schreibt der Ökopionier im aktuellen Quartalsbericht. Mit großer Entschlossenheit werde sich Solarworld in den verbleibenden Wochen des Jahres und darüber hinaus „unseren Aufgaben stellen“, betont Asbeck. Qualitätsprodukte von Solarworld würden sich auch in Zukunft auf dem internationalen Solarmarkt behaupten können.

Aber selbst wenn sich die Lage operativ wieder bessern sollte, hat Solarworld noch ein weiteres Problem. Im Juli verdonnerte ein US-Gericht das Unternehmen in einem erstinstanzlichen Urteil dazu, umgerechnet 720 Millionen Euro Schadensersatz an den Siliziumhersteller Hemlock Semiconductor wegen nicht eingehaltener Lieferverträge zu zahlen.

Wird der Richterspruch in zweiter Instanz bestätigt, drohen Solarworld negative Auswirkungen „bis hin zur Bestandsgefährdung“, wie es im Geschäftsbericht des Konzerns heißt. Solarworld geht allerdings davon aus, den Rechtsstreit zu gewinnen, da die Verträge mit Hemlock etwa gegen EU-Kartellrecht verstoßen würden und damit nichtig seien.

Solarworld galt einst als deutsches Vorzeigeunternehmen. Zur Hochphase des Photovoltaikbooms war die Firma rund 4,6 Milliarden Euro an der Börse wert. Heute beträgt die Marktkapitalisierung von Solarworld nur mehr gut 50 Millionen Euro.

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