Trump gegen Boeing Attacke auf die Air Force One

Donald Trump greift Boeing wegen angeblich überzogener Preise für den neuen Präsidenten-Flieger an. an. Aber will er wirklich Steuergelder sparen – oder eher alte Rechnungen begleichen?

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Die aktuellen Präsidentenmaschinen müssen bald ausgetauscht werden. Quelle: AFP

San Francisco Es begann wie so oft mit einem simplen Tweet. „Boeing baut eine brandneue 747 Air Force One für künftige Präsidenten, aber die Kosten sind außer Kontrolle, mehr als vier Milliarden Dollar. Vertrag auflösen!“, twitterte der Präsident im Wartestand, Donald Trump, völlig unvermittelt am Dienstag.

Verdutzt rieb sich das politische Washington die Augen, aber auch Corporate Amerika war verwirrt. Was geht denn hier ab? Kurz darauf kam Trump mit dem Fahrstuhl aus seiner Luxussuite im New Yorker Trump Tower in die Lobby geschwebt und legte noch mal kurz nach: „Boeing hat da wohl ein wenig mit den Zahlen gespielt. Wir wollen, dass Boeing Geld verdient, aber nicht so viel.“

Boeing selbst war ebenfalls völlig überrascht. „Wir haben lediglich einen Vertrag über 170 Millionen Dollar mit der Luftwaffe“, hieß es aus der Zentrale in Seattle. In diesem Rahmen werde erarbeitet, wie die beiden neuen Flugzeuge, denn es gibt zwei identische Air Force One, ausgestattet werden müssen. Die Planungen liegen bei rund drei Milliarden Dollar für das gesamte System.

Das Verteidigungsministerium scheint die geplante Indienststellung 2024 aber vorziehen zu wollen, da die derzeitigen 25 Jahre alten 747-200 extrem teuer in Wartung und Unterhalt geworden sind. Es sind die letzten 747-200, die in den USA überhaupt im Dienst sind. Die Nachfolger werden mit dem Modell 747-8 gebaut und eine um 1600 Kilometer erweiterte Reichweite haben. Die Planungen begannen Anfang 2015.

Etwas irritiert zeigte sich auch Josh Earnest, Sprecher von Noch-Präsident Barack Obama. Die zitierten Statistiken, erklärte er Reportern an Bord der Air Force One, würden wohl „nicht so ganz den Stand der Vereinbarungen zwischen Boeing und der Regierung“ widerspiegeln. Im März hatte das Government Accountability Office, eine Art Überwachungsorgan des Kongresses für Regierungsausgaben, das gesamte Projekt mit 3,2 Milliarden Dollar bewertet.

In den Social-Media-Kanälen brodelt die Gerüchteküche. Trump wolle dem Steuerzahler nur viel Geld ersparen. So sei er halt, frohlockten Trump-Unterstützer. Er wolle bloß seinen eigenen Boeing-757-Jet an die Luftwaffe vermieten und mit Steuergeldern zur fliegenden Präsidenten-Festung ausbauen lassen, mutmaßten Gegner. Wenn er nach vier Jahren abtrete, könne er den veredelten Flieger dann wieder mitnehmen.


Gezielter Schuss auf Boeing?

Überhaupt sei das Ganze für ihn ein gefahrloses Spiel: Er wird während seiner ersten Amtszeit ohnehin mit dem „alten Hund“ von Barack Obama durch die Luft gondeln müssen. Gegenüber seinem eigenen Luxusflieger sei der sowieso in jeder Hinsicht „ein Rückschritt“, hatte er schon im Sommer in Interviews beklagt.

Dann klärte sich so langsam die Luft. Keine Stunde, bevor der Boeing-Tweet das digitale Licht der Welt erblickte hatte, war der Vorstandschef des Konzerns in einem Stück in der „Chicago Tribune“ mit milder Kritik an Trumps Chinapolitik zitiert worden. Dennis Muilenburg hoffte, Trump werde sich in seiner China-Rhetorik etwas zurücknehmen und weniger drohen und dafür eine starke Position in laufenden Verhandlungen über Handelsabkommen einnehmen. Wenn die USA die Regeln nicht vorgeben würden, heißt es in dem Artikel, dann würden die anderen die Regeln schreiben.

