Erste Schritte sind getan. Seit Kurzem hat Kik ein Büro in Dhaka, neben Tchibo baut Tom Tailor eins auf. Lokale Mitarbeiter und Entsandte aus Deutschland versuchen die Beziehungen zu Lieferanten zu verstetigen, indem sie dort die Kinderbetreuung organisieren oder nach Produktivitätsdefiziten suchen. Von politischer Seite bewegt sich weniger. H & M-Chef Karl-Johan Persson sprach Anfang September mit Premierministerin Scheich Hasina über eine Erhöhung der Mindestlöhne, die weit unter den realen Lebenshaltungskosten liegen – aber im Alleingang. Koordinierte Aktionen sind Fehlanzeige. Großeinkäufer wie H & M, C & A oder Kik könnten ihre Marktmacht gemeinsam nutzen.
Stattdessen schlachtet jeder seine Alleingänge PR-trächtig aus. "In Sachen CSR wurschteln die Konzerne einzeln vor sich hin, und wenn einer einen Skandal abkriegt, freut das die anderen", fasst der für Nachhaltigkeit zuständige Manager eines großen Händlers zusammen.
Dabei lassen sich die Mindestlöhne nur über politischen Druck erhöhen: "Die meisten Hersteller sind so raffgierig, dass sie sich lieber den fünften Porsche kaufen, als freiwillig den Lohn zu erhöhen", schimpft ein Einkäufer. Wenn nicht alle Konkurrenten mitziehen, traut sich kein Lieferant, den Anfang zu machen – zu groß ist die Furcht vor dem Verlust der Wettbewerbsvorteile. Und im preisfixierten deutschen Textil-Einzelhandel kämpft jeder Anbieter um jeden Cent.
Sozialverantwortung in Fabriken
Auch die deutsche Politik hat nicht weiterhelfen können. Westerwelle will das Thema Sozialverantwortung bei seinem Gespräch mit Außen- und Premierministerin zwar gestreift haben. Aber in Sachen Mindestlohn hat er nichts erreicht. Stattdessen braut sich in Dhaka der nächste Streik für höhere Mindestlöhne zusammen. Das kann keiner gebrauchen: Arbeiter müssten um Leben und Gesundheit fürchten; Streiks enden oft mit Blut und brennenden Fabriken. Der Standort leidet, weil Streiks und Schlachten schlechte Presse bringen. Und Markenhersteller müssen um Ruf und Image fürchten.
Tchibo-Mann Groos hat das 2011 beinahe erlebt: In Dhaka brannte es in einer Näherei der Continental Group, die für Tommy Hilfiger fertigte. Tchibo hatte einige Monate zuvor dort Order platziert, dann aber wegen Brandschutzmängeln die Verträge gekündigt. Bei dem Feuer kamen zwei Arbeiterinnen um. Die Fenster waren vergittert und Feuertreppen fehlten.