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Kathrein, Rosenheim: Frühstarter

Die vier internationalen Organisationen haben vier Dinge gemeinsam. Ihre Abkürzungen – AISG, NGMM, 3GGP und ETSI – sind für nicht Eingeweihte die schieren Abtörner. Worüber ihre Mitglieder beratschlagen, grenzt an Labsal für Nerds. Gleichwohl arbeiten die Gremien an einem Projekt, das den Alltag von Milliarden Menschen ein weiteres Mal radikal verändern wird. Und schließlich gibt es nur ein einziges deutsches Unternehmen, das offiziell oder inoffiziell bei allen vieren mitmischt: die Firma Kathrein aus dem oberbayrischen Rosenheim.

„Wir sind immer am Ball, wir versuchen, die Entwicklung mit zu beeinflussen, und natürlich arbeiten wir schon in die absehbare Richtung“, sagt Maximilian Göttl, Chef der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Kathrein-Mobilfunksparte. „Auf diese Weise sichern und schaffen wir High-Tech-Arbeitsplätze in Bayern.“

Maximilian Göttl, Kathrein Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche

Dem Familienunternehmen rund 45 S-Bahn-Minuten östlich von München, führenden globalen Player bei Rundfunk-, Fernsehen- und Mobilfunkantennen, ist es gelungen, sich mit an die Spitze derer zu setzen, die den künftigen Mobilfunkstandard 5G (für fünfte Generation) entwickeln. „Von uns sind in den Gremien bis zu zehn Ingenieure involviert“, sagt Kathrein-Manager Göttl, der in Rosenheim über 150 Entwickler gebietet, die nichts anderes tun, als an besseren und effizienteren Mobilfunkantennen zu tüfteln.

Zu den Communitys, in denen Göttls Ingenieure früh von den künftigen Trends im Mobilfunk erfahren, gehört die Creme der Ausrüster, Telefongesellschaften und Experten. In der AISG (Antenna Interface Standard Group) etwa beratschlagen Kathrein-Leute mit Vertretern von Netzwerkausrüstungsgiganten wie Huawei (China), Ericsson (Schweden) und Nokia (Finnland) über das künftige Zusammenspiel von Komponenten in Mobilfunknetzen. Im European Telecommunication Standards Institute (ETSI) mit 750 Mitgliedern aus 63 Ländern wiederum erfahren sie rechtzeitig, welche gesetzlichen Regeln und Sicherheitsstandards für die Technik der kommenden Generation gelten könnten.

Was der Mobilfunkverkehr in fünf bis zehn Jahren leisten soll, ist noch völlig offen. Für Kathrein-Manager Göttl stehen allerdings zwei Punkte fest: Erstens dürfte der explodierende Videokonsum einen gigantischen Leistungssprung in den Mobilfunknetzen erfordern. So sei damit zu rechnen, dass Smartphone-Besitzer künftig statt 30 bis 40 Millisekunden nur 10 oder vielleicht sogar nur eine Millisekunde benötigen sollen, um auf Daten zuzugreifen; zudem würden künftig viel mehr Daten pro Sekunde übertragen werden als heute, möglicherweise ein oder fünf Gigabit pro Sekunde.

Zweitens erfordert ein solcher Zuwachs an Leistung riesige Investitionen in die Übertragungsnetze. Von denen will Kathrein als Weltmarktführer bei Mobilfunkantennen maximal profitieren, indem sich das Unternehmen einen Vorsprung vor der Konkurrenz verschafft. Zwar gebe es noch überhaupt keine Festlegung auf technische Anforderungen, sagt Kathrein-Manager Göttl. „Aber natürlich fangen wir schon heute mit der Grundlagenentwicklung an.“ Wer 2020 den kommerziellen Erfolg wolle, müsse schon jetzt mit der Arbeit an Antennen für Mobilfunknetze beginnen, die im Extremfall 1000-mal so schnell sind.

Zahlen und Fakten zum Mobilfunk-Markt

Die Basis für einen erfolgeichen Frühstart legen Göttls Ingenieure in den internationalen Gremien. Das Third Generation Partnership Project (3GPP) etwa, das über Standards im Mobilfunk entscheidet, konnten die Bayern von ihrem mathematischen Modell überzeugen, das die Sende- und Empfangscharakteristik von Mobilfunkantennen beschreibt. Doch darum geht es dem 52-Jährigen, der seit 29 Jahren für Kathrein arbeitet, nicht allein. Denn der gelernte Ingenieur mit Latinum und Graecum versteht sich eben nicht als Nerd, sondern als einer, der über die Hochfrequenztechnik hinaus auch an die 3000 Jobs von Kathrein in Bayern denkt.

Deshalb hofft Göttl, durch die frühe Mitarbeit seiner Leute an den Standards des Mobilfunknetzes nach 2020 den Erfolg zu wiederholen, der im Kathrein-Werk Nördlingen gelang. Dort, an der Grenze zu Baden-Württemberg, stellen rund 1000 Mitarbeiter ausschließlich Mobilfunkantennen von Kathrein her, die höchstens vor zwei Jahren zur Marktreife gelangten.

„Von 0 auf 1000“, sagt Göttl, „das ist eine schöne Story.“

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