Strompreis-Erhöhung „Ich finde das ein wenig link“

Wer sich die steigenden Strompreise nicht gefallen lassen will, muss den Anbieter wechseln. Die Verbraucher sollten sich aber nicht von den billigsten Angeboten blenden lassen, warnt Verbraucherschützer Udo Sieverding.

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Zum Jahreswechsel wird nicht nur der Verbrauch abgelesen, viele Versorger erhöhen auch die Preise. Quelle: dpa

Düsseldorf Zum Jahresende ist der Ärger bei vielen Verbrauchern groß: Hunderte Stromversorger heben die Preise an - zum Teil kräftig. Udo Sieverding, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, erklärt im Interview, warum in zwei, drei Monaten schon die nächste Welle an Preiserhöhungen kommt - und was die Verbraucher unternehmen können.

Herr Sieverding, zum ersten Januar erhöhen wieder viele Stromversorger ihre Preise. Etwa ein Drittel der Grundversorger hat das angekündigt. Das sind keine guten Nachrichten für die Verbraucher, oder?
Ja, und das dürfte es noch nicht gewesen sein. Ich rechne damit, dass mit etwas Verzögerung eine zweite Welle kommt. Zum ersten Februar oder spätestens zum ersten März werden viele weitere Versorger die Strompreise erhöhen.

Sind die Preiserhöhungen denn gut begründet?
Die Versorger verweisen meist auf die EEG-Umlage, mit der die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien auf alle Verbraucher umgelegt werden. Die steigt tatsächlich. Andererseits sind die Strompreise im Großhandel gesunken, die Versorger können also ihren Strom billiger einkaufen. Die beiden Effekte dürften sich weitgehend aufheben. Einen richtigen Grund für eine Preiserhöhung sehe ich eigentlich nur in den Regionen, in denen die Netzentgelte gestiegen sind. Das ist vor allem in Ostdeutschland so.

In vielen Fällen sind die Preiserhöhungen also unbegründet?
Natürlich ist es schwer zu überprüfen, zu welchen Konditionen die Stromversorger ihren Strom einkaufen. In vielen Fällen wollen sie mit der Preiserhöhung aber einfach ihre Marge erhöhen. Ich bin deshalb gespannt, wie viele in den kommenden Monaten noch nachziehen werden.

Wieso?
Wir beobachten in den vergangenen Jahren immer das gleiche Spielchen: Viele Versorger stellen im Herbst groß heraus, dass sie die Preise zum Jahreswechsel konstant halten. Bei diesem Termin schauen eben viele genau hin. Wenig später, wenn die Aufmerksamkeit nicht mehr so hoch ist, ziehen die Unternehmen dann doch nach. Ich höre aus der Branche, dass das ganz bewusst gemacht wird. Ich finde das ein wenig link.


„Schon das Stadtwerk hat andere Tarife, die günstiger sind“

Aber man muss sich das doch nicht gefallen lassen. Gerade eine Preiserhöhung ist doch ein Anlass den Versorger zu wechseln, oder?
Ja. Wir sind der Meinung, dass jede Preiserhöhung ein Sonderkündigungsrecht begründet. Das Problem ist, dass die Preiserhöhungen manchmal verschleiert werden.

Inwiefern?
Der Versorger schickt einen Brief mit dem Hinweis „Tarifinformation“. Dann macht er ein neues Angebot, das gar nicht attraktiv ist, um dann auf Seite drei oder vier anzukündigen, dass er den Verbraucher ansonsten ab dem Tag x zu neuen Konditionen beliefert – und zwar zu schlechteren. Ich finde, hier sollte der Gesetzgeber klare Vorgaben machen.

Welche?
Es müsste verpflichtend sein, dass ein Versorger bei einer Preiserhöhung deutlich zu erkennen den alten und den neuen Preis gegenüber stellt.

Und bei einer Preiserhöhung sollten sich Kunden schleunigst nach einem anderen Versorger umschauen?
Er sollte sich zumindest die Alternativen anschauen. Beim Allgemeinen Tarif seines Stadtwerks sollte jedenfalls niemand mehr sein.

Das ist der Tarif, den er verpflichtend jedem anbieten muss, und der im Zweifel besonders teuer ist. Gibt es denn überhaupt noch Verbraucher, die in diesem Tarif sind?
Ja. Nach dem letzten Bericht der Bundesnetzagentur sind noch immer gut 30 Prozent der Haushalte in der Grundversorgung.

Und daraus sollten sie so schnell wie möglich raus?
Ja. Schon das Stadtwerk hat andere Tarife, die günstiger sind. Und dann gibt es ja inzwischen eine Vielzahl von Anbietern, aus denen man wählen kann.

Der Wechsel lohnt sich also?
Zunächst auf jeden Fall. Jeder Versorger ist darauf aus, neue Kunden mit günstigen Angeboten zu ködern, und bietet zum Beispiel hohe Boni an. Man muss nur aufpassen, dass man im nach hinein nicht drauf zahlt.

Wieso?
Die Stromanbieter versuchen natürlich die Kosten später wieder einzuspielen. Sie heben dann meist schon im zweiten Jahr die Preise kräftig an. Wer da nicht aufpasst, zahlt vielleicht mehr, als wenn er beim alten Anbieter geblieben wäre.

Also sollte man doch nicht wechseln?
Doch. Man muss seine Kosten nur langfristig im Blick haben. Man kann sich vornehmen jedes Jahr zu wechseln. Das nimmt ja nicht mehr als eine Stunde in Anspruch. Oder man nimmt gleich zu Beginn nicht das billigste Angebot, sondern einen Versorger, dem man dauerhaft Vertrauen würde.

Herr Sieverding, vielen Dank für das Interview.

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