SunEdison-Pleite Ein Lehrbeispiel grünen Größenwahns

Fliehende Anleger, hohe Verluste und Milliardenschulden: Obwohl Sonne und Windenergie weltweit boomen wie nie zuvor schlittert die US-Ökostromfirma SunEdison in die Insolvenz. Wie konnte es so weit kommen?

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Zwölf Milliarden Schulden: Die sonnigen Zeiten sind vorbei. Quelle: Reuters

Mit sauberer Energie das Leben von Millionen Menschen zum Besseren wandeln und dabei gutes Geld verdienen – das ist die Vision von SunEdison. „Wir sind hier, um einen Unterschied  in der Welt zu bewirken“, wirbt die Firma unbekümmert auf ihrer Homepage. Doch mit dem kühnen Plan hat sich der US-Grünstrompionier schwer verhoben. Der nach eigenen Angaben weltgrößte Entwickler von Solar- und Windparkprojekten ist pleite. Am Donnerstag beantragte die Firma in den USA einen Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11. Das einstige Zugpferd der Erneuerbaren-Energien-Industrie ist damit am Ende.

Dabei passt die Pleite von SunEdison auf den ersten Blick überhaupt nicht ins Branchenumfeld. Das Geschäft mit Solar- und Windenergie ist gefragter denn je. Das Analysehaus IHS-Technology prophezeit gar einen neuen Goldrausch bei grüner Energie. Allein in den USA dürften dieses Jahr Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 15 Gigawatt neu ans Stromnetz angeschlossen werden – ein Allzeitrekord.

Rückendwind verleiht der Erneuerbaren-Energien-Industrie zudem das Klimaabkommen von Paris, laut dem 195 Staaten künftig statt Kohle, Öl und Gas zu verbrennen, verstärkt Strom mit Sonnen- und Windkraft erzeugen wollen. Wie konnte also angesichts solch rosiger Rahmenbedingungen SunEdison einen Schuldenberg von fast 12 Milliarden Dollar anhäufen?      

Die Antwort darauf findet sich im Geschäftsmodell von Sunedison. Die Firma plant, baut, betreibt und verkauft Solar- und Windparks in 17 Ländern rund um den Globus. Kernmarkt sind dabei die Vereinigten Staaten. SunEdison schließt langjährige Stromverträge mit Energieversorgern, Industrieunternehmen und Privathaushalten ab. Bevor aber auch nur ein Cent vom Kunden zu SunEdison fließt, muss die Firma in Vorleistung gehen, um die Ökostromanlagen aufzustellen.  


Größte Pleite außerhalb des Finanzsektors

Für SunEdison fallen dadurch rasch hohe Kosten an, während die zu erwartenden Erträge erst über mehrere Jahre langsam eintrudeln. Solange Investoren der Firma fortwährend Kredit gewähren und das Unternehmen zur Finanzierung weiterer Projekte selbst ab und zu fixfertige Solar- und Windparks weiterverkauft, funktioniert das System blendend. Aber sobald sich Projekte nicht ganz so profitabel entwickeln wie gedacht und Zweifel am Geschäftserfolg aufkommen, hat das Unternehmen ein zunehmendes Liquiditätsproblem.  

„SunEdison hat sich sehr viel Geld geliehen und es verloren“, erklärt Jennifer Chase, Solarexpertin von Bloomberg New Energy Finance. Viele Projekte hätten sich in der Realität als weit weniger ertragreich dargestellt als erhofft. „Das Gewinn-Verlust-Verhältnis war unzulässig“, analysiert Chase noch reichlich vornehm. Denn allein im Tagesgeschäft verbrannte SunEdison sowohl 2013 als auch 2014 mehr als 700 Millionen Dollar. Für 2015 liegen noch keine aktuellen Zahlen vor, das Unternehmen hat die Veröffentlichung des Geschäftsberichts bereits zwei Mal verschoben.

Angesichts des Niedrigzinsumfelds und des Renditehungers vieler Anleger fanden neu emittierte Aktien und Anleihen von SunEdison und deren Tochterfirmen lange reißenden Absatz. Dabei hätten spätestens die Geschäftszahlen von 2014 Investoren skeptisch stimmen müssen. Bei einem Umsatz von 2,5 Milliarden Dollar verbuchte der Konzern bereits einen Verlust von rund 1,2 Milliarden Dollar. Doch erst im Sommer vergangenen Jahres entzogen die SunEdison-Aktionäre dem Management der Firma Schritt für Schritt das Vertrauen.

Der Vorstand beharrte auf seiner aggressiveren Wachstumsstrategie und kaufte Firma um Firma zu. Es kamen Zweifel über das Geschäftsmodell auf, der Aktienkurs stürzte ab. Wurde SunEdison vor einem Jahr an der Börse noch mit mehr als zehn Milliarden Dollar bewertet – waren es zuletzt weniger als 120 Millionen Dollar. Mittlerweile ist das Wertpapier gänzlich vom Handel ausgesetzt, die US-Börsenaufsicht und das Justizministerium ermitteln. Laut der amerikanischen Wirtschaftszeitschrift „Fortune“ handelt es sich beim Absturz von SunEdison um die größte Unternehmenspleite außerhalb des Finanzsektors in den vergangenen zehn  Jahren.

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