Textilindustrie Die Modelüge - wie deutsche Firmen produzieren lassen

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Klimatisierter Vorführraum und "böse Baumwolle"

Billig-Werkbank Bangladesch Quelle: Probal Rashid für WirtschaftsWoche

Der Fabrikchef leistet sich Feuerlöscher und einen klimatisierten Vorführraum. Im Lager aber stapelt sich "böse Baumwolle", wie sie in der Branche heißt. "Made in Usbekistan", steht auf den Kisten, bezogen vom Importeur Veola, der zum indischen Rohstoffriesen Indo Rama gehört. Böse ist die Baumwolle, weil die Regierung Kinderarbeit fördert: In Usbekistan bekommen die Schüler im Oktober frei, um bei der Baumwollernte mitzuhelfen. Die Ware von der Seidenstraße ist qualitativ gut. Wegen der Kinderarbeit behauptet im Westen aber jeder Hersteller, sie zu boykottieren.

Im Vorführraum des Lieferanten hängen Pullover des italienischen Labels Benetton. Bei unserem Besuch ist die Fabrik mit der Produktion von Rollis der Aldi-Hausmarke Crane Kids ausgelastet. An den Kragen klebt das Gänseblümchen des Prüfinstituts Hohenstein, der Oeko-Tex Standard 100. Von Ökokontrolleuren ist in der Fabrik aber nichts zu sehen. Der Prototyp wird aus Dhaka zu Hohenstein geschickt und dort geprüft. Eine halbe Million Teile in drei Farben hat Aldi Süd über den Importeur Güldenpfennig aus dem niedersächsischen Quakenbrück geordert, das Teil im Einkauf für 2,97 Dollar. Im Laden dürfte es mindestens das Vierfache kosten.

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Längst wissen die Bengalen, was Westler hören möchten. "Diese Baumwolle beziehen wir aus China", behauptet ein Fortis-Manager erschrocken. Dabei beweist die Aufschrift der Kisten das Gegenteil. Bangladesch, sagt tags darauf ein lokaler Importeur freimütig, importiere etwa 60 Prozent der verarbeiteten Baumwolle aus Usbekistan – oft via China, womit sich die Importeure herausreden können.

Aldi Süd gibt zu, mit Fortis zu arbeiten, schiebt die Verantwortung aber an den Importeur Güldenpfennig weiter. Der lässt schriftlich ausrichten, man lasse dort nur Funktionskleidung nähen. Baumwollartikel habe man "bis dato bei Fortis Group nicht produzieren lassen". Ansonsten machen die Räume des Aldi-Herstellers einen ordentlichen Eindruck: Junge Näherinnen schauen nicht allzu kindlich aus. Und wenn eine Langnase hereintritt, ziehen sie sogar Staubmasken auf.

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