Thyssenkrupp Wie der einstmalige Stahlriese seine Probleme lösen will

Billige Stahlimporte aus China drücken die Preise, ein U-Boot-Deal ist geplatzt. Thyssenkrupp strauchelt. Was dem Konzern bleibt: Geschäftszweige verkaufen oder Fusionen eingehen.

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Quelle: dpa Picture-Alliance

Ohne Hitze, Rauch und flüssiges Metall kann sich Wilhelm Segerath seinen Arbeitgeber nicht vorstellen. „Thyssenkrupp ohne Stahl ist wie ein Wohnzimmer ohne Sofa“, sagt der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats. Wer die Hand an die Keimzelle des Unternehmens lege, müsse mit Widerstand rechnen.

Schaufelräder, Zementwerke und U-Boote
Künftig soll das reine Stahlgeschäft wie etwa die Produktion von veredelten Blechen für die Automobilindustrie nur noch 30 Prozent des Konzern-Geschäfts ausmachen. Dennoch bleiben Blechrollen wie diese ein Kernprodukt. Quelle: PR
Rolltreppen und Fahrsteige – etwa in Flughafen-Terminals – gehören ebenfalls zum ThyssenKrupp-Produktspektrum. Dieses Foto ist in einem Essener Einkaufszentrum aufgenommen worden. Quelle: PR
Allen Negativ-Schlagzeilen zum Konzern trotzt das Aufzuggeschäft von ThyssenKrupp. Vor allem starke Absatzzuwächse in Asien erfreuen das Unternehmen. Das Bild zeigt ein System mit zwei Kabinen in einem Aufzugschacht beim Einbau in der Essener Konzernzentrale Anfang 2010. Quelle: PR
Für die Automobilindustrie bietet ThyssenKrupp auch den Aufbau von Anlagen, die etwa automatisch Fahrwerke oder andere Komponenten einbauen. Quelle: PR
ThyssenKrupp setzt vermehrt auf Planung und Bau ganzer Chemie- und Industrieanlagen. Im Bild ein Zementklinkerwerk im Senegal. Quelle: PR
Dieses Schaufelradladgeärt steht im Hafen von Rotterdam und wird zur Verladung von Eisenerz eingesetzt. Geliefert wurde es von der ThyssenKrupp-Sparte „Plant Technology“. Quelle: PR
Großwälzlager von ThyssenKrupp kommen etwa in Kränen zum Einsatz, die schwere Lasten bewegen. Quelle: PR

Heinrich Hiesinger beeindruckt das wenig. Der Thyssenkrupp-Chef treibt den Zusammenschluss der deutschen Stahlwerke mit denen des indischen Konkurrenten Tata Steel in den Niederlanden voran.

Der Stahlmarkt leidet unter Überkapazitäten, billige Importe aus China drücken die Preise. In seinen europäischen Stahlwerken fiel der Gewinn von Thyssenkrupp im Halbjahr um 40 Prozent auf 115 Millionen Euro, die brasilianischen Werke schreiben tiefrot. Sollte die Abspaltung des Stahls gelingen, wäre das für den mit knapp fünf Milliarden Euro verschuldeten Konzern aber nicht die Lösung aller Probleme. Auch das Geschäft mit Aufzügen und der U-Boot-Bau harren einer Lösung.

Mit 3,6 Milliarden Euro trugen Fahrstühle und Rolltreppen im ersten Halbjahr genauso viel zum Konzernumsatz bei wie die Stahlproduktion in Europa, der Gewinn nach Steuern und Abschreibungen legte um zwölf Prozent gegenüber Vorjahr zu.

Welche Kennzahlen ThyssenKrupp-Chef Hiesinger verbessern will

Das Geschäft gilt als stabil und liquiditätsstark, es ist der zentrale Baustein von Hiesingers Zukunftskonzept. Problem: Hinter dem US-Hersteller Otis und Schindler aus der Schweiz rangiert Thyssenkrupp derzeit weltweit nur auf Platz drei. Während die beiden Marktführer eine Umsatzrendite von 15 Prozent schaffen, liegt der Essener Konzern nur bei elf. Eine Übernahme, in deren Folge Kostensynergien gehoben werden, könnte Thyssenkrupp gleich mehrere Etagen nach oben befördern.

Logischer Kandidat wäre die globale Nummer vier: Kone aus Finnland, die zuletzt mit Fahrstühlen und Automatiktüren jährlich 8,6 Milliarden Euro umsetzten. Ende 2015 hat Kone nach Informationen der WirtschaftsWoche in Essen angeklopft. Die Konzerne könnten ihr Aufzuggeschäft zusammenlegen, Kone sollte dabei die operative Führung übernehmen. Vorstand und Aufsichtsrat von Thyssenkrupp lehnten deshalb die Offerte ab. Sie wollen bei einer Fusion selbst das Sagen haben.

Verkauf des Geschäfts mit Kriegsschiffen?


Mehr Größe und Effizienz könnten Enttäuschungen wie in der vergangenen Woche verhindern.

Da schnappte der Schweizer Wettbewerber Schindler den Essenern den begehrten Großauftrag für Aufzüge und Rolltreppen am neuen internationalen Flughafen in Istanbul weg.

Deutlich härter hat Thyssenkrupp die Niederlage bei einem anderen Großprojekt getroffen. Der Konzern hatte fest damit gerechnet, dass Australien bei ihm zwölf U-Boote im Gesamtwert von 35 Milliarden Euro bestellt. Doch Ende April ging der Auftrag an den staatlichen französischen Schiffbaukonzern DCNS.

Überlegungen zum möglichen Verkauf des Geschäfts mit Kriegsschiffen könnten damit neuen Auftrieb erhalten. Schon seit Ende 2014 würde der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall das Geschäft gerne übernehmen. Mit den kaum zu ortenden U-Booten U212 und U214 und der extrem wetterfesten Fregatte A-200 könnte sein Chef Armin Papperger das bisher stark auf Panzer ausgerichtete Waffenarsenal sinnvoll ergänzen.
Trotz hoher Erträge gilt die Sparte bei Thyssenkrupp als Ballast.

Der Verkauf von Waffen und vergangene Bestechungsskandale passen nicht zum von Hiesinger forcierten Image des sauberen Technologiekonzerns. Bislang haben unterschiedliche Vorstellungen über den Preis einen Abschluss verhindert. Rheinmetall wollte kaum mehr als eine Milliarde Euro zahlen, Hiesinger mindestens zwei Milliarden kassieren. Noch Anfang April soll er auf ein höheres Angebot aus Düsseldorf nicht mal geantwortet haben.

„Nach dem geplatzten U-Boot-Deal stellt sich nun die Frage, wer zuerst auf den anderen zugeht“, sagt ein Insider. Die Aussichten auf eine Einigung stünden gut. „Thyssenkrupp braucht das Geld, und die militärisch sensible Technologie kann eigentlich kein anderer als Rheinmetall übernehmen.“

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