ThyssenKrupp Wer übernimmt die Posten von Gerhard Cromme?

Kaum ist der Kronprinz abgetreten, wird über die Nachfolge spekuliert: Zwei Namen scheinen dabei nicht unwahrscheinlich.

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Es ist gut vier Stunden her, dass unter dem Signet der drei Ringe, dem Firmenlogo von Krupp, bekannt gegeben wurde, dass Gerhard Cromme, designierter Nachfolger des 99-jährigen Berthold Beitz, sowohl als Mitglied des Stiftungskuratoriums als auch als Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp das Handtuch wirft. Schon kocht die Gerüchteküche an Rhein und Ruhr. Wer könnte Cromme in seinen Ämtern folgen?

Mitglieder des Initiativkreises Ruhr telefonierten am Freitagnachmittag, um sich über die „Personalie Cromme“ auszutauschen. Doch vom Hügel kommen derzeit soviele Nachrichten wie aus dem vatikanischen Konklave. Derzeit werde das Internet mit Einschätzungen im elegischen Tonfall von Nachrufen geflutet, aber eine Antwort auf die banale Frage, wer die Lücke füllt, „wird nicht gegeben“, sagt ein Ruhrgebietsunternehmer.

Einen Hinweis aus dem Initiativkreis gibt es: Für die Stiftung deutet viele Susanne Henle hin, die Tochter von Berthold Beitz. Die Mittsechzigerin ist seit 2012 Mitglied des Krupp-Kuratoriums und nahm bisher an jeder Sitzung direkt neben Cromme und ihrem Vater teil. Susanne Henle, geborene Beitz, ist verheiratet mit dem Spross des Industriellenclans Henle, der lange Zeit den Klöckner-Konzern beherrschte, ein Stahl-, Technologie- und Handelsunternehmen, das dem ThyssenKrupp-Konzern von heute ähnelte, der großen Stahlkrise vor dreißig Jahren zum Opfer fiel und dann zerschlagen wurde.

