Übernahmepoker um Pfeiffer Vacuum Showdown in Wetzlar

Bei der Hauptversammlung von Pfeiffer-Vacuum drehte sich alles um das Übernahmeangebot des Konkurrenten Busch und die umstrittene Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat. Eine hitzige Debatte mit ungewöhnlichen Rednern.

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Die Vakuumpumpen von Pfeiffer werden unter anderem bei der Beschichtung von Spiegeln, der Verpackung von Lebensmitteln und zur Oberflächenbehandlung von Funktionskleidung eingesetzt. Quelle: dpa

Wetzlar Hauptversammlungen des Tec-Dax-Unternehmens Pfeiffer Vacuum sind normalerweise ruhige Veranstaltungen mit 300 Aktionären. Sie beginnen in der Wetzlarer Stadthalle am Rande der malerischen Altstadt erst um 14 Uhr und sind dann auch meist nach zwei Stunden vorbei. Aber normal ist bei dem Hersteller von Vakuum-Pumpen nichts mehr, seit der Konkurrent Busch, zugleich größter Aktionär mit 30 Prozent, zu Jahresbeginn ein Übernahmeangebot gemacht hat.

Vorstand und Aufsichtsrat wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Avancen aus Baden. „Das von 96,20 auf 110 Euro je Aktie erhöhte Angebot ist nicht angemessen und bietet keine angemessene Kontrollprämie“, sagte Pfeiffer-Vorstandschef Manfred Bender vor dem Aktionärstreffen. Im Übrigen liege der aktuelle Kurs bei 124 Euro. Das Unternehmen ist damit derzeit mit deutlich über einer Milliarde Euro bewertet.

Die Fronten sind verhärtet. Am Vorabend der Hauptversammlung traf sich Bender eine Stunde lang mit Familie Busch. Es war erst das zweite direkte Gespräch. Als „Arbeitstreffen“ bezeichnete der Vorstandschef die Zusammenkunft schmallippig. Zu Verhandlungen sei es nicht gekommen. „Ich weiß gar nicht, was wir verhandeln sollten.“ In seiner Rede empfiehlt er den Aktionären das Angebot nicht anzunehmen – unter tosendem Beifall. Viele Aktionäre wünschen sich zumindest einen höheren Preis oder empfinden die Offerte als feindlich und unerwünscht.

Der familiengeführte Vakuumpumpen-Spezialist mit seinen drei Gesellschaftern der zweiten Generation Sami (43) , Kaya (42) und Ayla Busch (47) hatte immer wieder die mangelnde Kommunikation mit dem Pfeiffer-Vorstand bemängelt und durchgedrückt, dass mit den Aktionären auf der Versammlung über das Übernahmeangebot diskutiert wird.

Die Geschwister schicken die Schwester vor, Ayala Busch. Sie versuchte als erste Rednerin für das Angebot der Badener zu werben. „Das Angebot ist sehr gut. Das Angebot ist fair“, sagt die 47-jährige geschäftsführende Gesellschafterin. Sie erntet damit Gelächter und Buhrufe der Kleinaktionäre. Den Aufsichtsratschef und Versammlungsleiter muss sie erst einmal bitten wieder zur Ordnung zu rufen. „Lassen Sie Frau Busch bitte ausreden, dann kommt sie auch schneller zum Ende“, sagte Aufsichtsratschef Michael Oltmanns. Die etwas ungewöhnliche und parteiisch anmutende Versammlungsleitung hat wohl ihren Grund: Denn die zierliche Frau im Hosenanzug und mit roter Bluse wirbt bei den Anteilseignern nicht nur um die Annahme der Offerte. Die Familie bläst auch zum Großangriff gegen den Aufsichtsratschef: Sie kritisiert die 16-jährige Amtsdauer des Aufsichtsratschefs Michael Oltmanns und dessen geschäftliche Verquickung mit Pfeiffer über seine Anwaltskanzlei. Sie wirft ihm „fehlende Unabhängigkeit“ vor. So habe die Kanzlei von Oltmanns die kartellrechtliche Stellungnahme für Pfeiffer Vacuum erarbeitet und gegenüber der Kartellbehörde vertreten – für Busch eine bewusst nicht neutrale Position. Und die Familie macht ernst. Sie hat die Einzelentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat beantragt. Erklärtes Ziel ist es, Oltmanns durch ein Familienmitglied an der Spitze des Aufsichtsrats zu ersetzen.

Im Verlauf der Diskussion rechtfertigt sich Oltmanns, es gehe gar nicht um ihn als Person. Schließlich sei er als Aufsichtsratschef auch von den Buschs im vergangenen Jahr gewählt worden. „Es geht nur darum mich zu isolieren, um den Aufsichtsratsvorsitz zu übernehmen.“

Vorstandschef Bender kartet nach: „Ein Aufsichtsratschef Sami Busch wäre sicherlich nicht unabhängig.“ Busch wolle sich nur Zugang zu Hochtechnologien verschaffen. Am Rande des Aktionärstreffen hatte der Manager zuvor ausgeführt, er befürchte Nachteile für Pfeiffer Vacuum, wenn Busch das Sagen hätte. Es könnte zu Interessenskonflikten kommen, sollte der Wettbewerber etwa wie angestrebt den Aufsichtsratsvorsitz erhalten. Es wird mit härtesten Bandagen gekämpft.

