Spezialchemiebranche Clariant-Huntsman-Fusion steht auf der Kippe

Die geplante Fusion von Clariant-Huntsman könnte doch noch scheitern. Beide Seiten trommeln für den Deal, ein Aktivist könnte den Zusammenschluss aber noch vereiteln. Dies führt zur Nervosität in der Clariant-Chefetage.

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Der im Mai angekündigte Zusammenschluss mit der texanischen Huntsman würde Clariant zur Nummer Zwei der Spezialchemiebranche mit einem Umsatz von 13,2 Milliarden Dollar machen. Quelle: Reuters

Zürich/Frankfurt Wenn Hariolf Kottmann am Fenster des Sitzungszimmers steht, sieht der Clariant-Lenker 40 Meter unter sich leicht bekleidete Menschen. Im Wellness-Tempel „Aquabasilea“ genießen die Gäste Whirlpools, sieben Rutschen und den gemäß Eigenwerbung größten Hamam der Schweiz. Hoch oben im Büroturm ist die Stimmung weniger entspannt.

Denn der Fusion mit dem US-Konzern Huntsman, die eigentlich Kottmanns lange Karriere in der Chemieindustrie krönen sollte, droht Schiffbruch. Der aggressive Großanleger White Tale hat dem 20-Milliarden-Dollar-Unterfangen den Kampf angesagt. „Ich glaube nicht, dass der Deal zu den gegenwärtigen Bedingungen zustande kommt“, sagt Fondsmanager Martin Lehmann von 3V Invest.

Der im Mai angekündigte Zusammenschluss mit der texanischen Huntsman würde Clariant zur Nummer Zwei der Spezialchemiebranche mit einem Umsatz von 13,2 Milliarden Dollar machen. Wäre da nur nicht White Tale. Aus Sicht des US-Investors rechnet sich der Deal für die Clariant-Eigner nicht. Und mit jeder Aktie, die die Amerikaner dazukaufen, wird es für Kottmann ein wenig ungemütlicher.

Das Kräftemessen ist nicht spurlos an den Protagonisten vorbeigegangen. Clariant-Finanzchef Patrick Jany sei jüngst bei einer Konferenz in London „etwas aufgeregter rübergekommen als normal“, notierte Bernstein-Analyst Jeremy Redenius. Es herrsche Nervosität in der Chefetage, sagen mehrere Personen übereinstimmend. Kein Wunder, es steht viel auf dem Spiel für den Hersteller von Flugzeug-Enteisungsmitteln oder Pigmenten.

Kottmann ist zum Schluss gekommen, dass die Basler Firma zu klein ist, um längerfristig mit den Konkurrenten mithalten zu können. Für Baader Helvea-Analyst Markus Mayer geht es bei der Firmenhochzeit denn auch in erster Linie darum, eine mögliche feindliche Übernahme zu vereiteln. Im Umkehrschluss heißt dies: Platzt der Deal, könnte Clariant – laut Mayer „das Übernahmeziel Nummer eins in der Branche“ – zur Gejagten werden.

Begeisterungsstürme hat die Fusion bisher bei den Aktionären nicht ausgelöst. Kottmann und auch sein Gegenüber Peter Huntsman werden zwar nicht müde zu betonen, dass die großen Aktionäre „fast ausnahmslos“ Zustimmung signalisierten. Öffentliche Unterstützungsbekunden sind aber rar. Eine Ausnahme war der Finanzinvestor Atlantic Investment Management.


Aktivisten versuchen den Deal zu blockieren

Doch inzwischen hat der US-Fonds kalte Füße bekommen. „Wir haben einen Teil unserer Aktien verkauft“, erklärt Anlagechef Alex Roepers, nachdem White Tale die Beteiligung auf 15 Prozent aufgestockt hatte. Die Aktivisten versuchten den Deal zu blockieren, ohne eine überzeugende Alternative zu präsentieren, begründete er seinen Rückzieher. Derweil gibt sich ein Clariant-Sprecher unbeirrt: „Wir sehen keine Erosion der Unterstützung.“

Nur wenn zwei Drittel der Clariant-Aktionäre der Fusion ihren Segen geben, wird der Bund auch geschlossen. Das Datum der entscheidenden Generalversammlung steht noch nicht fest, sie soll aber bis spätestens Januar über die Bühne gehen. Beobachter gehen davon aus, dass Clariant die Einladungen nur verschickt, wenn das Unternehmen siegessicher ist.

Bei der letzten Generalversammlung waren lediglich rund 54 Prozent des Kapitals vertreten. Bei einer solchen Teilnahmequote käme White Tale auf fast 30 Prozent der Stimmen, nur knapp unter der Sperrminorität von einem Drittel. Wegen des kontroversen Themas könnten Analysten zufolge das nächste Mal aber durchaus 75 Prozent teilnehmen.

Doch auch dann haben die Amerikaner noch Chancen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass White Tale die notwendigen Stimmen zusammenbringt, ist sehr groß“, erklärt ein Investmentbanker. Käufe von weiteren Titeln wären eine Option. Zudem dürften sich andere Anleger auf deren Seite schlagen. Fondsmanager Lehmann von 3V Invest will sich zwar nicht in die Karten blicken lassen, hält aber schon mal fest: „Ich bin kein Freund der Huntsman-Transaktion in der aktuellen Form.“

Allerdings muss auch White Tale noch Überzeugungsarbeit leisten. Im Verlauf der Woche treffen ihre Vertreter in ganz Europa Investoren, heißt es in Finanzkreisen. Auch die Gegenseite bleibt nicht untätig. Zusätzlich zu den Gesprächen mit Anlegern plant Clariant einem Insider zufolge im Vorfeld der Generalversammlung eine breitangelegte Inserat-Kampagne, um die Kleinanleger ins Boot zu holen.

Will Kottmann die Chancen des Deals erhöhen, könnte eine Verschiebung des auf 52 zu 48 Prozent lautenden Aktien-Austauschverhältnisses zu Gunsten der Clariant-Eigner ein Ausweg sein, wie das die Zementkonzerne Lafarge und Holcim vorgemacht haben.

Scheitert die Fusion, spricht die ökonomische Logik für eine Zerschlagung: „Ich könnte in vier Sekunden vier Gesellschaften nennen, die der bessere Eigner für die vier Divisionen sind“, sagt ein Banker. Branchenkreisen zufolge könnte sich etwa der weltgrößte Spezialchemiekonzern Evonik für Teile von Clariant interessieren.

Ein solches Szenario dürfte auch die Karriereplanung Kottmanns über den Haufen werfen. Zu sehr hat er der Transaktion seinen Stempel aufgedrückt, als dass er bei einer Niederlage einfach zur Tagesordnung übergehen könnte. Kein gutes Omen ist jedenfalls die Geschichte des Clariant-Hauptsitzes. Was einst als Tauchturm und Wahrzeichen der Bäderlandschaft geplant war, wurde schließlich als schnödes Bürohochhaus gebaut. Der Grund: Rentabilitätsüberlegungen.

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