Stahlbranche "Kein Anlass zur Entwarnung"

Seite 2/2

"Für unsere Branche ist der Klimaschutzplan nicht realistisch"

Umweltschützer sagen, dass der Emissionshandel für Stahlunternehmen mehr Goldesel als Belastung sei. Der BUND wirft Ihnen etwa vor, durch den Zertifikatshandel zusätzliche Profite in Milliardenhöhe zu erwirtschaften.
Die Aussage, dass die Stahlindustrie vom Zertifikatshandel profitiert, ist grundlegend falsch. In der Analyse sind die Zertifikate, die über die Verstromung der Prozessgase an die Energieerzeuger weitergegeben werden, der Stahlindustrie zugeordnet worden. Das führt zu einer Fehleinschätzung der verfügbaren Zertifikate. Fakt ist, dass trotz der krisenbedingten Produktionskürzungen von zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent und einer dadurch bedingten zwischenzeitlichen Überallokation, die Gesamtbilanz der Zertifikatszuteilung in der laufenden Handelsperiode negativ ist. Die Stahlerzeuger müssen heute nicht nur die zur Überbrückung der Krise zwischenzeitlich verkauften Zertifikate zurückkaufen, sondern zusätzlich in großem Umfang bis zum Ende der Handelsperiode Zertifikate kaufen. Es entstehen enorme Zusatzkosten bereits in dieser Handelsperiode, die zu Wettbewerbsnachteilen führen. Die Stahlindustrie steht im internationalen Wettbewerb und kann die Zusatzkosten nicht an die Kunden weitergeben.

Ist denn das von der EU-Kommission ausgegebene Ziel, bis 2030 40 Prozent der CO2-Emissionen senken zu können, realistisch?

Das ist absolut unrealistisch. Wir haben bereits 20 Prozent an Einsparungen realisiert. Aber für die Stahlbranche ist CO2 ein Prozessgas. Und die CO2-Emissionen können mit den derzeit vorhandenen Technologien nicht vermieden werden. Sie können nur optimiert werden. Wir nähern uns jetzt immer mehr dem technisch machbaren Optimum. Man kann nur noch wenige Prozente einsparen. Aber die Frage bleibt: gibt es Alternativen? Daran arbeiten wir.

Durch Gas und Wasserstoff kann man die CO2-Emissionen allerdings schon vermeiden.
Wasserstoff wäre ein Ansatz, die Stahlherstellung damit theoretisch auch technisch machbar. Aber von der Energiebilanz her gesehen ist Wasserstoff eine Katastrophe. Denn Sie müssen auch beachten, mit welch hohem CO2- und  Energieaufwand Wasserstoff hergestellt wird. Wir versuchen, Möglichkeiten im Innovationsverbund zu finden, um CO2 einzusparen. Wir forschen, ob es wirtschaftlich machbare Lösungen in diesem Bereich gibt. Als eine andere
Alternativ arbeiten wir weiter an einer Technologie, um Bioethanol aus Restgasen herzustellen. Ein Pilotprojekt dazu läuft derzeit in unserem Werk in Gent in Belgien. Trotz aller Bemühungen gibt es bisher keine Technologien, die wirtschaftlich und technisch einen Lösungsansatz bieten würden, um signifikant CO2-Emissionen bis 2030 einzusparen.

Stahl in der Krise: Kommt die große Fusion?

Ist die Reduzierung der Erderwärmung auf 2 Grad zu schaffen?
Ich bin kein Spezialist für die Erreichbarkeit der globalen Klimaziele. Ich kann nur für unsere Branche sprechen und für unser Unternehmen. Für unsere Branche ist eine Zielerreichung wie sie jetzt im Klimaschutzplan steht, bis 2030 nicht realistisch.

Wie viel CO2-Einsparung bis 2030 ist denn realistisch?
10 bis 15 Prozent an Einsparungen sind bis 2040 mit den derzeit verfügbaren Technologien erreichbar. Das haben verschiedene Forschungsinstitute für die Wirtschaftsvereinigung Stahl ermittelt. Das aktuelle, unfaire Emissionshandelssystem entzieht uns leider die Mittel für Forschung, die für weitere Verbesserungen notwendig sind.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%