Die Erwartungen waren hoch gesteckt, schließlich sind die Ziele ambitioniert: Thyssen-Krupp will seine Stahlsparte so umbauen, dass sie deutlich günstiger produziert und ihre Effektivität kräftig steigert. Nur so, glaubt Konzernchef Heinrich Hiesinger, könne sich die Stahltochter, die immer noch gut ein Drittel zum Umsatz des Stahl- und Technologiekonzerns aus dem Ruhrgebiet beisteuert, langfristig im internationalen Wettbewerb behaupten.
Demgegenüber fielen die Maßnahmen, die das Management um Spartenchef Andreas Goss am Freitagnachmittag den Betriebsräten im Wirtschaftsausschuss vorstellte, moderat aus. Neben Investitionen in zukunftsfähige Geschäfte und Anwendungen sei geplant, die Kosten von Steel Europe in den nächsten drei Jahren um rund 500 Millionen Euro dauerhaft zu senken, teilte der Konzern im Anschluss an die Sitzung mit. In diesem Tempo hatte Goss allerdings die Kosten auch schon in der jüngeren Vergangenheit gedrückt.
Die Einsparungen sollen quer durch alle Bereiche wie Personal, Instandhaltung, Reparatur, Logistik oder Vertrieb erzielt werden. Tiefere Einschnitte will Thyssen-Krupp lediglich in der defizitären Geschäftssparte Grobblech vornehmen. So plant der Ruhrkonzern die Schließung von Teilanlagen. „Wie viele Arbeitsplätze davon betroffen sein werden, ist derzeit noch offen“, teilte der Konzern mit. Dass die Grobblechsparte von den Sparmaßnahmen betroffen sein würde, war abzusehen – auch die Konkurrenz wie Salzgitter oder Dillinger Hütte haben mit dem Stahl für den Schiff- oder Pipelinebau zuletzt keine Gewinne gemacht.
Alte Sünden, neue Probleme bei Thyssenkrupp
In den vergangenen Jahren war der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp in eine Vielzahl von Bestechungs- und Kartellfällen verwickelt.
Etliche Offsore-Gesellschaften nutzte die Thyssenkrupp-Tochter Marine Force International (MFI), um Gelder zu dubiosen Beratern zu lotsen, die wiederum Aufträge mit U-Booten in Ländern wie der Türke, Griechenland und Indonesien sicherten.
Über Jahre hatten sich Mitarbeiter des Thyssenkrupp-Konzerns mit anderen Unternehmen bei Preisen und Mengen abgesprochen. Der Essener Konzern musste ein Bußgeld in Höhe von 200 Millionen Euro zahlen.
Bei einem Waffengeschäft in der Türkei sollen Manager des Bremer Rüstungsunternehmens Atlas Elektronik, ein Gemeinschaftsunternehmen von Thyssenkrupp und Airbus, türkische Amtsträger bestochen haben. Vor diesem Hintergrund fand sogar eine Razzia in der Essener Zentrale von Thyssenkrupp im Sommer diesen Jahres statt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Manager von Thyssenkrupp und Airbus, weil sie die Zahlung von Bestechungsgeldern nicht verhindert haben sollen.
Rund fünf Stunden dauerte die Sitzung, die am frühen Nachmittag begonnen hatte – deutlich länger als ursprünglich geplant. Dennoch fiel auch die Tonlage moderat. So betonte der Konzern, dass alle Restrukturierungsschritte „mit Augenmaß und Sorgfalt und in enger Abstimmung mit der Mitbestimmung“ diskutiert werden. Und er lockte die Belegschaft mit der Botschaft, in den kommenden fünf Jahren über acht Milliarden Euro in den Stahlbereich zu investieren.
Denn die Arbeitnehmervertreter um Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath hatten noch am vergangenen Mittwoch kräftig Stimmung gegen die Restrukturierungspläne von Goss gemacht. Ihnen gehen die permanenten Sanierungsrunden der jüngeren Vergangenheit gewaltig gegen den Strich. Vor allem wenden sie sich gegen die von Konzernchef Heinrich Hiesinger vorangetriebene Fusion mit dem Konkurrenten Tata Steel Europe. „Da wollen wir erst Klarheit haben. Vorher gibt es keine Restrukturierung“, hatte Segerath, angekündigt. In Deutschland beschäftigt Thyssen-Krupp in seinem europäischen Stahlgeschäft rund 25.000 Mitarbeiter, davon rund 22.000 in Nordrhein-Westfalen.