Tennet plant Insel Neuland in der Nordsee

Gigantische Windparks auf hoher See spielen bei der Energiewende eine große Rolle. Sie stellen die Branche aber auch vor große Herausforderungen. Der niederländische Netzbetreiber Tennet hat jetzt eine kühne Idee.

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Noch eine Vision: Tennet-Chef Mel Kroon will in der Nordsee eine neue Insel bauen. Quelle: Screenshot

Düsseldorf Der Druck von Atlanten und der Betrieb von Stromnetzen sind an sich zwei grundverschiedene Geschäfte. Der Chef des Netzbetreibers Tennet, Mel Kroon, schickt sich jetzt aber an, nicht nur sein eigenes Geschäft, sondern auch das der Karten-Verlage anzukurbeln. Wird seine Vision verwirklicht, müssten in einigen Jahren die Land- und Seekarten von Nordwesteuropa neu aufgelegt werden: Kroon will mitten in der Nordsee eine neue Insel bauen.

Die Insel könnte – so die Vision des Tennet-Chefs – zu einem Knotenpunkt für die zahlreichen in der Nordsee geplanten Offshore-Windparks werden. Auf der Insel könnte der Strom von Tausenden Windrädern eingesammelt werden, um ihn dann gebündelt ans Festnetz zu transportieren – und zwar in mehrere Länder: Nach Kroons Plänen könnten Hochspannungsleitungen in die Niederlande, nach Deutschland, Belgien, Großbritannien, Dänemark oder sogar Norwegen führen.

Die Insel könnte nach seinen Worten den europäischen Energiemarkt voranbringen. Zum einen könnten die steigenden Windstrommengen effizient verteilt werden, zum anderen würde das Netz aus Hochspannungsleitungen den Stromhandel zwischen den beteiligten Ländern voran bringen. „Eine europäische Infrastruktur auf der Nordsee kann die Kosten für Windstrom deutlich senken“, sagte Tennet-Chef Mel Kroon.

Der Netzbetreiber hat seine Zentrale in den Niederlanden, einen Großteil seines Geschäfts hat er aber auch in Deutschland. Tennet ist hierzulande einer der vier großen Übertragungsnetzbetreiber und hat auch in der deutschen Nordsee schon einige Windparks angeschlossen. Insgesamt hat Tennet Leitungen von rund 22.000 Kilometern Länge und beliefert darüber Strom an 41 Millionen Kunden.

Ob tatsächlich eine Insel nötig ist, ist fraglich. Ein koordinierter Ausbau des Stromnetzes in der Nordsee wird aber auch von Politikern und Experten gefordert. Egal ob Deutschland, die Niederlande oder Großbritannien – alle Nordsee-Anrainer setzen beim Umbau ihrer Stromversorgung auf Offshore-Windparks.

Ende vergangenen Jahres waren vor den Küsten der EU bereits Windräder mit einer Kapazität von zusammen elf Gigawatt installiert. Das entspricht der Leistung von elf großen Atomkraftwerken. Allein im vergangenen Jahr kamen drei Gigawatt dazu. Die meisten davon stehen in der Nordsee. Der europäische Branchenverband EWEA hält bis 2030 einen Ausbau bis auf 66 Gigawatt für möglich. Das ist sehr optimistisch, schließlich kämpft die Offshore-Industrie noch immer mit hohen Kosten. Die technischen Schwierigkeiten sind aber inzwischen weitgehend überwunden.

Für die Netzbetreiber steigen mit dem Ausbau der Windstromproduktion aber die Herausforderungen. Einzelne Parks kommen mit mehreren hundert Windanlagen und einer Leistung von mehreren hundert Megawatt auf eine Leistung von Gas- oder Kohlekraftwerken.


Eine Koordination in der Nordsee

Die Wind-Insel ist zwar bislang eine Vision, sie könnte nach Kroons Worten zwischen den Jahren 2030 und 2050 verwirklicht werden. Der Tennet-Chef hat aber schon konkrete Vorstellungen, wie sie aussehen könnte. Sie müsste definitiv in seichtem Gewässer gebaut werden. Er hält dafür die Doggerbank für geeignet. Das ist eine Untiefe, die teilweise nur 13 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Sie ist 300 Kilometer lang, teilweise mehr als 100 Kilometer breit. Sie ist im Westen nur 100 Kilometer von England und im Osten nur 150 Kilometer von Dänemark entfernt. Die Insel könnte in der Größe variabel gebaut werden. Kroon denkt an einzelne Module von je sechs Quadratkilometern.

Schon ein Modul soll in der Lage sein, Windstrom mit einer Leistung von 30 Gigawatt Leistung zu bewältigen. Die Insel könnte auch als Basis für die Wartung der Windräder oder zum Lagern der Ersatzteile genutzt werden

„Für den Erfolg der Energiewende ist es entscheidend, dass wir in Europa koordiniert vorgehen“, mahnte Kroon. Nationale Regierungen, Regulierungsbehörden, Windstromproduzenten, Netzbetreiber und Umweltorganisationen müssten zusammenarbeiten.

In diesem Sinn versteht er auch das Insel-Projekt: Als Vorschlag wie solch eine Koordination in der Nordsee aussehen könnte.

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