Solarworld Sonnenkönig im Feuer

Verluste, hohe Schulden, miserabler Börsenwert: Solarworld-Boss Frank Asbeck wird auf der Hauptversammlung scharf kritisiert. Die Aktionäre des Solarkonzerns wollen wissen: Droht wegen einer Megaklage gar die Pleite?

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Dem Solarworld-Chef droht ein Rechtsstreit.

Bonn Die Sonne. Die Energiewende. Und Chinesen, die alles nur kopieren. Frank Asbeck sprach im Bonner Kameha Grand Hotel, worüber er am liebsten spricht. In seiner Eingangsrede auf der Hauptversammlung von Solarworld frohlockte der Gründer und Chef von Deutschlands größtem Solarmodulhersteller über die „Demokratisierung der Energiewende“, die nicht aufzuhalten sei; ätzte gegen die Konkurrenz aus Fernost und kritisierte die Bundesregierung für den mangelnden Ehrgeiz beim Ausbau erneuerbarer Energien. Doch über ein Thema verlor Asbeck zunächst kein einziges Wort: Über einen Rechtsstreit, der sein Lebenswerk existenziell bedroht.

So einfach umschiffen ließ sich das Thema aber nicht. Denn die Aktionäre wollten von Asbeck wissen, was ihnen womöglich in gut zwei Wochen blüht. Am 23. Juni dürfte ein US-Gericht in Michigan darüber befinden, ob der Siliziumhersteller Hemlock Semiconductor zu Recht rund 770 Millionen Dollar Schadensersatz fordert.

Im Kern geht es in dem Rechtsstreit um angeblich nicht eingehalte Lieferverträge für Silizium. Der Rohstoff ist die Basis für die Herstellung von Photovoltaikzellen. Eine Verurteilung hätte für Solarworld fatale Folgen. Negative Auswirkungen „bis hin zur Bestandsgefährdung“ seien möglich, heißt es dazu etwa im Geschäftsbericht des Bonner Konzerns.

„Die Klage macht uns Sorge“, sagte Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Was passiert denn da in den USA“, fragte er Asbeck und forderte mehr Informationen ein. Ralf-Jochen Ehresmann vom Dachverband Kritischer Aktionäre wollte wissen, woher der „Hoffnungsmut“ von Asbeck rühre, den Rechtsstreit „so fröhlich gewinnen zu können“. Auf Ehresmann würden die bislang von Solarworld vorgetragenen Argumente „begrenzt überzeugend“ wirken. Er befürchtet, dass die Firma bald „ratzfatz liquidiert werden muss.“

Solarworld-Boss Asbeck reagierte auf die Fragen genervt und zitierte Wilhelm Busch: „Eben geht mit einem Teller Witwe Bolte in den Keller, dass sie von dem Sauerkohle eine Portion sich hole, wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt.“ Der seit mehr als drei Jahren andauernde Rechtsstreit wäre durch „vermeintliche Experten“ und „alarmistische“ Presseberichte aufgebauscht worden, so Asbeck. Er wolle hingegen bei den „Tatsachen“ bleiben. Die Verträge mit Hemlock seien nichtig, da sie unter anderem gegen europäisches Kartellrecht verstoßen würden und illegales Dumping von chinesischen Solarmodulherstellern den Markt verzerrt habe.

Asbeck stellt sich auf ein langes Rechtsverfahren ein. Er geht davon aus, dass das Gericht am 23. Juni noch keine erstinstanzliche Entscheidung fällt, sondern erst zwei bis drei Monate später. Solarworld bemühe sich weiterhin „einen außergerichtlichen Vergleich zu erzielen", sagte der Firmengründer. Bereits mehrfach wäre es fast gelungen, den Streit beizulegen. „Wir haben immer das erfüllt, was Hemlock wollte“, erklärte Asbeck. Man stehe in permanentem Kontakt. Den Aktionären rief Asbeck zu: „Es kütt wie et kütt und ist noch immer jot jejange.“

Christian Strenger ist da gänzlich anderer Auffassung. „Sie suggerieren mit unzutreffenden Argumenten, dass das existenzgefährdende Risiko nicht von erheblichem Belange sei“, hielt der Corporate-Governance-Experte und Solarworld-Aktionär Firmengründer Asbeck vor. „Wir werden wahrscheinlich noch in diesem Monat sehen, wie dramatisch die Lage ist“, prophezeite Strenger. Er appellierte an Asbeck: „Kommen Sie in der Realität an.“

Was Strenger so erbost, ist die Tatsache, dass Solarworld bis heute keinerlei Rückstellungen für eine Prozessniederlage gebildet at. Dabei reicht es laut dem Bilanzexperten Edgar Löw von der Frankfurt School of Finance mitunter bereits aus, „dass ein Unternehmen einer realistischen Gefahr ausgesetzt ist, einen Prozess zu verlieren, um in die Rückstellungspflicht zu geraten“. Solarworld-Boss Asbeck hält dagegen: „Ich werde nicht dem Rat Einiger folgen, durch eine nicht berechtigte Rückstellung in irrsinniger Größenordnung, die Gesellschaft in die Insolvenz zu treiben.“


Verstoßen Verträge gegen europäisches Kartellrecht?

Asbeck sieht selbst im Falle einer Niederlage vor Gericht keine erhöhte Risikolage. Denn Hemlock werde „weder kurz noch langfristig einen Vollstreckungstitel in Deutschland erwirken“, da die Verträge gegen europäisches Kartellrecht verstoßen würden. Und in den USA könne Hemlock nichts pfänden, da die Tochtergesellschaft von Solarworld – gegen die sich die Klage formal richtet – „keine Assets in den USA führt“.

Aber verstoßen die Verträge wirklich gegen europäisches Kartellrecht? „Das kann ich mit den aktuell vorliegenden Informationen nicht erkennen“, sagte Tristan Wegner dem Handelsblatt. Der Anwalt ist auf internationales Handelsrecht spezialisiert. Seiner Auffassung nach kam es „weder zu einem marktbeherrschenden Zusammenschluss noch dürfte Hemlock eine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt haben“.

Auch Peter Krebs, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Siegen, hält die Verteidigung von Solarworld auf Basis des Kartellrechts für „nicht so stark“. Die Chancen für Solarworld den Prozess insgesamt zu gewinnen, stehen laut Krebs „sehr schlecht“.

Aktionärsschützer Roland Klose hofft deshalb auf eine Einigung in letzter Minute. „Herr Asbeck, Sie sind ja ein Weltmeister in schwierigen Verhandlungen, ein Himmelhund“, rief er dem Ökostromvorreiter zu. Nun müsse Asbeck nochmal sein ganzes „Verhandlungsgeschick“ unter Beweis stellen. Denn gelitten haben die Solarworld-Aktionäre in den vergangen Jahren wahrlich genug.

Den Konzern drücken noch immer Nettoschulden in der Höhe von 217 Millionen Euro. Das einstige Milliardenunternehmen Solarworld wird heute mit nicht einmal mehr mit 112 Millionen Euro an der Börse bewertet. Obwohl die Firma den Umsatz im ersten Quartal 2016 um mehr als 40 Prozent steigern konnte, verdoppelten sich zeitglich die Verluste auf mehr als 20 Millionen Euro.

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