Tom Enders Was Manager vom Airbus-Chef lernen können

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Enders verwandelt Gegeneinander in Miteinander

Enders hat aus dem Milliardenfiasko zu Beginn des Super-Airbus A380 gelernt, als Probleme in der Produktion teure Verspätungen bei der Auslieferung verursachten. Seitdem weiß er, wie wichtig ungefilterte Rückmeldungen aus der Belegschaft anstelle von Pseudoerfolgsmeldungen des mittleren Managements sind. „Weil Probleme bei Airbus wenn überhaupt verspätet oder gefiltert zu den Chefs drangen, will Enders genau wissen, woran es hakt und wie es besser gehen könnte“, sagt Shakeel Adam, Inhaber der Unternehmensberatung Aviado Partners aus Eschborn bei Frankfurt. Zu diesem Zweck ermuntert der Airbus-Chef Mitarbeiter sowie die Leser seines Blogs, ihm Kommentare und Mails zu schreiben. „Die beantwortet er, was viele erstaunt, sehr oft selbst sowie klar und deutlich, wie es seine Art ist“, sagt Airbus-Strategiechef Lahoud.

Diese offene Diskussion praktiziert Enders bis in die Vorstandssitzungen. „Tom will vor einer Entscheidung alle Aspekte beleuchten und ruht erst, wenn er das geschafft hat“, sagt Bernhard Gerwert, Leiter der Airbus-Rüstungs- und Raumfahrtsparte. Trotzdem dauern die Sitzungen nicht länger. „Früher wurde gerne eine Agenda voller vorab ausgetüftelter Kompromisse, Pro-forma-Wortmeldungen und langer Präsentationen abgearbeitet“, sagt Airbus-Finanzchef Harald Wilhelm. „Jetzt wird wirklich diskutiert, bis wir eine Sache endgültig im Team entscheiden.“ Allerdings verlangt Enders, dass alle Teilnehmer Entscheidungen mit Leib und Seele mittragen.

Diese deutschen Konzerne bewaffnen die Welt
Platz 10: Renk Die Augsburger Firma mit ihren rund 1900 Mitarbeitern liefert Getriebe für Schiffe, Lastwagen und Panzer, darunter das Prestigeprojekt von Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann, den Schützenpanzer „Puma“ (Bild). Im Rüstungsgeschäft fiel bei Renk ein Jahresumsatz von 158 Mio. Euro an. Quelle: dpa
Platz 9: Heckler & Koch Eines der verschwiegensten Unternehmen in Deutschland ist Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar. Der Mittelständler mit seinen insgesamt 650 Mitarbeitern ist bekannt für seine präzisen Handfeuerwaffen, von Dienstpistolen für Polizisten weltweit (im Bild: Walther P99) über die Gewehre G3 und G36 bis zur Maschinenpistole MP5. Heckler & Koch, der das meiste exportiert, kommt auf einen Rüstungsumsatz von 180 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 8: Tognum Das Unternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee mit rund 8700 Mitarbeitern stellt neben Antrieben für zivile Zwecke auch Dieselmotoren für Panzer, Lastwagen und Schiffe her - etwa für die Fregatte Sachsen (im Bild). Hervorgegangen ist die börsennotierte Firma 2006 aus der Ex-Daimler-Tochter MTU Friedrichshafen. Der Defense-Bereich trägt etwa ein Zehntel zum Gesamtumsatz bei, wobei die Rüstungseinnahmen bei 180 Mio. Euro liegen. Quelle: dpa
Platz 7: Atlas Elektronik Die Bremer Firma mit ihren rund 1900 Mitarbeitern ist auf Marinetechnik spezialisiert und liefert hauptsächlich Torpedos (im Bild: „Heavyweight Torpedo“), Seeminenräumgeräte und Navigationstechnik sowie elektronische Systeme, darunter Sonargeräte für U-Boote. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Rüstungsgeschäft. Damit erzielt Atlas Elektronik einen Jahresumsatz von 366 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 6: MTU Aero Engines MTU Aero Engines aus München (7600 Mitarbeiter) baut Flugzeugtriebwerke, unter anderem für den Kampfjet Eurofighter (das Bild zeigt ein Flugzeugtriebwerk TP400-D6). Daneben gehört MTU mit General Electric, Pratt & Whitney und anderem zum Verbund Engine Alliance, der Triebwerke für die Airbus A380 herstellt. Der Rüstungsumsatz liegt bei 640 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 5: Diehl Die Lenkwaffe Iris-T des Nürnberger Diehl-Konzerns gilt derzeit weltweit als präziseste Rakete für Kampfflugzeuge. Sie hängt an beinahe allen Militärjets der neuesten Generation - ob Eurofighter, Tornado, der schwedischen Saab Gripen oder den amerikanischen Jets F-16 und F-18. Der Diehl-Konzern, der neben Raketen auch Munition, Panzerketten und Schutzsysteme herstellt, kommt auf einen Rüstungsumsatz von 1,16 Milliarden Euro. Insgesamt beschäftigt Diehl mehr als 12.000 Menschen. Quelle: ap
Platz 4: Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) TKMS ist 2005 aus der Fusion der Thyssen-Krupp-Werften und der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) entstanden. Die Reihen U 212 und 214 sind die Vorzeigeprodukte von HDW. Dank des Elektroantriebs, der den Strom von einer Brennstoffzelle erhält, sind die Boote so leise und damit vom Feind so schlecht auszumachen wie kaum ein anderes Modell. Neben U-Booten baut TKMS auch Fregatten und Minenräumschiffe. Der Konzern kommt mit seinen knapp 8000 Mitarbeitern auf einen Rüstungsumsatz von 1,34 Milliarden Euro. Quelle: dpa

