Thyssenkrupp Erfolg mit Hindernissen

Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger kann die Grundsatzvereinbarung zu einem Zusammenschluss seiner Stahlsparte mit der indischen Tata als Erfolg verbuchen. Ins Ziel gebracht ist der Deal aber noch nicht.

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Womit Thyssenkrupp sein Geld verdient
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Die Zukunft der Stahlsparte von Thyssenkrupp präsentiert sich in bunten Bildchen mit schöner Hintergrundmusik. In der Essener Zentrale des Industriekonzerns stimmte am Mittwochvormittag ein fröhlicher Imagefilm auf eines der größten Abenteuer des Konzerns ein: die geplante Zusammenlegung der Stahlsparte mit dem indischen Stahlkocher Tata Steel. Beim Betrachten des Films über Thyssenkrupp und seinen „besten Partner“ könnte man durchaus meinen, die Hochzeit der Stahlgiganten habe bereits stattgefunden.

Wie am Hochzeitstag strahlt auch Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesiger, als er die Bühne in Essen erklomm. Was folgte, war eine Lobrede über seine Stahlarbeiter, die mit Zukunftsversprechen nicht sparte: Das Grundproblem der massiven Überkapazitäten, unter denen die Stahlkocher weltweit leiden, will Hiesinger mit der geplanten Fusion angehen. Auch wenn dadurch Arbeitsplätze wegfallen, würden letztlich doch Tausende gerettet. 

Hiesingers Pathos auf der Bühne ist wohl auch Ausdruck der Freude über die geglückte Grundsatzvereinbarung mit Tata Steel. Seit fast zwei Jahren verhandelt Hiesinger nun schon mit dem indischen Stahlkonzern Tata Steel über die Zusammenlegung der europäischen Stahlsparte. Geprägt waren die Gespräche vor allem von Hindernissen: Der Brexit platzte in die Gespräche und die milliardenschweren Pensionslasten von Tata in Großbritannien lasteten auf den Verhandlungen. Vor der Wahl in Deutschland, unkten Kritiker, würde sich Hiesinger ohnehin nicht aus der Deckung wagen.

Das ist Tata Steel

Umso überraschender kam es für viele Beobachter, dass Thyssenkrupp und Tata Steel am Mittwoch erklärten, eine Grundsatzvereinbarung über den Zusammenschluss unterzeichnet zu haben.

Die Eckpunkte des Deals haben die Stahlkocher bereits mitgeteilt: Das geplante Joint Venture mit insgesamt 34 Standorten in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden soll seinen Hauptsitz in Amsterdam haben. Synergien von 400 bis 600 Millionen Euro soll der Deal pro Jahr schaffen. Um das zu erreichen, sollen insgesamt 4000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Anfang 2018 wollen die Konzerne den endgültigen Vertrag unterzeichnen.

Umsatz, Mitarbeiter und Investitionen von Thyssenkrupp nach Sparten

Für Hiesinger ist diese Grundsatzvereinbarung ein Meilenstein seiner Zeit an der Spitze von Thyssenkrupp. Ohne Lösung für die schwächelnde Stahlsparte hätte er seinen Platz an der Konzernspitze wohl räumen müssen.

Doch auch wenn Hiesinger einen Achtungserfolg verbuchen kann. Ins Ziel gebracht ist der Deal noch keineswegs.

Tausende wollen gegen Hiesingers Pläne demonstrieren

Hörbar werden die Probleme der geplanten Fusion voraussichtlich diesen Freitag in Bochum. Tausende Stahlkocher wollen dort gegen Hiesingers Pläne demonstrieren. Die Befürchtungen der Arbeitnehmer scheinen sich in der Grundsatzvereinbarung der Konzerne zu bestätigen: Der Wegfall von insgesamt 4000 Arbeitsplätzen, die Hälfte davon bei Thyssenkrupp, ist eine Kampfansage an die ohnehin streitbaren Stahlkocher.

Dieter Lieske, Chef der IG Metall Duisburg-Dinslaken, stellt sich nach wie vor gegen die Fusion: „Wie soll sich unsere Haltung ändern, wenn wir keine Fakten präsentiert bekommen. Herr Hiesinger soll sich endlich über die Sicherheit der Standorte und Mitarbeiter äußern“, sagte Lieske gegenüber der WirtschaftsWoche. Zudem betonte Lieske, dass die Fusion noch keineswegs ausgemacht sei. „Bisher gibt es nur eine Absichtserklärung, aber keine Zustimmung der Gremien.“

Angewiesen ist Hiesinger auf die Zustimmung der Arbeiterseitnehmerseite nicht. So könnte Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Ulrich Lehner von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch machen. Doch das wäre ein einmaliger Bruch in der Unternehmenskultur. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), der in seiner Zeit als Wirtschaftsminister stets Nähe zu den Stahlkochern demonstrierte, mahnte zu einer Einbindung der Arbeitnehmerseite: „Gegen die Arbeitnehmer ist keine Lösung denkbar.“ Lieske bezeichnet eine mögliche Überstimmung durch den Aufsichtsratsboss als „Kampfansage“.

Unklar ist auch, wie die beiden Stahlriesen die angepeilten Synergien von bis zu 600 Millionen Euro pro Jahr konkret verwirklichen wollen. Analyst Chrisian Obst von der Baader Bank zeigte sich schon vor der Verlautbarung der Grundsatzvereinbarung skeptisch: „Die Synergien müssen erst herausgearbeitet werden. Vor 2021 wird eine Fusion sicher nicht gelingen.“ Zudem müssen auch die Wettbewerbshüter der Fusion erst zustimmen.

Denn mit dem Zusammenschluss entstünde nach ArcelorMittal das zweitgrößte Stahlunternehmen Europas. Commerzbank-Analyst Ingo Schachel sieht diese Hürde jedoch als überwindbar an: „ArcelorMittal produziert doppelt so viel Stahl wie Thyssen und Tata zusammen. Insofern sehe ich keinen Grund, warum die Kartellbehörden den Zusammenschluss untersagen würden.“

Ob Hiesinger sich am Erfolg der Grundsatzvereinbarung lange weiden kann, wird sich schon an diesem Samstag zeigen, wenn der Konzernaufsichtsrat von Thyssenkrupp tagt. Für Hiesinger und die Stahlkocher von Thyssenkrupp steht weiter alles auf dem Spiel.

Thyssenkrupp

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