US-Berichtssaison Mit Alcoa startet das Quartal der Leiden

Die Wall Street bereitet sich auf eine tränenreiche Berichtssaison vor. Die Gewinne sinken wie seit 2009 nicht mehr. Aber es gibt Gründe für Anleger, die Flinte nicht so schnell ins Korn zu werfen. Jedenfalls noch.

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Ganz so heftig wie beim Alu-Konzern wird das Ergebnis nicht überall ausfallen. Quelle: dpa

San Francisco Der Auftakt der US-Quartalszahlensaison wird zum Fehlstart. Wie alle drei Monate machte der Aluminiumkonzern Alcoa den Auftakt. Und wenn deren Zahlen einen Trend für die kommenden Wochen vorgeben, dann steht der Wall Street – und damit indirekt auch den deutschen Börsen – einiges bevor. Im ersten Quartal 2016 hat Alcoa gerade mal noch sieben Cent pro Aktie verdient. Das ist deutlich weniger als die 0,28 Cent pro Aktie im Vergleichsquartal 2015. Analysten hatten zwar mit noch schlimmerem gerechnet, doch die Erleichterung währte nur kurz. Der Umsatz ist mit Minus 15 Prozent auf 4,9 Milliarden Dollar weit stärker eingebrochen als befürchtet. Der Nettogewinn kollabierte auf 16 Millionen Dollar nach 195 Millionen im Vorjahr. Aber immerhin eine Trendwende zum vierten Quartal 2015 ist zu erkennen. Ende des Vorjahres betrug der Verlust rund 500 Millionen Dollar.

Ganz so heftig wie bei Alcoa wird es sicherlich nicht überall ausfallen. Aber im Schnitt sagen die Analysten von Factset Research voraus, dass die Unternehmen aus dem S&P-500-Index im Schnitt 9,1 Prozent weniger Gewinn ausweisen werden. Es wäre damit das dritte Quartal in Folge mit einer negativen Entwicklung. Im Klartext: Die Gewinne der 500 größten Konzerne der USA sind rückläufig.

Praktisch alles was mit Rohstoffen zusammenhängt hat einen schlechten Lauf gehabt, allen voran der Energiesektor, wo Factset mit einem dramatischen Einbruch von 103,5 Prozent rechnet. Der Rückgang übersteigt die 100 Prozent, weil die Branche nach aggregiert zwölf Milliarden Dollar Gewinn im Vorjahr nun sogar einen Verlust von 485 Millionen Dollar ausweisen werde, so die Analysten. Metalle und Minen kommen ebenfalls auf ein Minus von 102 Prozent. Dieser Branche gehört Alcoa an.

Der vom früheren Siemens-Manager Klaus Kleinfeld gemanagte Konzern befindet sich seit Jahren in einer tiefgreifenden Umstrukturierung. Die fallenden Rohstoffpreise, eine Konjunkturverlangsamung in China und der starke Dollar sind derzeit die dominierenden Faktoren. Sonderbelastungen kamen zuletzt aus Werksschließungen. Angesichts der Lage denkt Kleinfeld über Entlassungen nach. Das passte der Wall Street gar nicht. Denn es zeigt, dass sich Alcoa auf eine längere Durststrecke einstellt. Nachbörslich fiel die Aktie um gut zwei Prozent. Auch der Dow-Jones-Index der 30 größten US-Unternehmen gab seine frühen Gewinne wieder ab und schloss leicht im Minus, ebenso der breiter gefasste S&P 500.


Alle Augen auf die Banken

Die Wall Street ist jetzt in Wartestellung. Der Anfang wurde am Montag gemacht und fiel wie erwartet aus. Die Frage ist nun: Kommt es noch schlimmer, oder gibt es vielleicht ein paar positive Überraschungen?

Von den Banken wird es diese wohl kaum geben. Der gesamte Finanzsektor leidet unter den anhaltenden Niedrigzinsen. Ende Dezember gingen die Analystenschätzungen noch von einem Gewinnwachstum von 1,5 Prozent im ersten Quartal aus, inzwischen wird ein Minus von 10,9 Prozent erwartet. Eine positive Nachricht ist in diesem Umfeld bereits, dass der Bankenriese Goldman Sachs nach einem Vergleich mit dem US-Justizministerium nicht mehr als die bereits bekannten 5,1 Milliarden Dollar für Schäden der Finanzkrise zahlen muss. Die Märkte goutierten das sogar mit einem kleinen Kursplus.

Das Problem bleibt der Zins und die Notenbank Fed hat in der vergangenen Woche wenig Hoffnungen auf Änderung gemacht. JPMorgan, Bank of America, Wells Fargo und Citigroup werden in der laufenden Woche berichten. Wichtige Punkte sind hier die Entwicklung des Hypothekengeschäfts und der Stand der Kredite im Energiesektor. In den jüngsten Quartalen wurden hier bereits teilweise hohe Rückstellungen gebildet. Die Frage ist, ob die Stabilisierung der Ölpreise im Bereich um 40 Dollar eine spürbare Entlastung gebracht hat. Eine Flaute bei Börsengängen und weniger Mega-Fusionen – gerade erst wurde eine 160 Milliarden-Übernahme im Pharmasektor abgeblasen – belastet ebenfalls. Hinzu kommen stärkere Regulierungen, die unter anderem die Eigenkapitalregeln betreffen.

