Thyssenkrupp Mit diesen Problemen hat der Stahl-Riese zu kämpfen

Aus der existenzbedrohenden Krise hat sich Thyssenkrupp befreit. Doch die Erholung ist ins Stocken geraten. Viele Investoren warten weiter auf einen Befreiungsschlag, die Mitarbeiter sind in Sorge.

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Ein Stahlarbeiter steht am am Hochofen Schwelgern 1 bei ThyssenKrupp in Duisburg. Quelle: dpa

Ein ungemütlicher Großinvestor, ein gestolperter Hoffnungsträger und jede Menge ungelöster Probleme: Der Industriekonzern Thyssenkrupp bleibt in schwerem Fahrwasser. Fast sechs Jahre nach seinem Amtsantritt ist Vorstandschef Heinrich Hiesinger noch längst nicht am Ziel. Wenn der Manager am 24. November die Bilanz für das Geschäftsjahr 2015/2016 vorlegt, kann er noch keinen Schlussstrich unter den Konzernumbau ziehen.

„Thyssenkrupp ist immer noch ein Koloss auf tönernen Füßen“, urteilt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. Der Konzern müsse seinen Umbau forcieren und Schulden abbauen, um auch langfristig zu überleben. „Ein Abstoßen der Stahlsparte wäre ein Befreiungsschlag. Die Zukunft liegt im Technologiegeschäft und nicht im Stahl.“

Das Stahlgeschäft in Europa befindet sich seit Jahren in der Krise, Überkapazitäten und ganz aktuell schnell steigende Rohstoffpreise machen den Unternehmen zu schaffen. Doch der von einigen erhoffte Befreiungsschlag bei Thyssenkrupp lässt auf sich warten. Die Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss der Stahlsparte mit dem europäischen Stahlgeschäft des indischen Industriekonglomerats Tata sind zuletzt offenbar ins Stocken geraten. Der geplante Brexit und eine interne Schlammschlacht an der Führungsspitze bei den Indern haben die im Sommer offiziell bestätigten Gespräche nicht eben erleichtert. Ein Ergebnis gibt es jedenfalls noch nicht.

Gerüchteküche um ThyssenKrupp
Gibt es eine Kapitalerhöhung? Gibt es noch keine? Wie sieht die Zukunft von ThyssenKrupp aus? Selten war die Erwartung an den Bericht über die Neunmonatszahlen von ThyssenKrupp so hoch wie in diesem Jahr. Konzernchef Heinrich Hiesinger und sein Finanzchef Guido Kerkhoff berichten. Der Konzern, der zuletzt nach hausgemachten Problemen fünf Milliarden Euro Verlust anhäufte, ist in gefährliches Fahrwasser geraten, die Nachrichten aus dem Konzern werden bewusst kanalisiert. Mit „kein Kommentar“ werden die meisten Gerüchte quittiert, was die Gerüchteküche nur noch mehr anheizt. Quelle: dpa
Gerücht Nummer 1:Die Verhandlungen über den bitter notwendigen Verkauf von zwei defizitären Stahlwerken in Übersee (Brasilien und Alabama, USA) sind vorerst gescheitert. Der Deutsch-Brasilianer Benjamin Steinbruch hat sich als schwieriger Verhandlungspartner herausgestellt, der weniger als zwei Milliarden Euro zahlen will. Buchwert beträgt aber 3,4 Milliarden Euro. Steinbruch verlangt, dass ThyssenKrupp auch nach dem Verkauf weiterhin finanzielle Lasten und Risiken übernimmt Quelle: REUTERS
Gerücht Nummer 2Für das Walzwerk in Alabama gibt es zwei weitere Interessenten, ArcelorMittal und Nippon Steel. Beide wollen aber das brasilianischen Vor-Stahlwerk nicht übernehmen, was dieses so gut wie unverkäuflich machen würde. Quelle: REUTERS
Gerücht Nummer 3Ohne den raschen Verkauf der Stahlwerke würde ThyssenKrupp in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, was immerhin dementiert wurde. Quelle: dapd
Gerücht Nummer 4Der schleppende Verkaufsprozess und die Preiserwartung unterhalb des Buchwertes macht eine Kapitalerhöhung zwischen 800 Millionen Euro und 1 Milliarde Euro notwendig. Diese Kapitalerhöhung könnte schon in dieser Woche eingeleitet werden. Quelle: dpa
Gerücht Nummer 5Die RAG-Stiftung, die den deutschen Steinkohlebergbau abwickeln und die Folgekosten finanzieren soll, ist am Aktienerwerb von ThyssenKrupp interessiert, um den Konzern vor feindlichen Übernahmen zu schützen. Denn die Krupp-Stiftung verlöre mit einer Kapitalerhöhung ihre Sperrminorität von 25,3 Prozent. Gemeinsam mit der RAG-Stiftung könnte sie diesen Anteil halten. Quelle: dapd
Gerücht Nummer 6Russische Investoren wie Severstal und Vekselberg stehen bereit, bei ThyssenKrupp einzusteigen und Kapital einzuschießen. Severstal wurde bisher vom Konzern nicht kommentiert. Bei Vekselberg gab es immerhin ein hartes Dementi. Quelle: dapd

Beim Thyssenkrupp-Betriebsrat stößt der Plan ohnehin auf Widerstand. „Warum sollte man sich als einer der Besten in Europa mit jemand Schwächerem zusammentun? Ich sehe da keinen wirtschaftlichen Nutzen“, sagte Thyssenkrupp-Betriebsrat Günter Back. Im August machten rund 7000 Stahlkocher ihrem Unmut bei einer Demonstration vor der Duisburger Stahl-Zentrale des Konzerns Luft.

Schon im Frühjahr musste der Konzern einen empfindlichen Tiefschlag hinnehmen. Trotz millionenschwerer Bemühungen ging Thyssenkrupp bei einem U-Boot-Großauftrag in Australien leer aus. Das hätte der unter geringen Bestellungen leidenden Anlagenbausparte, zu der die U-Boote gehören, viel Entlastung geben können.

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