Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesingers Neubeginn in Amerika

Erst New York, dann nach Chicago zum amerikanischen Konzernsitz: Heinrich Hiesinger ist auf Tour durch die Vereinigten Staaten. Der Thyssen-Krupp-Chef will alte Skandale hinter sich lassen.

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Chef Heinrich Hiesinger ist auf US-Tour. Quelle: dpa

Mit dem Gips zeigte Heinrich Hiesinger aus dem Fenster auf das World Trade Center, fast wie ein stolzer Vater: „Da sind 73 Fahrstühle von uns drin“. Den schwarzen Verband an der rechten Hand hat er fast vergessen. „Haushaltsunfall“, erklärte er später.

Das Missgeschick hielt Chef von Thyssen Krupp nicht davon ab, eine Woche durch Nordamerika zu touren. Erst New York, dann nach Chicago zum amerikanischen Konzernsitz. Dort verbringt er heute den ganzen Tag mit 320 Führungskräften. Hiesinger will ein Zeichen setzen und US-Chef Patrick Bass stärken: „Die Bereichsvorstände haben keine zufriedenen Gesichter gemacht“. Aber es reiche nicht, „zwei Stunden in der Woche in einem Land zu verbringen, um den Markt zu verstehen“.

Hiesinger setzt auf Amerika. Ausgerechnet: Das desaströsen Stahlwerk in Alabama brachte den Mischkonzern an den Rand des Abgrunds. Retter in der Not war Hiesinger, den Thysssen Krupp von Siemens holte. Der 56-Jährige verkaufte das US-Werk 2014 an ein Konsortium von Arcelor Mittal und Nippon Steel mit hohem Verlust. Aber Hiesinger baute eine wichtige Klausel ein: Die Käufer müssen bis zum Jahr 2019 Rohstahl zum fixen Preis aus der Anlage von Thyssen Krupp in Brasilien abnehmen. „Viele unterschätzen den Effekt“, sagte Hiesinger. Ohne das würde es dem Geschäft in Brasilien „ziemlich schlecht“ gehen.

Stahl spielt im US-Geschäft kaum eine Rolle mehr. Knapp zehn Milliarden Euro setzt Thyssen Krupp in Nordamerika um, rund ein Viertel des Gesamtumsatzes. Am wichtigsten sind Automotive und Fahrstühle, die jeweils etwas mehr als drei Milliarden Euro in der Region erzielen. Das Unternehmen profitiert vom jahrelangen US-Boom in der Auto- und Baubranche. Bei Fahrstühlen ist der Konzern mit 35 Prozent Marktführer, dicht gefolgt von Platzhirsch Otis. Dem luchste Thyssen Krupp gerade zwei wichtige Projekte ab: Serviceleistungen für den Flughafen in Toronto und dem Microsoft-Campus in Seattle.

Aber Hiesinger wird auch ein paar ernste Worte mit seinen Leuten reden müssen. Durch den Ölpreisverfall leidet das Unternehmen in der Sparte Industrielösungen. Die Energiebranche ist ein wichtiger Kunde, aber fast alle Ölsand-Projekte in Kanada oder viele Fracking-Bohrungen in Texas liegen auf Eis. „Es ist nicht einfach“, sagte Hiesinger, aber Rohstoffpreise seien einfach unvorhersehbar.
Missgeschicke gibt es immer, wie er selbst weiß. Bei dem Unfalle half er seinem Sohn das Motorrad anzuschieben. Als der Motor einsetzte und anfuhr, stürzte er nach vorne und fing sich mit der Hand auf. „Besser als auf den Kopf zu fallen“, sagte Hiesinger. Damit meinte er seine Verletzung, nicht das Amerika-Geschäft.

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