Trump oder sein Team haben nie zugegeben, dass der Artikel Hintergrund des ansatzlosen 747-Tweets gewesen sei. Doch es würde in das Muster der Kommunikation des künftigen US-Präsidenten passen, der gerne aus heiterem Himmel auf echte oder vermeintliche Angriffe mit einer blitzschnellen Twitter-Attacke reagiert.

Der ultrakonservative Radiomoderator Rush Limbaugh geht in seiner Radioshow noch weiter und mutmaßt, der Angriff sei ein gezielter Schuss gewesen und werde nicht der letzte sein. Die Verärgerung gehe zurück auf viele Gelegenheiten, in denen Boeing die Clintons in Wahlkämpfen unterstützt, für deren Stiftung gespendet oder sie für hohe Gagen als Redner verpflichtet habe. Alleine Bill Clinton soll für 220.000 Dollar, gesponsert von Boeing, gesprochen haben. Als Außenministerin hätte Hillary Clinton geholfen große Auslandsaufträge unter anderem in Indonesien und Russland sicherzustellen.

Für Donald Trump, der bald die Verhandlungen über die nächsten Air Force One überwachen wird, geht es natürlich nicht darum, wirklich Boeing den Auftrag zu entziehen und das „fliegende Weiße Haus“ von Airbus oder Tupolew bauen zu lassen. Aber er hat jetzt, ohne harte Fakten zu präsentieren, eine Zahl von vier Milliarden Dollar in die Welt gesetzt, die nun am Ende mit Sicherheit unterschritten werden wird. Und wer hat dann Boeing als Anwalt des kleinen Mannes in die Schranken verwiesen? Donald Trump.


Kein Jumbo von der Stange

Sicherheits- und Luftfahrtexperten betonten am Dienstag im US-Fernsehen, dass die fliegende Kommandozentrale der USA nicht irgendein Jumbo von der Stange sei, die mit etwas Technik aufgerüstet wird. Die beiden Maschinen sind autarke Einheiten, die selbst in einem nuklearen Szenario noch lange sicher unterwegs sein können. Sie haben ausgefeilte Sicherheitstechnik, über die nicht viel geredet wird. Aber das reicht von spezieller Kommunikations- und Tarntechnik bis zur Abwehr und Verwirrung von anfliegenden Raketen.

Trotzdem könnte eine anhaltende Verstimmung zwischen Boeing und der Regierung negative Konsequenzen nach sich ziehen. Der Bereich Verteidigung, Raumfahrt und Sicherheit bedeutete im abgelaufenen Jahr für Boeing ein Umsatz von zusammen 30 Milliarden Dollar, ein Minus von zwei Prozent zum Vorjahr. Neben Raumfahrtaufträgen und Subventionen baut Boeing zum Beispiel auch die Lufttanker KC 135 für die Luftwaffe.

Trump hat zwar versprochen, Kürzungen durch die Obama-Regierung im Militärbereich zurückzunehmen. Aber das heißt noch lange nicht, dass Boeing davon profitiert. Seine Boeing-Aktien jedenfalls hat Trump im Juni restlos verkauft, teilte einer seiner Sprecher am Dienstag mit.

Leiden könnten auch andere Rüstungsunternehmen, Lockheed Martin etwa: Das Rüstungsunternehmen streitet seit anderthalb Jahren über die Finanzierung von weiteren 160 F-35-Kampfflugzeugen, aber das Pentagon will die Preise nicht mehr akzeptieren. Ein jüngst gefundener Kompromiss über 6,1 Milliarden Dollar für zunächst 57 F-35 wurde vom Unternehmen ungewöhnlich offen kritisiert und man denke über eine Klage vor Gericht nach.

Aber Lockheed sollte vielleicht doch lieber jetzt noch abschließen. Der Konzern hat es noch nicht mit dem Autor des Buches „The Art oft he Deal“ zu tun gehabt – Donald J. Trump.

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