Streit um EnBW-Kaufpreis Baden-Württemberg scheitert mit Millionenklage

Mehr als vier Jahre lange stritten sich das Land und der französische Energiekonzern EDF um den Kaufpreis für die EnBW. Baden-Württemberg forderte 830 Millionen Euro zurück. Jetzt entschied ein Schiedsgericht in Paris.

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Wirtschaftlich wurde der Einstieg des Landes Baden-Württemberg bei der EnBW zum Fiasko. Quelle: dpa

Als der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU), am Nikolaustag 2010 vor die Presse trat, glaubte er, einen wahren Coup gelandet zu haben: „Das ist ein Stück moderne Industriepolitik“, verkündete er stolz. Heimlich hatte Mappus die Verstaatlichung des drittgrößten deutschen Energiekonzerns, der Energie Baden-Württemberg (EnBW), eingefädelt. Das Land kaufte der Electricité de France (EDF) deren Aktienpaket von 45 Prozent ab - und bezahlte dafür knapp 4,7 Milliarden Euro.

Wenig später verlor Mappus die Wahl – und die neue grün-rote Landesregierung unter Winfried Kretschmann beurteilte den Deal komplett anders. Sie bewertete den Kaufpreis als überteuert – und forderte von EDF rund 830 Millionen Euro zurück. Vier Jahre lang stritten sich die beiden Parteien. Jetzt fällte das Schiedsgericht beim Gerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) ein Urteil: Die Richter wiesen sowohl die Forderungen von EnBW als auch eine Gegenklage der EDF zurück. Dies erfuhr das Handelsblatt am Freitag aus Justizkreisen.

Wenig später bestätigte das Finanzministerium von Baden-Württemberg den Beschluss. „Die Entscheidung des Schiedsgerichts hat uns überrascht und wir bedauern das Ergebnis sehr", sagte Finanzministerin Edith Sitzmann.

Das Land stützte sich auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein, das den Kaufpreis als überhöht bewertete. Anlass gaben auch die Umstände des Vertragsabschlusses. Mappus hatte die Transaktion im Hintergrund mit seinem Freund, dem damaligen Deutschland-Chef von Morgan Stanley, Dirk Notheis, eingefädelt, das Parlament dagegen erst spät eingebunden. Das Landesverfassungsgericht in Stuttgart wertete dies als „verfassungswidrig“. Auch der Landesrechnungshof rügte den Deal.

Auch wirtschaftlich wurde der Einstieg des Landes bei der EnBW zum Fiasko. Im März 2011, nur kurz nach Abschluss des Geschäfts, kam es im japanischen Fukushima zur Reaktorkatastrophe. Die EnBW, die besonders stark in der Kernenergie engagiert war, musste unmittelbar einen Reaktor vom Netz nehmen, rutschte in die Verlustzone und kann dem Land nicht wie erhofft üppige Dividenden liefern.

„Die Landesregierung hatte stichhaltige und durch Unternehmensbewertungen untermauerte Hinweise, dass der vom Land bezahlte Kaufpreis deutlich zu hoch war“, sagte die Ministerin. Tatsächlich fiel das Urteil auch knapp aus. Von den drei bestellten Richtern gab einer der Klage statt, zwei wiesen sie ab. Den Steuerzahlern helfe es aber nicht, "dass es eine knappe Entscheidung war“, sagte Sitzmann. Das Land müsse die Details erst prüfen, ehe es über das weitere Vorgehen entscheide.

Nach Informationen des Handelsblatts aus Justizkreisen wies das Schiedsgericht die Argumentation des Landes mit EU-Recht zurück. In der Klage machte das Land einen Rückforderungs- beziehungsweise Rückabwicklungsanspruch aufgrund der Vorgaben des europäischen Beihilferechts geltend. Der Deal hätte bei der EU-Kommission gemeldet werden müssen, weil es sich es sich beim Einstieg letztlich um eine Beihilfe handle. Das Land stützte sich dabei auf ein Rechtsgutachten und eine entsprechende Stellungnahme der Europäischen Kommission. Das Schiedsgericht sah bei der Transaktion aber keine Beihilfe.

Die EDF wiederum hatte das Land auf eine Zahlung von knapp 13 Millionen Euro verklagt. Der französische Konzern warf Baden-Württemberg "Rechtsmissbrauch" vor und machte eine Schädigung der Marke und des Images geltend. Das Land bezifferte die Kosten des Verfahren auf 9,5 Millionen Euro. Vier Millionen Euro muss es der EDF überweisen.

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