Das bislang eher verschwiegene südbadische Familienunternehmen hat sich mit Hering Schuppener für die Operation Pfeiffer nicht nur professionelle Hilfe in der Kommunikation an die Seite geholt, sondern auch Christoph Seibt, Partner der internationalen Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer. Der Experte in Gesellschaftsrecht erklärte den Aktionären im Detail, warum Oltmanns Rolle gegen Corporate-Governance verstößt: „Sie sind als Versammlungsleiter ungeeignet.“ Der Aktionärsvertreter von der DSW sowie einige Kleinaktionäre schlossen sich der Kritik an.

Die Sympathien für und gegen Busch wogen auf der Versammlung hin und her. Einige warben für mehr Fairness gegenüber Busch. Ein anderer wiederum warf der Familie Busch vor, die Atmosphäre verpestet zu haben: „Den Vorstandschef morgens um sieben anzurufen und ihm zu sagen, dass man ein Übernahmeangebot gemacht hat, hat keinen Stil.“


Pfeiffer peilt kräftige Zuwächse an

Beide Firmen sind mit rund einer halben Milliarde Euro Umsatz in etwa gleich groß. Die Basis für den Erfolg der Firma Busch hatte Gründer Karl, heute 87, mit der Entwicklung der R5 Vakuumpumpe im Jahr 1963 gelegt. Eine Pumpe zum Verpacken von Lebensmitteln. Auch heute ist das noch der Hauptmarkt für Busch. Viele Verpackungen von Wurst und Käse kommen von Bosch. Dort beträgt der Marktanteil der Buschs 70 Prozent. Das Unternehmen profitiert vom Boom der Frischetheken in Discountern. Luftleere Verpackungen verlängern die Haltbarkeit. In Maulburg im äußersten Südwesten Deutschlands entstand über Jahrzehnte mit kontinuierlichem Wachstum ein Konzern mit mittlerweile 3.000 Mitarbeitern.

Busch und seine türkische Ehefrau Ayhan führten das Unternehmen mit harter Hand – und ohne die Übernahme von Tarifverträgen. Seit einigen Jahren sind die drei Kinder mit den Eltern in der Firmenführung vereint. Neben Sami haben auch Sohn Kaya, 42, und Tochter Ayla, 47, in Harvard studiert. Sami arbeitete vor seinem Einstieg ins Unternehmen für die Beratungsfirma Boston Consulting. Neben Englisch und Deutsch spricht er auch Spanisch, Französisch und Türkisch. Gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern zieht er jetzt die Strippen bei der Übernahme. In Wetzlar stehen die beiden Brüder vor Veranstaltungsbeginn artig in der Schlange. Sie haben sich noch mit zwei Wasserflaschen und Proviant eingedeckt. Drinnen gibt es nur Brezeln und Kaffee. Die Zeiten, dass sich die Buschs bei Pfeiffer hinten anstellen, könnte bald vorbei sein.

Mit der jüngsten Entwicklung ihres Übernahmeziels können die Buschs zufrieden sein. Im ersten Quartal legte das Übernahmeziel Pfeiffer starke Zahlen vor. Der Umsatz legte um ein Viertel auf 137 Millionen Euro zu. Das Ebit gar um 65 Prozent auf 21,4 Millionen Euro. Und es scheint so weiter zu gehen mit einem plus im Auftragseingang um ein Viertel auf 117 Millionen Euro, was einer Marge von über 15 Prozent entspricht. Pfeiffer-Chef Bender rechnet mit kräftigen Zuwächsen in diesem Jahr. Der Umsatz soll auf 520 bis 540 (Vorjahr: 474,2) Millionen Euro steigen. Das operative Ergebnis (Ebit) wie auch die Marge sollen „deutlich“ die Vorjahreswerte von 68 Millionen Euro und 14,3 Prozent übertreffen. Die Entwicklung soll sich laut Bender auch 2018 fortsetzen. Damit würde die eher magere Entwicklung in der ersten Hälfte der Dekade endgültig der Vergangenheit angehören.

Brisanz kommt zusätzlich in den Übernahmekampf, weil die Hessen anders als Busch den anspruchsvolleren Halbleiter-, Pharma- und Medizintechnik-Industrie beliefern. Pfeiffer-Pumpen werden beispielsweise im Teilchen-Beschleuniger Cern in der Schweiz eingesetzt. Die Übernahme erfolgt in einer Phase der Branchenkonsolidierung. So hat der schwedische Großkonzern Atlas Copco die beiden Spezialisten Edwards und Leybold gekauft.

„Am Weltmarkt brennt der Busch“, wies ein überraschender Redner hin. Wolfgang Dondorf, bis 2007 Chef von Pfeiffer, meldete sich als Redner. Der Ex-Chef übte herbe Kritik an der Verteidigungsstrategie von Vorstand und Aufsichtsrat: „Es ist ihre Pflicht, sich um alle Aktionäre zu kümmern, insbesondere auch um ihren Großaktionär.“ Dondorf setzte auch noch Nadelstiche gegen Bender und dessen im Vergleich zum Umsatz und Gewinn des Unternehmens überproportionale Gehaltsentwicklung. Benders Vertrag wurde vom Aufsichtsrat erst vor einem halben Jahr verlängert. Dondorf forderte mehr Respekt vor der Unternehmerfamilie Busch, die ja immerhin bereits 300 Millionen Euro in Pfeiffer investiert haben. Er kenne das Unternehmen sehr gut und habe früher mit Busch bereits sehr erfolgreich kooperiert.

Zum Showdown kommt es allerdings erst in einer Woche am 1. Juni. Dann läuft nämlich das Angebot für Pfeiffer ab.

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