Standort Deutschland Wer der deutschen Wirtschaft Dampf macht

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Stadt Oldenburg: Entrepreneure

Auch auf den zweiten Blick bleibt es ein Kohl, ein baumhoher Monstergrünkohl. Das Wintergemüse steht mitten auf dem Oldenburger Schlossplatz – als Mahnmal für scheinbar Neues, das nicht neu ist, und für Alternativen, die keine sind.

Die Fotomontage ist Teil der Ausstellung „Wolkenkuckucksburg“, in der Studenten der Uni Oldenburg sich die Frage stellen: Wie hätte sich die Wirtschaft der Stadt entwickelt, wenn es die Uni nicht gäbe? Außer Kohl, dem Traditionsgericht der Gegend, wäre wohl nichts herausgekommen, höchstens vielleicht Grünkohl-Shampoo oder Grünkohl-Riegel.

Jürgen Bath (links), Ulrich Focken Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Spott beiseite: Seitdem in Oldenburg in den Siebzigerjahren die Universität entstand, sieht sich die Stadt nicht mehr als Grünkohl-, sondern als „Übermorgenstadt“, so der gemeinsame Slogan von Hochschule und Stadtverwaltung. Demnach hat sich mit der Uni ein neuer Futurismus breit gemacht, der über Kultur und Kneipen hinausgeht: der Geist der Innovation.

Dieser entfaltet seine größte Wirkung im Oldenburger Technologie- und Gründerzentrum. Vor zehn Jahren geschaffen, ist die städtische Einrichtung heute die größte ihrer Art in Niedersachsen. Die 190 Gründer haben knapp 600 neue Arbeitsplätze geschaffen. Mehrmals wurde das Zentrum von der internationalen „Science Alliance“ als eines der besten Gründerzentren der Welt geehrt.

Der Erfolg strahlt auf die ganze Stadt ab. Obwohl im Schatten von Bremen und jenseits der großen Pendler- und Warenströme, wächst Oldenburg kontinuierlich. Im vergangenen Jahr hat die 160 000-Einwohner-Stadt Osnabrück als drittgrößte Stadt Niedersachsens überholt. Der Uni gebührt überregionaler Ruhm, nachdem das Bundesministerium für Bildung und Forschung sie unlängst zur „Gründerhochschule“ kürte. Einmal im Jahr verleiht die Hochschule einen eigenen Gründerpreis.

Wie wenig die Entrepreneure noch mit Kohl zu schaffen haben, zeigt Ulrich Focken. Der Informatiker wird bald aus dem Gründerzentrum der Stadt ausziehen. „Wir werden im nächsten Jahr ein eigenes Gebäude bauen“, sagt er. Der 44-Jährige hat 2004 mit einem Kommilitonen das Unternehmen energy&meteo gegründet. Mit zwei Computern und einem Server hatten die beiden begonnen, Windprognosen für einzelne Windkraftwerke zu berechnen. Inzwischen beschäftigt energy&meteo 60 Mitarbeiter und ist damit zu groß für das Start-up-Zentrum.

Warum Gründer im Nebenerwerb starten

„Früher stammten viele Gründer aus der Szene der erneuerbaren Energien“, sagt Jürgen Bath, Geschäftsführer des Technologie- und Gründerzentrums. „Momentan boomt der Bereich Informatik.“ Auch das dürfte nur ein Zwischenschritt bleiben. Denn mit ihrem neuen Schwerpunkt „Hearing4all“ ist die Uni in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Zentren der Hörforschung bundesweit geworden. 2012 startete der erste Studiengang für Medizintechnik in Deutschland.

Stadt und Uni schauen jetzt dabei zu, wie sich die ersten Medizintechnikunternehmen bei ihnen ansiedeln – wenn auch nicht nur auf Grünkohlfeldern.

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