Thyssenkrupp Cevian drängt Heinrich Hiesinger: Umbau muss schneller gehen

Heinrich Hiesinger hat Thyssenkrupp aus existenzbedrohender Lage herausgearbeitet. Eigentlich könnten die Aktionäre zufrieden sein. Doch dem wichtigen Großinvestor Cevian gehen die Fortschritte nicht schnell genug.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Opel mit neuem Anstrich
Neues Opel-LogoNeuer Eigentümer, neuer Chef und neues Logo: Bei Opel ändert sich derzeit einiges. Die Lage rund um den defizitären Autobauer ist zuletzt nicht gerade einfacher geworden, das Logo aber schon. Das neue Markenemblem ist monochrom und besteht nur noch aus dem Ring (der an einen Reifen erinnern soll) und dem Blitz (der die Energie symbolisieren soll). Der bisher genutzte Schriftzug im oberen Kreissegment ist ebenso verschwunden wie der Schattenverlauf über das gesamte Logo. Zudem ist das Logo nicht mehr dreidimensional dargestellt, sondern nur noch in 2D. Zu dem Logo gehört auch ein neues Markenmotto: Der Claim „Die Zukunft gehört allen“ soll zum einen Opels Anspruch unterstreichen, Zukunftstechnologien zu demokratisieren und zu vertretbaren Kosten anzubieten. Darüber hinaus soll es den Wandel des Autoherstellers zum vernetzten Mobilitätsdienstleister unterstreichen. Quelle: Opel
Aldi Süd
Versatel Quelle: PR
Neuer ThyssenKrupp-Schriftzug Quelle: Presse
Neues ThyssenKrupp-Logo Quelle: Presse
Neuer ThyssenKrupp-ClaimAuch der Werbespruch ist beim Patentamt zu finden. In Zukunft könnte es in Kombination mit dem Logo heißen: „engineering. tomorrow. together.“ Alles klein geschrieben, versteht sich.Foto: Deutsches Marken- und Patentamt Quelle: Presse
MerckDas Darmstädter Pharma- und Chemieunternehmen Merck hat sich ein neues Gesicht verpasst: Das bunte "M" sei inspiriert von der "bunten und formenreichen Welt unter einem Mikroskop", teilte der Konzern mit. Außerdem sei es "prägnanter und weniger kleinteilig gestaltet" als sein Vorgänger. Das neue Merck-Logo soll es künftig in zehn verschiedenen Farben geben. Quelle: Presse

Wenn Heinrich Hiesinger am Freitag auf der Hauptversammlung von Thyssenkrupp zu seinen Aktionären spricht, wird der Vorstandschef die Entwicklung des Ruhrkonzerns preisen. Einen Vorgeschmack darauf gab er im November bei der Bilanzpresskonferenz. „Wir haben geliefert, was wir versprochen haben“, erklärte Hiesinger da, „wir haben Thyssenkrupp stabilisiert und die Integration des Konzerns weiter vorangetrieben.“

Unbestritten haben die Essener unter ihrem von Siemens abgeworbenen Topmanager Hiesinger große Fortschritte gemacht, sich nach milliardenschweren Fehlinvestitionen in den USA und Brasilien aus einer existenzbedrohenden Lage herausgearbeitet. Einen aber wird Hiesinger mit seiner Bewertung der Situation dennoch kaum überzeugen können: Seinen schwedischen Großaktionär Cevian. 

Trotz diverser Fortschritte bei Thyssenkrupp ist der Finanzinvestor offensichtlich mit der Entwicklung unzufrieden. „Das ist nicht genug“, habe ein Cevian-Manager in vertrauter Runde gepoltert, berichtet ein Frankfurter Investmentbanker. Mehr noch: Cevian denke nun wieder verstärkt über Abspaltungen von Sparten beim Ruhrkonzern nach, soll der Cevian-Manager im vertrauten Kreis ebenfalls kundgetan haben.

