Übernahme Bayer/Monsanto Massive Proteste gegen Gift und Gene

Es wird die turbulenteste Hauptversammlung in der Geschichte von Bayer. Öko-Gruppen machen Front gegen die Übernahme von Monsanto. Doch auch viele treue Bayer-Aktionäre haben kritische Fragen.

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Protest gegen Bayer und Monsanto am 11.10.2016 in Leverkusen Quelle: dpa

Mehrere hundert Teilnehmer werden am Freitag zur Demonstration unter dem Motto „Stopp Bayer/Monsanto“ vor dem World Conference Center in Bonn erwartet; unter anderem haben sich die Grünen-Politiker Renate Künast und Anton Hofreiter als Redner angesagt. Und auch drinnen, im Versammlungssaal, wird es hoch hergehen. Öko-Gruppen machen Front gegen die Übernahme von Monsanto – sie protestieren gegen Gift und Gene.

Gegen die zunehmende Monopolisierung der Landwirtschaft – künftig werden nur noch wenige Agrarkonzerne über den Anbau von Pflanzen bestimmen. Gegen Glyphosat, das angeblich krebserregende Pflanzenschutzmittel von Monsanto. Gegen Gen-Saatgut und genverändertes Essen. Und gegen die rabiaten Methoden des US-Konzerns beim Umgang mit Landwirten. 

Schon früher hatten viele kritische Aktionäre die Bayer-Hauptversammlung als Forum genutzt, um den Konzern zur Verantwortung zu ziehen – etwa für mutmaßliche Medikamenten-Nebenwirkungen, Bienensterben und Gefahren durch Chemikalien. Doch diesmal dürfte die Hauptversammlung alles in den Schatten stellen – nachdem Bayer-Chef Werner Baumann im vergangenen Herbst die 66 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Monsanto angekündigt hat – die freilich noch von den Wettbewerbsbehörden genehmigt werden muss.

Es sind jedoch nicht bloß die kritischen Aktionäre, die sich heftig zu Wort melden werden. Auch professionelle Anleger und Kleinaktionäre haben jede Menge Fragen. So will etwa der Rechtsanwalt Marc Tüngler, der den größten deutschen Aktionärsverein DSW vertritt, wissen, wie es im Pharmageschäft weitergeht – schließlich hätte gerade die Medikamenten-Sparte Bayer in den vergangenen Jahren groß und wertvoll gemacht. Mit der Übernahme von Monsanto konzentriert Bayer seine Mittel aber nun vorwiegend auf die Landwirtschaft.

Joachim Kregel von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre möchte erfahren, wie Bayer die Verschuldung wieder zurückfahren will – für den Monsanto-Deal nimmt der Leverkusener Konzern rund 40 Milliarden Euro neue Schulden auf. Bereits durch die Übernahme des rezeptfreien Arzneimittel des US-Konzerns Merck & Co. seien die Schulden hochgetrieben worden. Viele der Merck-Medikamente, etwa gegen Allergien oder zum Schutz vor Sonne, haben sich inzwischen aber doch nicht als so schlagkräftig erwiesen wie erhofft. 

Personalie sorgt für Aufruhr

Auch bei Monsanto fordert Kregel noch „signifikante Verbesserungen. 2016 kämpfte der US-Konzern mit einem Gewinneinbruch – angesichts dessen habe Bayer zu teuer gekauft, sagt Kregel: „Es kommt nun darauf an, wie Monsanto sich künftig schlägt. Bislang scheinen die Geschäfte wieder besser zu laufen.“

Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment, beklagte bereits im Vorfeld die „katastrophale Kommunikation“ von Bayer. Der frisch gekürte Vorstandschef Werner Baumann hatte bis dahin den Eindruck erweckt, vor allem organisch wachsen zu wollen. Entsprechend wurden die Aktionäre von der Übernahme kalt erwischt – der Bayer-Kurs stürzte erst einmal ab.

Speich spricht auch von „Reputationsrisiken“ durch die Monsanto-Übernahme, obwohl er den Deal grundsätzlich befürwortet. Der Fondsmanager fordert Bayer weiterhin auf, nicht gegen die EU-Kommission zu klagen, die ein Verbot bestimmter Pflanzenschutzmittel prüft, die angeblich für das Bienensterben verantwortlich sind: „Angesichts der Bedeutung von Bienen für das Ökosystem fordern wir einen Verzicht auf rechtliche Schritte. Setzen Sie sich stattdessen stärker für Artenvielfalt und Umweltschutz ein“, appelliert Speich an die Adresse des Managements.

Der Corporate-Governance-Experte Christian Strenger beklagte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass bei „so weitreichenden Aktionen“ die Aktionäre nicht gefragt werden. Die Bayer-Anteilseigner werden nicht formell um ihre Meinung zur Übernahme gebeten – das deutsche Aktienrecht fordert dies auch nicht. Anders in den USA: Dort haben die Monsanto-Aktionäre darüber abgestimmt, ob sie sich von Bayer übernehmen lassen wollen – und sich dann mit überwältigender Mehrheit dafür entschieden.

Und dann sorgt noch eine Personalie für Aufruhr: Das Aufsichtsratsmitglied Paul Achleitner, im Hauptberuf Aufsichtsratschef der krisengeschüttelten Deutschen Bank, stellt sich zur Wiederwahl in das Gremium. Obwohl die Bayer-Regularien vorsehen, dass ein Aufsichtsratsmitglied maximal fünfzehn Jahre dabei sein kann. Diese Grenze überschreitet Achleitner nun. Man könne doch nicht eine Regel einführen und dann gleich beim ersten Mal brechen, heißt es etwa bei der Deka-Bank.   

Es gibt viel zu reden auf der Hauptversammlung. Zuvor konnte Konzernchef Baumann die Aktionäre immerhin mit guten Zahlen erfreuen: Im ersten Quartal stieg der Bayer-Umsatz um zwölf Prozent auf 13,2 Milliarden Euro, der bereinigte Betriebsgewinn kletterte um 15 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro – vor allem aufgrund eines florierenden Pharmageschäfts.

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