Dabei wird es für Hiesinger und die Nachfolger seiner gefeuerten Vorstandskollegen nicht leicht, schnell Kasse zu machen, um ThyssenKrupp vor dem Kollaps zu bewahren. Neun Interessenten haben sich dem Vernehmen nach gemeldet, um das brasilianische oder das amerikanische Stahlwerk zu kaufen. Zu ihnen gehören aus Brasilien der Stahlkonzern CSN und der Erzförderer Vale sowie der Stahlkocher US-Steel.
Lange Verkaufsliste
Was von den neun bisher als Angebot durchsickerte, wäre für ThyssenKrupp eine Katastrophe. Kolportiert wird ein Betrag von nur einer Milliarde Euro für beide Werke. Für diesen Betrag werde ThyssenKrupp aber nicht verkaufen, sagt ein Insider. Schon wird im Vorstand die radikale Alternative erwogen, die Stahlwerke herunterzufahren, einzumotten oder abzureißen.
Bessere Chancen, schnell Geld zu bringen, haben die anderen Kandidaten auf Hiesingers und Crommes Verkaufsliste. So soll der Bagger-Radlagerhersteller Berco nach Angaben von Aufsichtsratskreisen Anfang 2013 verkauft werden.
Auf einen dicken Batzen hofft die ThyssenKrupp-Spitze auch durch den Verkauf des Stoßdämpferherstellers Bilstein. Vorher allerdings will Hiesinger noch kräftig investieren, um den Autozulieferer möglichst teuer zu machen. „Wir haben den Fehler gemacht, abzuwarten, bis die schlecht laufenden Teilbereiche nichts mehr wert sind“, sagt selbstkritisch ein ThyssenKrupp-Manager. Auch der Lenksäulenproduzent Presta gehört zu den Schätzen, von denen sich der Konzern nun schnell trennen will oder muss. Nach Analystenschätzungen könnten Presta und Bilstein je eine Milliarde Euro einbringen.
Für Hiesinger ist die Verkaufsorgie aber nur Vorgeplänkel für den ganz großen Befreiungsschlag. Deshalb hat er seine neueste Vorlage bisher nur ausgewählten Aufsichtsräten und Vorständen gezeigt. Zur Debatte steht die Zukunft des deutschen ThyssenKrupp-Hauptstahlwerks in Duisburg-Bruckhausen, einem Industriekomplex, in dem 20 000 Stahlarbeiter im Dreischichtbetrieb Stahl schmelzen. Die Anlagen haben in Boomzeiten hohe Gewinne eingefahren, im Auf und Ab der Konjunktur aber unter dem Strich geschadet.
Aus diesem Grund hat Hiesinger einen Plan entwickelt, den er überschrieben hat mit „Let’s go to the Next Chapter“ – lasst uns ein neues Kapitel aufschlagen. Der Zeitplan steht fest. „Bis Juni 2013 soll über die Zukunft der deutschen Stahlproduktion entschieden werden, alle Lösungsmöglichkeiten und Alternativen kommen bis dahin auf den Tisch“, sagt ein Eingeweihter.