Ulrich Lehner Die stille Macht am Rhein

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Teamgeist

Noch vor wenigen Jahren wäre Lehners Methode in deutschen Top-Konzernen undenkbar gewesen. Die großen, alten Männer der ehemaligen Deutschland AG, die sich durch Kapitalverflechtungen der Konzerne und Banken auszeichnete, handelten wie Autokraten. Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper etwa kungelte 1998 mit dem damaligen Daimler-Chef Jürgen Schrempp praktisch im Alleingang die Fusion mit dem US-Autobauer Chrysler aus, die neun Jahre später desaströs scheiterte.

Doch nach dem Zerfall der Deutschland AG vor gut zehn Jahren und dem Ausscheiden der alten Kempen änderte sich das. Inzwischen sorgt eine neue Riege Kontrolleure für ein neues Verständnis von Konzernaufsicht. Aus ihr ragt Lehner heraus. In gleicher Mission unterwegs sind aber auch Bayer-Chefkontrolleur Werner Wenning, seine Henkel-Kollegin Simone Bagel-Trah und Ex-Linde-Chef Wolfgang Reitzle, der den Reifenhersteller Continental beaufsichtigt. Sie alle stehen wie Lehner für Selbstbeschränkung, Teamgeist und den Willen, Konflikte sowohl im Aufsichtsrat als auch mit dem Top-Management zu lösen.

Skatrunde mit Werner Wenning, Hans-Michael Gaul und Sieghardt Rometsch

Auf diese Weise schmiedet Lehner eine Deutschland AG anderen Typs. Der Kitt, der ihre Mitglieder zusammenhält, ist nicht mehr das Aktienrecht, sondern das Persönliche und Informelle. So trifft sich Lehner vier Mal im Jahr mit Werner Wenning, Aufsichtsratsboss bei Bayer und E.On, zum Skat kloppen. Komplettiert wird die Runde vom früheren E.On-Finanzvorstand Hans-Michael Gaul und Sieghardt Rometsch, Vorsitzender des Aufsichtsrates beim Bankhaus HSBC Trinkaus & Burkhardt. Das Quartett, das sich mal bei Lehner im Wohnzimmer, mal bei Gaul im Garten einfindet, hat sich den Namen „GaWeLeRos“ gegeben.

Was an die spanischen Caballeros (Herren) erinnert, beinhaltet nichts anderes als die Anfangsbuchstaben der Nachnamen. „Lehner und ich sind eher auf der zahlenden Seite“, beschreibt Wenning die Runde. Geht es ums Fußball, dominiert dagegen der Bayer-Chefkontrolleur mit seiner Werkself: „Wenn Lehner von einer Sache keine Ahnung hat, dann ist es Fußball“, sagt Wenning augenzwinkernd.

Außerhalb der vier Wände verbindet sich Lehner mit Gleichgesinnten im Wege der körperlichen Ertüchtigung. An der Seite von Ex-BASF-Chef Jürgen Hambrecht überquerte er mit Rucksack, Steigeisen und Seil zwei Mal die Alpen, einmal von Norden nach Süden und einmal von Osten nach Westen. Die beiden gehören auch dem elitären Männerzirkel der Similauner an, die einmal pro Jahr unter Leitung von Bergsteiger-Ikone Reinhold Messner durch die Alpen kraxeln.

Alpenüberquerung

Lehner hätte es wohl kaum zum Aushängeschild an die Spitze der Bewegung gebracht, verfügte er nicht über eine ziemlich einzigartige Mischung aus Erfahrung, Qualifikation, Instinkt und Bodenständigkeit.

Die Volkstümlichkeit verdankt Lehner seiner Herkunft. Am 1. Mai 1946 als eines von vier Kindern eines Holzhändlers im Düsseldorfer Arbeiterstadtteil Bilk geboren, lernt er anzupacken. Er schleppt Holz, später schreibt er Rechnungen. Verständnis für Industrie und Technik tankt der Kleinbürgerspross nach dem Abitur an der Technischen Hochschule Darmstadt, wo er Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau studiert. Nach nur vier Jahren schließt er 1972 sein Studium mit einer Diplomarbeit über die „Auswirkung der Dienstdauervorschrift der Bahn auf Eisenbahnunfälle“ ab. „Ich bin damals schon ein ziemlich flotter Student gewesen“, sagt er. Und die Tiefen von Konzernbilanzen und Steuerrecht lernt Lehner nach einer kurzen Zeit als Uni-Assistent bei der Deutschen Treuhand-Gesellschaft in Düsseldorf kennen. Dort lässt er sich zum Steuerberater ausbilden und macht zwei Jahre danach noch den Abschluss als Wirtschaftsprüfer.

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