Diese Figuren bestimmen das Machtspiel
Gerhard Cromme, 69, der Aufsichtsratschef der ThyssenKrupp AG Seit seinem Einstieg Ende der 1980er Jahre saß er an allen wichtigen Schaltstellen des Essener Konzerns - und war für den Umbau des Traditionsunternehmens mitverantwortlich. Stets unter dem wachsamen Auge von Berthold Beitz, mit dem er sich abspricht. Cromme saß im Krupp-Chefsessel, schon bevor diese in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, und noch bevor diese mit der Thyssen Stahl AG fusionierte. Seit 2001 ist er der Aufsichtsratsvorsitzende der ThyssenKrupp AG - und in dieser Position war er an allen wesentlichen Entscheidungen beteiligt, die schließlich zur Fehlinvestition der Stahlwerke in Brasilien und den USA führten. Nun dürften nicht wenige Aktionäre die Frage stellen: Was und wie viel wusste Gerhard Cromme genau? Quelle: dapd
Berthold Beitz, 99, Vorsitzender der Krupp-Stiftung Er ist ein Urgestein bei Krupp, für das Unternehmen arbeitet er seit bald 60 Jahren. Im Jahr 1968 übernahm Beitz den Vorsitz des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Dieser Stiftung, in die das Kruppsche Privatvermögen überführt wurde, gehört wiederum 25,3 Prozent an Thyssen-Krupp. Beitz ist somit einer der mächtigsten Manager in der deutschen Wirtschaft. Als Vorsitzender der Stiftung unternimmt Beitz auch informelle Intervention im ThyssenKrupp-Konzern, gemeinsam mit Cromme bildet Beitz ein gehärtetes Duo, an dem keiner im Konzern vorbeikommt. Beitz gab eine Biographie heraus, die er vor Drucklegung absegnete. Infolgedessen ist fast nur Positives über ihn dort zu lesen, wenig Selbstkritisches. Eine überragende Position nimmt Beitz in der Nazizeit ein. Er ist zwar kein Widerstandskämpfer, rettet aber - ähnlich wie Oskar Schindler - hunderten von Juden das Leben, in dem er sie als Direktor der Kapathen-Öl in Russland anstellt und somit vor dem Tod bewahrt. Quelle: dpa
Heinrich Hiesinger, 52, Vorstandsvorsitzender der ThyssenKrupp AG Vor seinem Aufstieg in den Chefsessel der ThyssenKrupp Anfang 2011 war Hiesinger bei Siemens für den Sektor Siemens Industry zuständig. Bei ThyssenKrupp hat sich der Schwabe vorgenommen, die alten Seilschaften zu kappen und den Konzern nach den Maßstäben des Weltmarktes zu richten. Dafür möchte Hiesinger Kosten senken und die Effizienz steigern. Die Losung lautet: Weg vom Stahl und dafür mehr Industrie- und Anlagenbau, Aufzüge und Marineschiffbau. Quelle: dpa
Guido Kerkhoff, 44, Finanzvorstand der ThyssenKrupp AG Gemeinsam mit Konzern-Chef Hiesinger steht Kerkhoff vor der Aufgabe, ThyssenKrupp wieder auf Vordermann zu bringen. Vor seinem Managerposten bei ThyssenKrupp war er Mitglied des Vorstands der Deutsche Telekom AG, verantwortete die Region Süd- und Osteuropa und ab April 2010 die Region Europa. Als Finanzchef der ThyssenKrupp AG möchte er am operativem Geschäft teilnehmen und die hierarchische Kultur im Konzern abschaffen. Quelle: dapd
Bertin Eichler, 61, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der Thyssen Krupp AG, Vorstandsmitglied der IG Metall Eichler musste jüngst einräumen, dass er mit dem Aufsichtsrat von ThyssenKrupp auf Kosten des Unternehmens in der Ersten Klasse nach China, Thailand, in die USA und nach Kuba geflogen war. Sein Einwand: Es habe sich um dienstliche Reisen gehandelt. Eichler will sich zur Hauptversammlung im Jahr 2014 aus dem Aufsichtsrat zurückziehen. Zudem kündigte der Gewerkschafter an, die Differenz zwischen den Kosten der meist von Geschäftsreisenden benutzten Business-Klasse und der Ersten Klasse zu erstatten. Denn: „Es ist nicht alles richtig, was zulässig und üblich war“. Quelle: dpa
Diese Vorstandmitglieder mussten wegen der schweren Managementfehlern und Fehlinvestitionen auf Anordnung Crommes ihren Platz räumen: (von links nach rechts) Compliance-Vorstand Jürgen Claassen (54), Technologie-Vorstand Olaf Berlien (50) und Stahl-Vorstand Edwin Eichler (54).

Es war wohl abgewogene Politik der Stiftung, dass die Berufung von Susanne Henle in die Stiftung nicht nach außen kommuniziert wurde. Gerhard Cromme konnte froh darüber sein, denn die Spekulationen über eine Konkurrentin im mächtigen Stiftungskuratorium hätte seine damals übermächtige Rolle beschnitten. Nun wird der Name plötzlich in den Vordergrund geschoben. Geschickt: Beitz könnte so eine wirkliche Vertraute zur Nachfolgerin im Stiftungsvorsitz machen.

Das müsste allerdings die nordrhein-westfälische Stiftungsaufsicht genehmigen, die im Düsseldorfer Innenministerium angesiedelt ist und nicht bereit ist, Interna herauszugeben. Aber Beitz hätte in einem solche Genehmigungsverfahren eine mächtige Verbündete im Boot. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat Beitz ebenfalls ins Kuratorium berufen. Auch Frau Kraft hat ein Interesse daran, dass kein Machtvakuum am wichtigsten Arbeitgeber im Ruhrgebiet entsteht.

Für den Aufsichtsratsposten käme Ralf Nentwig in Frage, heißt es an Rhein und Ruhr. Nentwig hat eine lupenreine Controllerkarriere im Konzern hinter sich und wurde von Beitz in den Vorstand der Krupp-Stiftung berufen. Die Krupp-Stiftung ist einziger Großaktionär bei ThyssenKrupp (25,03 Prozent) und verfügt über ein Entsenderecht in den Aufsichtsrat. Nentwig wurde in seiner Eigenschaft als Stiftungvorstand auf der Hauptversammlung im Januar in den Aufsichtsrat von ThyssenKrupp berufen - als Nachfolger von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Nentwig gilt ebenfalls als enger Vertrauter von Beitz.

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