Solche Schübe gibt es selten für Stahlaktien. Nur, weil der designierte US-Präsident Donald Trump Anfang dieser Woche ankündigte, er werde die Stahlerzeugung in den USA vorantreiben, witterte die Börse schon einen neuen Stahlboom. Die US-amerikanischen Konzerne U.S. Steel und Olympic Steel schossen um 16 Prozent nach oben. Auch europäische Stahlwerte beeinflusste Trumps frohe Botschaft: Die Aktien von Thyssenkrupp legten am Mittwoch um 1,7 Prozent zu – nicht üppig, aber immerhin.
Aus dem Schlamassel wird Trump der Stahlbranche aber kaum helfen können. Es gibt sowieso schon viel zu viel Stahl auf der Welt. Global sind es derzeit 660 Millionen Tonnen Stahl, die zu viel produziert werden. Fast zwei Drittel der Überkapazitäten fallen auf China. Helfen würde es der Stahlbranche, wenn die Chinesen weniger Stahl auf den Weltmarkt werfen würden. Ob Trumps starker Arm so weit reicht, ist zu bezweifeln.
Für westliche Konzerne bleibt Stahl ein Krisengeschäft – auch für Thyssenkrupp. Die Billigexporte aus China, die Überkapazitäten und damit fallenden Stahlpreise sowie steigende Rohstoffkosten, vor allem für den wichtigen Rohstoff Kokskohle, machen dem deutschen Riesen weiter zu schaffen. Hiesinger strebt eine Fusion mit dem indischen Stahlkonzern Tata Steel an. Doch ob die beiden Konzerne tatsächlich ihre europäischen Stahlgeschäfte zusammenlegen werden, ist mehr als ungewiss.
Der geplante EU-Austritt von Großbritannien und Krach an der Spitze bei Tata haben die Gespräche jedenfalls nicht vorangetrieben.
Schon im Frühjahr hatte Thyssenkrupp-Chef Hiesinger nach Einbrüchen im Werkstoffgeschäft die Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2015/2016 (per Ende September 2016) auf 1,4 Milliarden Euro gekappt. Ursprünglich hatte er einen operativen Gewinn von 1,6 bis 1,9 Milliarden Euro angepeilt.
Korruptionssumpf bei Thyssenkrupp noch nicht trockengelegt
Bei der Präsentation der Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr am Donnerstag in Essen wird sich Hiesinger aber nicht nur wieder ausführlich dem ungeliebten Thema Stahl widmen müssen. Erklären muss der 56-jährige Top-Manager auch, wieso er es einfach nicht schafft, den Korruptionssumpf bei Thyssenkrupp trockenzulegen. In den vergangenen Jahren war Thyssenkrupp in eine Vielzahl von Bestechungs- und Kartell-Fällen verwickelt. Es ging um Preisabsprachen im Schienenverkehr, Bestechungsgelder für Waffengeschäfte und im Schiffsbau.
Welche Kennzahlen ThyssenKrupp-Chef Hiesinger verbessern will
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 4,3 Prozent
Ziel: 6-8 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 10,5 Prozent
Ziel: 15 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatz
aktuell*: 6 Mrd. Euro
Ziel: 8 Mrd. Euro
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 1,6 Prozent
Ziel: 3-4 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Gewinn (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 200 Mio. Euro
Ziel: 500 Mio. Euro, Kosten einsparen
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
So musste der Essener Konzern etwa wegen der Absprachen im Schienengeschäft ein Bußgeld in Höhe von 200 Millionen Euro zahlen.
Hiesinger, der viele Jahre für den deutschen Industriekonzern Siemens in aller Welt tätig war, trat 2011 bei Thyssenkrupp an, um der Korruption den Garaus zu machen. Doch die alten Sünden brechen wieder los. Zuletzt ausgerechnet von einem Top-Manager, dem Hiesinger volles Vertrauen schenkte, und den er von Siemens nach Essen holte.
