Tesla-Chef Elon Musk Poker in der Produktion

Innerhalb weniger Monate will Elektropionier Tesla zum Massenhersteller aufsteigen und den Absatz verzehnfachen. Dafür geht Gründer Elon Musk ein hohes Risiko ein – auch bei der Planung seiner Produktion.

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Tesla will die Produktion seiner Modelle deutlich beschleunigen – und verkürzt darum auch die Planung seiner Produktionslinie. Quelle: Reuters

Selbst Visionäre werden manchmal in die harte Realität zurückgeholt. Vergangenen Donnerstag musste Elektroautopionier Tesla seinen Kunden eingestehen, dass rund die Hälfte seiner Produktion des vergangenen Jahres wegen eines sicherheitsrelevanten Mangels zurück in die Werkstatt gerufen werden muss. Bei Model X und Model S könne die elektrische Parkbremse defekt sein, teilte Tesla mit. Es ist nicht das erste Qualitätsproblem im neuen Jahr. Bereits im Februar hatte Tesla tausende Autos wegen Problemen mit den Airbags zurückgerufen.

Für den Elektropionier sind die jüngsten Rückrufe ungewohnt. In den vergangenen Jahren hatte Tesla meist nur wenige Autos in die Werkstatt rufen müssen. Mit zwei Modellen und wenigen zehntausend verkauften Fahrzeugen galt die Produktion als überschaubar. Doch in Zukunft kann sich Tesla Qualitätsmängel nicht mehr leisten.

In den kommenden zwölf Monaten will Unternehmensgründer Elon Musk den Absatz mehr als verzehnfachen. Mitte 2018 soll mit dem Model 3 das erste Volumenmodell des Elektropioniers ausgeliefert werden. Für das Modell liegen nach Angaben von Tesla rund 400.000 Bestellungen vor – so viele wie für keine andere Modellpremiere in der Geschichte des Automobils. Um den hohen Erwartungen gerecht zu werden, geht Musk ein hohes Risiko ein.

Denn normalerweise gehört es zum Standard der Autoindustrie, auch die Produktion neuer Modelle zunächst mit einer Art Prototyp-Produktion zu testen. Dafür werden Maschinen angeschafft, die vergleichsweise günstig, aber nur für die Herstellung weniger Fahrzeuge geeignet sind. Mit ihnen wird beispielsweise überprüft, ob sich alle Bauteile so montieren lassen wie geplant, und ob die Spaltmaße wie gewünscht ausfallen.

Was Teslas Elektro-SUV im Alltag kann
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla

Diesen Schritt will sich Tesla bei der Produktion des Model 3 sparen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Demnach überspringt Musk die Testphase und hat bereits die teuren Maschinen geordert, mit denen die Serienproduktion aufgenommen werden kann. Das soll Musk im vergangenen Monat vor Investoren angekündigt haben. Dass er Tempo macht, hat einen Grund: um den ambitionierten Zeitplan einzuhalten, soll die Produktion des Model 3 im September anlaufen.

Dieses Vorgehen halten Branchenexperten für riskant. „Das ist sicher ein Experiment“, sagt Jake Fisher von der amerikanischen Verbraucherorganisation Consumer Reports. Er leitet die Autotests und hat dafür auch schon Model S und X von Tesla unter die Lupe genommen und zuletzt kritisch bewertet. Sollten bei den teuren Maschinen für die Serienproduktion im Nachhinein Fehler festgestellt werden, seien diese nur schwierig zu korrigieren, sagt er. Und bei 500.000 verkauften Model 3 käme ein Rückruf den kalifornischen Elektropionier zusätzlich teurer zu stehen.

„Musk geht bis an die Grenzen“

Schon beim Produktanlauf des Model X, der sich wegen Problemen mit den Flügeltüren um mehrere Monate verzögert hatte, campierte Musk selber im Schlafsack neben der Produktionslinie, um die Abläufe zu optimieren. Darüber hinaus hatten die Kalifornier Expertise eingekauft, um den Einstieg in den Massenmarkt zu erleichtern. Bereits 2015 übernahm Tesla einen Maschinenbauer aus Michigan, wodurch die Kosten für die Produktionsanlagen um 30 Prozent gesunken seien, berichtet Reuters.

Die Tesla-Chronik

Um die Automatisierung der Produktion voranzutreiben, hatten die Kalifornier im vergangenen Jahr auch den deutschen Mittelständler Grohmann aus der Eifel übernommen. Die Übernahmen sind Teil einer übergeordneten Strategie, die Tesla-Gründer Musk schon des Öfteren vor Investoren präsentierte. Der Visionär träumt von einer automatischen Fabrik, in der Künstliche Intelligenz und Roboter die Autos deutlich schneller zusammenschrauben als Menschen es jemals könnten. Nicht nur seine Autos sollen die schnellsten im Wettbewerb sein, sondern auch seine Maschinen.

„Musk geht bis an die Grenzen, um herauszufinden, wie er Zeit und Kosten in der Produktion reduzieren kann“, sagt Ron Harbour, Berater bei Oliver Wyman. Durch „fortschrittliche Analysetechnologien“ wie Computersimulationen habe Musk die Prototypen-Produktion überspringen können. Nur auf Crashtests mit echten Fahrzeugen wird Tesla auch in Zukunft nicht verzichten dürfen – diese werden von den Behörden vorgeschrieben.

Die Kalifornier sind nicht der einzige Hersteller, der auch bei der Produktionsplanung an Tempo gewinnen will. Zuletzt hatte unter anderem die VW-Premiumtochter Audi angekündigt, die Produktionslinie eines neuen Werks in Mexiko mit Computersimulationen zu planen – und damit 30 Prozent schneller zu sein als bisher. Einer der verantwortlichen Planer bei Audi, Peter Hochholdlinger, ist mittlerweile stellvertretender Produktionschef bei Tesla.

Ein schneller Anlauf ist für Tesla von entscheidender Bedeutung, um die anhaltenden Verluste zu stoppen. Das Model 3 könnte – wenn alle Vorbestellungen sich in Verkäufe umwandeln lassen – bis zu 13 Milliarden US-Dollar in die Kassen spülen. Bislang finanziert Musk seine Investitionen mit dem Geld seiner Anleger. Zuletzt hatte unter anderem das chinesische Internetkonglomerat Tencent für 1,2 Milliarden Dollar fünf Prozent der Tesla-Anteile übernommen.

Bislang vertrauen die Anleger dem Elektropionier. Seit wenigen Wochen ist Tesla offiziell der wertvollste Autobauer der Vereinigten Staaten – hat große Konzerne wie General Motors und Ford beim Börsenwert hinter sich gelassen. Allein seit Jahresbeginn ist der Aktienkurs um 39 Prozent gestiegen.

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