S&K Prozess um Anlagebetrug sprengt alle Dimensionen

Der Prozess um millionenschwere Anlagebetrügereien beim Frankfurter Immobilienunternehmen S&K dauert schon ein Jahr - und bringt die Justiz an ihre Grenzen. Einer der Anwälte sagt: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Ding hier zu Ende gehen soll.“

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Ein Polizeifahrzeug steht 2013 in Frankfurt auf dem Gelände einer Villa der Firmengruppe S&K. Quelle: dpa

Als vor einem Jahr der Prozess gegen die mutmaßlichen Anlagebetrüger rund um die Immobiliengruppe S&K begann, hat niemand mit einem schnellen Ende gerechnet. „Wir gehen alle davon aus, dass das Verfahren drei Jahre dauert“, hatte der Strafverteidiger Ulrich Endres unwidersprochen gesagt und angekündigt, seinen Teil dazu mit einer konfliktreichen Verteidigungsstrategie beizutragen. Nach über 60 Verhandlungstagen im zurückliegenden Jahr liegt die Schätzung des erfahrenen Rechtsanwalts bereits am unteren Rand, denn die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt beginnt gerade erst, die Beweise zu sichten.

Angeklagt sind der Endres-Mandant Stephan S. und sein Kompagnon Jonas K., die der Immobilienfirma S&K ihre Gründer-Initialen gegeben haben. Ihnen und vier weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, mit einer Vielzahl von Grundstücksgeschäften Anleger in ein betrügerisches Schneeballsystem gelockt zu haben. Rund 11.000 Geschädigte habe es gegeben, die rund 240 Millionen Euro verloren haben, mit denen sich die S&K-Jungs ein Leben in Saus und Braus genehmigt haben sollen.

Schon die Ermittlungen nach der spektakulären Razzia im Februar 2013 dauerten zwei Jahre und sieben Monate. Unterstützt von eigens angeheuerten Wirtschaftsprüfern ackerten sich Staatsanwälte und Kripo-Beamte durch 100 Terabyte Daten aus dem Konglomerat von mehr als 150 ineinander verschachtelten Firmen. Heraus kam neben rund 1000 Ordnern Ermittlungsakten eine Anklageschrift mit 3150 Seiten, in der 884 Zeugen benannt werden.

Der Versuch, dieses Monster zu zähmen, muss wohl als gescheitert angesehen werden. Die Sitzungsvertreter der Anklagebehörde haben im Saal E I einen angeblich konzentrierten „Anklagesatz“ von mehr als 1700 Seiten verlesen und dafür mehr als drei Monate gebraucht. Die fast endlose Liste der konkreten Vorwürfe und Geschäfte diene laut Strafprozessordnung der Information der Prozessbeteiligten und der Öffentlichkeit, hatte Landgerichtssprecher Werner Gröschel erläutert. Genau das Gegenteil sei durch den Informations-Overkill der Staatsanwaltschaft erreicht worden, meinen Prozessbeteiligte.

Zumindest bot der üppige Stoff reichlich Angriffspunkte für die Verteidiger: Befangenheitsanträge, Zuständigkeitsrügen, Anträge auf Haftentlassung - für Freunde der Strafprozessordnung mag der Monsterprozess schon manchen Leckerbissen geboten haben, für die meisten Teilnehmer ist er längst zur Qual geworden. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Ding hier zu Ende gehen soll“, sagte einer der Anwälte.

Die Verschleiß-Erscheinungen sind nach dem ersten Prozessjahr unübersehbar: Die beiden Verfasser der Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft sowie eine Ergänzungsrichterin sind aus unterschiedlichen Gründen schon ausgestiegen. Sollte der zweite Ergänzungsrichter auch noch ausfallen, wird es eng für die Kammer unter Vorsitz des bedächtigen Alexander El Duwaik, diesen Prozess tatsächlich mit einem Urteil zu beenden. Er versucht, das Verfahren auf Kurs zu halten. „Um eine halbe Stunde wollen wir uns nicht streiten“, sagt er beim x-ten Antrag auf Sitzungsunterbrechung - letztlich nur ein Wimpernschlag in einer endlosen Reihe von Prozesstagen.

Mit einer Ausnahme bestreiten die Angeklagten die Vorwürfe. Jonas K. hat das ebenfalls über Monate so detailliert getan, wie es ihm die Anklageschrift vorgegeben hat. Sein Kompagnon Stephan S. schweigt. Ein Geständnis im Sinne der Anklage werde er niemals ablegen, sagt sein Anwalt Endres. Seit dreieinhalb Jahren sitzen die mutmaßlichen Anlagebetrüger bereits in Untersuchungshaft. Das mag angesichts einer drohenden Höchststrafe von 15 Jahren für schweren bandenmäßigen Betrug und Untreue noch nicht übermäßig lang erscheinen. Doch stets muss das Gericht die Verhältnismäßigkeit im Blick haben, was vielleicht schon 2017 zu ersten Haftentlassungen führen könnte.

Den schnelleren Weg aus dem Knast wählte im Mai der Angeklagte Thomas G., Ex-Geschäftsführer einer Hamburger Investmentgesellschaft, die fleißig die zweifelhaften S&K-Papiere vertrieben hat. Der Mann legte ein Geständnis ab und wurde mit dem Ende seiner Untersuchungshaft belohnt.

Die Staatsanwaltschaft schiebt unterdessen die Verantwortung für das Monsterverfahren dem Gericht zu: Die Kammer müsse nun entscheiden, welche Anklagepunkte Gegenstand der Beweisaufnahme werden sollen, teilte ein Sprecher mit. Nur zu diesen Themen müssten dann auch die Zeugen vernommen werden. Nach einem schnellen Prozessende hört sich das aber auch nicht an.

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