Überraschende neue Verkaufsüberlegungen

Dabei haben die Schweden aber in erster Linie nicht, wie bislang oft vermutet, die margenschwache Stahlsparte im Visier. Vielmehr könnten sie sich dafür begeistern, Filetstücke zu versilbern: Die Aufzugssparte oder den Automobilzulieferbereich etwa. Ein Cevian-Sprecher wollte die Informationen auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu den Beteiligungen. Auf der Hand liegt allerdings, dass Cevian an seinen Thyssenkrupp-Aktien bislang recht wenig Freude hatte.

Welche Kennzahlen ThyssenKrupp-Chef Hiesinger verbessern will

Der Investor hat seine Beteiligung am Ruhrkonzern ab 2013 aufgebaut und ist aktuell mit 15,08 Prozent der Aktien zweitgrößter Aktionär nach der Krupp-Stiftung (23,03 Prozent). Der Aktienkurs, der 2015 einen zwischenzeitlichen Höchststand von fast 26 Euro erreichte, liegt mittlerweile nur noch bei gut 15 Euro – und dümpelt damit nahe der Zahlen in schlimmsten Krisenzeiten: 2012, als die Existenz von Thyssenkrupp auf dem Spiel stand, war der Kurs bis auf 12 Euro gefallen.

Zahlen sind für Cevian-Geschmack zu schwach

Im Geschäftsjahr 2014/15, das am 30. September 2015 endete, verbesserten Hiesinger und seine Mannschaft sich zwar bei einer Reihe von Kennzahlen, Cevian gehen die Fortschritte aber anscheinend nicht schnell genug. Das Nettoergebnis zum Beispiel stieg, aber lediglich von 212 auf 309 Millionen Euro. Das entspricht bei einem Umsatz von 42,8 Milliarden Euro einer immer noch mageren Netto-Umsatzrendite von 0,7 Prozent. Auf den freien Mittelzufluss (Cash-Flow) schauen die Schweden seit jeher besonders. Hier verließ Thyssenkrupp den roten Bereich, schaffte aber mit 65 Millionen Euro Cash-Flow ohne Einbeziehung von Unternehmensverkäufen gerade die schwarze Null.

Schaufelräder, Zementwerke und U-Boote
Künftig soll das reine Stahlgeschäft wie etwa die Produktion von veredelten Blechen für die Automobilindustrie nur noch 30 Prozent des Konzern-Geschäfts ausmachen. Dennoch bleiben Blechrollen wie diese ein Kernprodukt. Quelle: PR
Rolltreppen und Fahrsteige – etwa in Flughafen-Terminals – gehören ebenfalls zum ThyssenKrupp-Produktspektrum. Dieses Foto ist in einem Essener Einkaufszentrum aufgenommen worden. Quelle: PR
Allen Negativ-Schlagzeilen zum Konzern trotzt das Aufzuggeschäft von ThyssenKrupp. Vor allem starke Absatzzuwächse in Asien erfreuen das Unternehmen. Das Bild zeigt ein System mit zwei Kabinen in einem Aufzugschacht beim Einbau in der Essener Konzernzentrale Anfang 2010. Quelle: PR
Für die Automobilindustrie bietet ThyssenKrupp auch den Aufbau von Anlagen, die etwa automatisch Fahrwerke oder andere Komponenten einbauen. Quelle: PR
ThyssenKrupp setzt vermehrt auf Planung und Bau ganzer Chemie- und Industrieanlagen. Im Bild ein Zementklinkerwerk im Senegal. Quelle: PR
Dieses Schaufelradladgeärt steht im Hafen von Rotterdam und wird zur Verladung von Eisenerz eingesetzt. Geliefert wurde es von der ThyssenKrupp-Sparte „Plant Technology“. Quelle: PR
Großwälzlager von ThyssenKrupp kommen etwa in Kränen zum Einsatz, die schwere Lasten bewegen. Quelle: PR

Die Bewertung dieser Zahl könnte unterschiedlicher kaum ausfallen. Erstmals seit dem Geschäftsjahr 2005/2006 schaffte Thyssenkrupp wieder einen positiven Cash-Flow, im Vorjahr lag er noch 357 Millionen Euro im Minus. „Das markiert für uns einen weiteren Meilenstein im Rahmen unseres Veränderungsprozesses“, sagte Hiesinger bei der Bilanzpressekonferenz. Für Cevian ist es dagegen bitter, dass nach wie vor so wenig Bares in die Kasse kommt.

