Textilindustrie Die Modelüge - wie deutsche Firmen produzieren lassen

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Gesetzlicher Mindestlohn

TÜV-Mann Hagen Quelle: Probal Rashid für WirtschaftsWoche

Manche Fabriken haben nicht einmal ein BSCI-Audit, etwa Megastar Apparel. Die Fenster des Werks im Zentrum von Dhaka sind vergittert, die Räume dunkel, der einzige Fluchtweg ist ein enges Treppenhaus, über das die 600 Arbeiter im Brandfall niemals werden fliehen können. Das Unternehmen zahlt nur den gesetzlichen Mindestlohn von 30 Euro im Monat.

Trotzdem lässt die irische Billigkette Primark, die in Deutschland gegen den Platzhirsch H & M antritt, hier gerade Hosen nähen. Auf Anfrage wiegelt die Modekette ab, Megastars Apparel habe eine "sehr kleine nicht genehmigte Order" abgewickelt, "ohne Kenntnis und Einverständnis von Primark". Man werde die Geschäftsbeziehung mit dem Lieferanten überprüfen.

Megastar Apparel ist einer von Tausenden Subvertragsnehmern. Die teuren Werksprüfungen, Audits genannt, leistet sich meist nur die Vorzeigefabrik einer Gruppe, die der Fabrikant bereitwillig jedem Westler zeigt. Aber je nach Auslastung lagert er Arbeit an Schwesterfirmen ohne Audit aus.

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Verdreckter Eingangsbereich

Solch ein Sublieferant ist auch die Jeansfabrik Samar Fashion Tex, wo Nähmaschinen neben offenen Plumpsklos stehen. Im verdreckten Eingangsbereich hat ein französischer Handelskonzern ein Plakat mit seinen Sozialstandards aufhängen lassen. Dahinter stapeln sich in einer Kinderkrippe Kartons. "Wir können da wieder Kinder reinsetzen, aber wir sind ja sowieso nicht compliant und brauchen das nicht", sagt Verkäufer Mostafizur Rahman, der den Reporter für Kundschaft hält. Überhaupt sind die Manager erfrischend offen. Generaldirektor Sabbir Ahmed verspricht, dass die Arbeiter nur nach Mindestlohn bezahlt werden und von 8 bis 20 Uhr arbeiten – vier Stunden mehr als erlaubt. "Und wenn wir sie bitten, arbeiten die länger."

Daher kann der Fabrikant bei kleineren Volumen von 10.000 Stück einen Preis von 5,60 bis 5,70 Dollar für eine Herren-Jeans anbieten, die ein Modeladen für 30 Euro verkaufen könnte. Die Fabrik ist in baufälligem Zustand und nicht ausgelastet. An diesem Morgen nähen die Arbeiterinnen Hosen für die italienische Modemarke Gaudi, samt Aufnäher "Made in Turkey".

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