Probleme mit dem Chef des Industriegeschäfts
Jens Michael Wegmann legte vor knapp zwei Wochen sein Mandat als Chef des Thyssenkrupp-Bereichs Industrial Solutions nieder. Thyssenkrupp wirft dem Manager vor, er habe von einem pakistanischen Geschäftspartner als Gastgeschenk ein Armband für seine Frau angenommen. Thyssenkrupp habe eine interne Untersuchung eingeleitet, die bereits abgeschlossen sei. Wegmann hatte den Fehler eingestanden und die Konsequenz gezogen. Sein Handeln im Umgang mit einem Vertriebspartner habe "nicht mit den Werten von Thyssenkrupp im Einklang" gestanden. Deshalb gebe er - unabhängig von rechtlichen Fragen - seinen Posten auf.
Vor gut einem Jahr war Wegmann zum Chef des Industriegeschäfts aufgestiegen und hatte den Umbau der Sparte eingeleitet. Zu dem Geschäftsbereich gehören der Spezial- und Großanlagenbau sowie das Marinegeschäft von Thyssenkrupp.
Alte Sünden, neue Probleme bei Thyssenkrupp
In den vergangenen Jahren war der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp in eine Vielzahl von Bestechungs- und Kartellfällen verwickelt.
Etliche Offsore-Gesellschaften nutzte die Thyssenkrupp-Tochter Marine Force International (MFI), um Gelder zu dubiosen Beratern zu lotsen, die wiederum Aufträge mit U-Booten in Ländern wie der Türke, Griechenland und Indonesien sicherten.
Über Jahre hatten sich Mitarbeiter des Thyssenkrupp-Konzerns mit anderen Unternehmen bei Preisen und Mengen abgesprochen. Der Essener Konzern musste ein Bußgeld in Höhe von 200 Millionen Euro zahlen.
Bei einem Waffengeschäft in der Türkei sollen Manager des Bremer Rüstungsunternehmens Atlas Elektronik, ein Gemeinschaftsunternehmen von Thyssenkrupp und Airbus, türkische Amtsträger bestochen haben. Vor diesem Hintergrund fand sogar eine Razzia in der Essener Zentrale von Thyssenkrupp im Sommer diesen Jahres statt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Manager von Thyssenkrupp und Airbus, weil sie die Zahlung von Bestechungsgeldern nicht verhindert haben sollen.
Nun soll ausgerechnet auch noch ein U-Boot-Geschäft mit Israel nicht koscher gelaufen sein. Thyssenkrupp ermittelt intern gegen den eigenen Vertriebsmann. Der hätte bei der Einschaltung eines Unterauftragnehmers bei der Vermittlung von Aufträgen die Essener Zentrale um Erlaubnis bitten müssen. Bei dem Geschäft steht außerdem der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Raum. Dabei geht es um den geplanten Kauf von drei deutschen U-Booten für Israel. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll angeblich das rund 1,5 Milliarden Euro schwere Geschäft gegen den Widerstand des israelischen Verteidigungsministeriums vorangetrieben haben.
Bestechungsvorwurf bei Waffengeschäften
Netanjahus persönlicher Rechtsberater David Schimron soll als Anwalt auch den israelischen Vertriebsvermittler der Marinesparte von Thyssenkrupp vertreten. Der Essener Konzern hat nun eine eigene Untersuchung des U-Boot-Geschäfts eingeleitet.
Korruptes Treiben im Schiffbau ist nichts Neues bei Thyssenkrupp. Vor Jahren nutzte die Thyssenkrupp-Tochter Marine Force International (MFI) Offshore-Gesellschaften, um Gelder zu dubiosen Beratern zu leiten, die wiederum Aufträge mit U-Booten in der Türkei, Griechenland und Indonesien sicherten.
Aktuell liegt ein weiterer Bestechungsvorwurf bei Waffengeschäften in der Türkei vor. Verantwortliche des Bremer Rüstungsunternehmens Atlas Elektronik, ein Gemeinschaftsunternehmen von Thyssenkrupp und Airbus, sollen türkische Amtsträger bestochen haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Manager von ThyssenKrupp und Airbus, weil sie die Zahlung von Bestechungsgeldern nicht verhindert haben sollen. Im Sommer fand auch eine Razzia im Thyssenkrupp-Quartier in Essen statt.
Langsam aber sicher gerät Thyssenkrupp-Chef Hiesinger in erhebliche Erklärungsnot, warum es ihm nicht gelingt, für saubere Geschäfte in allen Bereichen zu sorgen.