Wenn schon die Aktie keine nennenswerten Kursgewinne einbringt, können wenigstens satte Dividenden den Investoren Geld ins Portfolio spülen. Doch auch die Dividenden fallen bei Thyssenkrupp – nicht zuletzt wegen des bescheidenen Cash-Flows – weiterhin bescheiden aus. Immerhin besser als in den drei Geschäftsjahren von 2010/11 bis 2012/13, als die Dividenden ganz ausfielen, aber nicht genug, um den Ansprüchen von Cevian gerecht zu werden. Nach elf Cent je Aktie 2013/14 soll die Dividende 2014/15 auf 15 Cent steigen. Große Sprünge sehen anders aus.

Nur bei der Dividende herrscht Einigkeit

Wenigstens bei der Bewertung der Dividende ist Hiesinger einer Meinung mit seinem Großinvestor. „Die Dividende kann uns mittelfristig nicht zufrieden stellen“, sagte Hiesinger bei der Vorstellung des Jahresergebnisses. „Es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung, der auch unsere bilanziellen Erfordernisse berücksichtigt.“

Ansonsten gehen die Vorstellungen gravierend auseinander – und der Vorstandschef auf Distanz zu Cevian. Hiesinger setzt darauf, dass Thyssenkrupp sich kontinuierlich weiterentwickelt und will die höchst unterschiedlichen Sparten – Stahlerzeugung, Aufzüge, Automobilzulieferung, Industriedienstleistungen und Materialhandel – zusammenhalten. Cevian geht die Politik der kleinen, aber stetigen Schritte nicht schnell genug, weshalb die Schweden nun verstärkt über Abspaltungen nachdenken.

ThyssenKrupp in Zahlen

Die ertragsschwache Stahlsparte steht dabei aber – anders als bislang oft vermutet – nicht im Zentrum der Überlegungen. Cevian, so heißt es in Finanzkreisen, habe erkannt, dass für diese derzeit ohnehin kein attraktiver Preis zu erzielen sein wird. In Zeiten globaler Überkapazitäten und drohender Mehrbelastungen wegen schärferer CO2-Abgaben dürfte sich die Lage auch so schnell nicht signifikant verbessern.

Hiesinger erwartet Konsolidierung in Stahlbranche

Hiesinger hatte zum Jahreswechsel in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ gesagt, dass er angesichts der angespannten Lage in der Stahlindustrie ohnehin nicht mit Übernahmen rechne. Der Vorstandschef deutete allerdings an, dass er sich vorstellen könne, die Stahlsparte in ein gemeinsames Konsortium mit anderen Stahlherstellern einzubringen. „Wir gehen davon aus, dass es irgendwann zu einer Konsolidierung in der europäischen Stahlindustrie kommen wird“, sagte Hiesinger im Interview. „Wenn sich die Chance zur Konsolidierung bietet, werden wir uns daran beteiligen.“ Wann das sein wird, ließ er offen.