Das frühere Gegeneinander verwandelte Enders in ein Miteinander, indem er seinen direkt Unterstellten (im Konzernjargon „minus 1s“) mehr Verantwortung sowie Freiheit bei der Umsetzung von Projekten gibt. Auf diese Weise hat er zum Beispiel den Chef der Ziviljetsparte, Fabrice Brégier, für sich gewonnen. Der Franzose hätte sich laut Insidern vor zwei Jahren selbst die Konzernführung zugetraut. Um ihn zu halten, gab ihm Enders die Zuständigkeit für den neuen A350-Jet, der Airbus’ Rolle im Langstreckengeschäft sichern soll. Unter Enders genössen Top-Manager „hohes Zutrauen“, sagt Finanzchef Wilhelm. Stimme die Leistung nicht, sei das aber „auch schnell aufgebraucht“, und der Betroffene könne sich einen neuen Job suchen.

Gleichwohl erwartet Enders nicht Ergebnisse um jeden Preis. Fast ebenso wichtig sind ihm fairer Umgang und Zusammenarbeit über die Grenzen des eigenen Teams. Um dies zu befördern, hat Enders 2500 Sport- und sonstige Events aufgelegt, um den Teamgeist zu stärken. Jeder Mitarbeiter muss sich vor seiner Beförderung einem Test stellen, bei dem hochrangige Manager und Experten von außerhalb des Konzerns prüfen, ob der Kandidat zum Chef und Teamplayer taugt. Zudem bietet Airbus neben dem klassischen Aufstieg noch eine Expertenkarriere, bei der besonders talentierte Ingenieure und Spezialisten eigene Felder in der Forschung und Entwicklung ohne große Personalverantwortung erhalten.

Mit dem Kick von draußen

Seit Enders Airbus regiert, macht er den Konzern trotz seiner vier Heimatländer Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien noch internationaler und vielfältiger. Dazu muss Personalchef Baril bevorzugt Mitarbeiter aus anderen Ländern und Branchen suchen. „Das bringt uns neben neuen Ideen vor allem ein Ende der deutsch-französischen Gegensätze und animiert sogar die etwas egomanen Absolventen französischer Eliteschulen zu mehr Kreativität und Teamgeist“, meint ein Insider.

Den Kick von draußen braucht Enders auch, um die Produktion zu globalisieren. Hubschrauber und Passagierflugzeuge werden bereits in Übersee gebaut. Nun soll die Rüstungssparte folgen und statt heute ein Viertel künftig gut 40 Prozent ihrer Einnahmen außerhalb Europas erzielen. Dazu wird Airbus Töchter etwa in Brasilien, Singapur oder Indien gründen und dort bis zu 10 000 Leute beschäftigen. „Heute erwarten die Auftraggeber bei einer Bestellung im Gegensatz zu noch vor fünf Jahren nicht nur eine Produktion, sondern auch eine Entwicklung der Produkte vor Ort“, sagt Spartenchef Gerwert. „Und wir sollen auch in der Lage sein, bestimmte Märkte aus diesen Ländern heraus zu bedienen.“

Ob Enders’ Kulturwandel ausreicht, um Airbus ausreichend zu stärken, will niemand beschwören. Doch auf dem richtigen Weg sehen ihn alle. „Enders hat das Eis gebrochen“, sagt Experte Schulte. „Auch wenn die Fahrrinne gelegentlich frei gehalten werden muss, ist das Gröbste wohl geschafft.“

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