Steinhoff-Tochter Kika/Leiner Beruhigungspillen im Möbelhaus

Die Möbelkette Kika/Leiner sieht ihre Zukunft in Österreich und Osteuropa vorerst gesichert. Doch der Tochter fehlt wichtiges Investitionskapital, seit der Mutterkonzern in finanzielle Schieflage geraten ist.

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Steinhoff-Tochter Kika/Leiner: Beruhigungspillen im Möbelhaus

Wien Mit einem strahlenden Lächeln betritt Gunnar George das Tiefgeschoss des Möbelkaufhauses im Herzen von Wien. Der Chef von Kika/Leiner ist bester Dinge, als gebe es gerade ein Rekordergebnis zu verkünden. Dabei hält sich die Tochter des in finanzieller Schieflage befindlichen Mutterkonzerns Steinhoff gerade über Wasser.

Inmitten eines Teppichlagers mit 50-prozentigem Preisabschlag verteilt der deutsche Kika-Leiner-Chef Beruhigungspillen an Kunden, Händler und Geschäftspartner. „Die Liquidität in den nächsten 12 bis 24 Monaten ist gesichert“, sagt der Manager, der leger mit offenem Hemd inmitten des größten Leiner-Ladens in Österreich auftritt.

Die Unruhe ist groß. Denn der im MDax notierte Mutterkonzern befindet sich seit dem Bekanntwerden eines Bilanzskandals Anfang Dezember in großer Bedrängnis. Zu Steinhoff gehören neben Kika/Leiner auch europäische Möbelketten wie die deutsche Poco, die französische Conforama und große Konsumketten in Südafrika (Pepco), USA (Mattress Firm) und Großbritannien (Poundland). Wirtschaftsprüfer wollten die Bilanz des unübersichtlichen, rasch gewachsenen Imperiums nicht mehr attestieren. Anleger verloren die Nerven. Innerhalb von drei Tagen verlor die Steinhoff-Aktie rund 90 Prozent. Auf eine Erholung warten die Aktionäre bis heute. Die Aktie reagierte am Montag positiv: Der Kurs legte am Nachmittag um 2,4 Prozent auf 51 Cent zu.

Dabei ist die Situation bei der österreichischen Tochter, die ihr Logistikzentrum in St. Pölten bei Wien angesiedelt hat, durchaus dramatisch. Wie George offen bekennt, halten sich die Kunden von Kika/Leiner bei Großeinkäufen wie Küchen, Wohnzimmern oder Schlafzimmern zurück. Rund 7000 Mitarbeiter in der Alpenrepublik und in Osteuropa bangen um ihre Arbeitsplätze. Kika/Leiner hatte mit insgesamt 50 Filialen, darunter 29 Kika-Geschäfte, einen Umsatz von 800 Millionen Euro erzielt.

Das Unternehmen befinde sich nicht in der Verlustzone, betont George. Doch Ende Dezember hatte Kika/Leiner die Löhne nicht mehr bezahlen können. Das solle sich aber ändern. Überwiesene Gelder aus der in Südafrika ansässigen Steinhoff-Gruppe seien zugesichert. Damit könnten die Löhne Ende des Monats ausgezahlt werden.

Zum laufenden Geschäftsjahr 2016/17, das erst Ende September ablief, wollte der Kika/Leiner-Chef  keine genauen Angaben machen. Er sprach nur von einer schwarzen Null und verwies auf Investitionen von 150 Millionen Euro in Logistik, Informatik und Läden.

Kika/Leiner gilt als angestaubte Möbelmarke. Denn die Steinhoff-Tochter hat den Online-Handel bislang komplett verschlafen. Wie George auf Nachfrage einräumen musste, betrug der Umsatzanteil durch den Verkauf im Internet derzeit gerade mal 0,4 Prozent. Das soll sich schleunigst ändern. „In drei bis fünf Jahren wollen wir fünf Prozent des Konzernumsatzes im Internet machen“, kündigte der Chef der österreichischen Steinhoff-Tochter an.


Am seidenen Faden

Die Zukunft von Kika/Leiner hängt am seidenen Faden. Denn die Ladenkette ist eine hundertprozentige Tochter von Steinhoff. „Wenn der Mutterkonzern pleitegeht, geht auch die hundertprozentige Tochter pleite“, sagte George. Bei Steinhoff bleibt unterdessen kein Stein auf dem anderen. Der langjährige Firmenchef Markus Jooste musste gehen. Er hatte den Konzern in atemberaubendem Tempo zu einem internationalen Imperium mit einem für das Jahr 2016/2017 erwarteten Umsatz von 20 Milliarden Euro gemacht.

Inzwischen gab der Konzern bekannt, dass die Bilanzen für mehrere Jahre zurück neu aufgestellt werden müssen. Dazu passt, dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg bereits seit Ende 2015 wegen möglicher Bilanzfälschung gegen den Konzern ermittelt und kurz vor dem Börsengang im Dezember 2015 eine Razzia in den Büroräumen im niedersächsischen Westerstede veranlasste. Als es vor rund sieben Wochen zum großen Kurseinbruch kam, kündigten Banken die Kreditlinien. Seither verhandeln die Geldgeber in London.

Steinhoff macht derzeit alles zu Geld, was geht. Zu den Notverkäufen gehört auch der Flagship-Store am Wiener Einkaufsboulevard Mariahilfer Straße. Käufer ist der österreichische Immobilienkonzern Signa von René Benko. Der gebürtige Tiroler ist als Eigentümer der Warenhauskette Karstadt in Deutschland bekannt. Benko, den angesichts des Immobilienbooms keine Liquiditätssorgen plagen, zahlt Steinhoff 70 Millionen Euro für das Gebäude, in dem Kika/Leiner derzeit 60.000 Quadratmeter nutzt, davon 35.000 Quadratmeter als Verkaufsfläche. Der Mietvertrag läuft bis zum Jahr 2030. Benko hat laut Kika/Leiner die Mietkonditionen nicht verändert.

George betonte, dass er bereits in sechs bis acht Wochen die Restrukturierung von Kika/Leiner in Angriff nehmen wolle. Vor allem die Läden abseits der Großstädte stehen nach Unternehmensangaben unter besonderer Beobachtung. „Ziel ist es, unser Unternehmen nachhaltig effizient zu gestalten und Rentabilität sicherzustellen“, sagte George.

Die Investitionskosten, die nun nötig seien, um die Möbelkette wettbewerbs- und überlebensfähig zu machen, werden von Experten auf 50 bis 60 Millionen jährlich taxiert. Die Personalkosten von Kika/Leiner betragen 200 Millionen im Jahr. Der Steinhoff-Konzern hat einen gewaltigen Schuldenberg aufgetürmt. Insgesamt plagen den Konzern aus dem südafrikanischen Weinstädtchen Stellenbosch 10,7 Milliarden Euro Schulden. Darunter befinden sich mehrere Anleihen von Investoren und fast vier Milliarden Euro Bankschulden. Unter den Gläubigern soll die Bank of America, aber auch Unicredit sein.

Die Situation in der österreichischen Möbelbranche ist nicht einfach. Auch die Ladenkette Interio der Unternehmerin Janet Kath befindet sich nach österreichischen Medienberichten in der Verlustzone. Ähnlich wie Kika/Leiner setzt Interio auf ein stärkeres Onlinegeschäft. Insgesamt setzt der Möbeleinzelhandel in der Alpenrepublik mehr als vier Milliarden Euro um.

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