 

„Klassische Übernahmen“ – und damit auch lukrative Angebote – erwartet der Vorstandschef jedenfalls nicht. „Es wird vermutlich eher Zusammenschlüsse geben, bei denen sich die Anteilsverteilung dann aus den Wertverhältnissen ergibt. Wann das sein wird, ist unklar. Deshalb konzentrieren wir uns weiter auf uns selbst und steigern unsere Leistungsfähigkeit.“

Autozulieferbereich und Aufzugsparte im Visier

Dass diese Aussicht Cevian zufriedenstellen kann, darf getrost bezweifelt werden. Wenn Thyssenkrupp die Stahlsparte in ein Joint Venture einbringen würde, wäre kein großes Geld zu erlösen. Deshalb denken die Portfoliomanager der Schweden offenkundig über den Verkauf ganz anderer Sparten nach – wie den Automobilzulieferbereich oder die Aufzugsparte. Das wären echte Filetstücke, mit denen sich gut Kasse machen ließe. Ein weiterer Vorteil: Beide verarbeiten zwar Stahl, von dem sie einen Gutteil derzeit von ihrer Konzernschwester beziehen können, sie könnten aber dennoch relativ leicht aus dem Unternehmensverbund herausgelöst werden.

Ein Angebotsengpass herrscht auf dem Stahlmarkt beileibe nicht. Eine Abspaltung dieser Sparten würde das Gesicht von Thyssenkrupp jedoch tiefgreifend verändern: Die Aufzugsparte ist die Ertragsperle des Ruhrkonzerns. 2014/15 hat sie mit ihren Aufzügen und Rolltreppen sowie zugehörigen Servicedienstleistungen 794 Millionen Euro und damit fast die Hälfte des bereinigten operativen Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit) des Konzerns in Höhe von 1,676 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Mit Hiesingers Gegenwehr ist zu rechnen

Aus den guten Zahlen einzelner Sparten könnte sich ein satter Aufschlag ergeben, den die Teile des Konzerns mehr wert sind, als der ganze: Analysten verschiedener Banken schätzen allein den Wert der Aufzugsparte zwischen 10 und 12,5 Milliarden Euro. Das ist mehr, als der gesamte Konzern aktuell an der Börse kostet.

Die Marktkapitalisierung ist durch den Sinkflug der Aktie auf nur noch 8,5 Milliarden Euro gesunken. Der „Holding-Discount“, wie Investmentbanker sagen, könnte also beträchtlich sein. Das spornt Cevian wohl bei den Abspaltungsüberlegungen an.

Vorstandschef Hiesinger hingegen beteuert stets, weiter auf eine „Verbundstrategie“ in einem „diversifizierten Industriekonzern“ zu setzen. Eine Abspaltung der wertvollsten Teile könnte zwar kurzfristig Geld in die Kasse spülen. Dann würde sich allerdings die Frage stellen, wie der Rest-Konzern künftig eine gute Entwicklung nehmen soll, wenn die besten Stücke weg sind.

Einzelteil-Betrachtung „eine Milchmädchenrechnung"

Kein Wunder also, dass Hiesinger sich klar gegen solche Verkaufsambitionen stellt. Von den Rechenspielchen der Analysten, das stellte er im Interview mit der „Welt am Sonntag“ klar, hält er nicht viel. „Das ist eine Milchmädchenrechnung. Schließlich stehen die Schulden und die Pensionsverpflichtungen in der Bilanz auf Konzernebene. Würden die nun auf die einzelnen Business Areas umverteilt, hätten wir ein völlig anderes Bild. Das wird bei den Ableitungen über den Wert der Konzernteile gern mal vergessen.“

Am Freitag bei der Hauptversammlung wird Hiesinger für seine Sicht werben müssen. Schon bei der letzten Hauptversammlung hatten Aktionäre ihn gefragt, wie hoch der vom Vorstand beschworene Verbundvorteil genau sei – was Hiesinger und seine Kollegen nicht konkret beziffern konnten.

Spannend ist die Frage, wie direkt Cevian am Freitag gegen Hiesingers Positionen angehen wird. Angriffe auf seinen Job muss der Vorstandschef allerdings nicht fürchten. „Hiesinger“, das soll selbst der Cevian-Manager bei dem Gerspräch in Frankfurt gesagt haben, „ist der richtige Mann.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%