Was bedeutet das für die Aktienkurse? Die Chancen stehen gut für eine moderate Reaktion auf negative Gewinnüberraschungen, solange sie nicht völlig aus dem Rahmen fallen. Denn der Bankensektor hat die Märkte in den vergangenen Wochen auf schlechtere Zahlen eingestimmt. Vielfach dürfte Geschäftsentwicklung in den Kursen bereits eingepreist sein.

Der S&P-500-Index hat am 11. Februar mit 1.810 Punkten sein bisheriges Jahrestief gesehen und sich seitdem wieder bis auf rund 2050 Punkte erholt. Dabei war während dieser Zeit das kommende Desaster-Quartal bereits für alle Branchen absehbar. 121 der 500 Unternehmen haben bislang Richtlinien für die zu erwartenden Gewinne herausgegeben, davon 94 mit negativem Vorzeichen. Das ist die zweitgrößte Zahl negativer Voraussagen seit 2006. Viele Analysten haben ebenfalls ihre Gewinnschätzungen nach unten angepasst. Die Messlatte liegt also bereits sehr niedrig.

Außerdem scheint die Börse bereits den Blick auf das zweite Halbjahr zu werfen. Das erste Quartal bewerten viele Analysten als den Tiefpunkt, im zweiten Quartal bremst sich der Gewinnverfall auf im Schnitt Minus 2,6 Prozent ab und dreht dann laut Factset auf plus 3,8 Prozent und elf Prozent in den folgenden Quartalen. Das wäre wichtig. Denn die gängige Börsenlehre geht davon aus, dass hinter einem echten Bärenmarkt mit Indexverlusten von 20 Prozent und mehr eine Rezession steckt.


Boom der Gesundheitsbranche wird zum Problem

Noch halten sich die Wirtschaftsexperten mit Hiobsbotschaften zurück. Doch ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt die Entwicklung der Weltwirtschaft und besonders der US-Konjunktur. Ende März jagte die Aussage der Notenbank von Atlanta den Anlegern einen Schauer über den Rücken. Hier werden die Erwartungen zum Bruttosozialprodukt praktisch täglich nach unten korrigiert. Das Wirtschaftswachstum wird derzeit auf nur noch 0,6 Prozent für das abgelaufene Quartal geschätzt.

Ein Alarmsignal wäre jede Abschwächung des Konsumentenvertrauens in den USA. Die privaten Haushalte sind mit Abstand die größten Treiber der US-Wirtschaft. Und ausgerechnet ein Bereich des Index' der mit besonders hohen Umsatzzuwächsen glänz, könnte dafür sorgen, dass in den Privathaushalten das Geld knapp wird. Die Gesundheitsbranche von Kliniken bis zu Dienstleistern und Technologieanbietern wird für das Quartal mit einemwahrscheinlichen Umsatzplus von 8,9 Prozent die zweitbeste Steigerungsrate nach der Telekomindustrie hinlegen. Und nach Untersuchungen des US-Kongresses sind die Kosten für die zehn am meisten verschriebenen Medikamente in den USA seit 2011 um 100 Prozent gestiegen.

Der Umsatz mit nur diesen zehn Medikamenten ist laut Gesundheitsministerium um 44 Prozent auf 54 Milliarden US-Dollar gestiegen, obwohl die Verschreibungen gleichzeitig um 22 Prozent gesunken sind. Die rapide steigenden Preise für Medikamente sind mittlerweile sogar ein heißes Thema im Wahlkampf in den USA. Das ändert nichts daran, dass sie als Kostenfaktor im Budget vieler Haushalte auflaufen und ein dickes Loch ins Konto reißen. Geld, was nicht mehr anderweitig investiert werden kann.

Unterm Strich ist die erhoffte Erholung der Unternehmensgewinne in der zweiten Jahreshälfte somit ein volatiler Hoffnungswert. Das durchschnittliche Kurs-Gewinnverhältnis auf Basis der geschätzten Gewinne der kommenden zwölf Monate liegt beim beim S&P.500 derzeit bei 16,7, was laut Factset über dem Zehn-Jahresschnitt von 14,2 liegt. Dieses Kursniveau wird schnell zur Überhitzungszone, wenn die Gewinne nicht im Jahresverlauf wieder steigen. Aber noch halten sich die Aktien relativ gut. Die hauchzarten Verluste im Dow-Jones am Montag mit 0,1 Prozent und im S&P-500 mit 0,3 Prozent sind nicht besorgniserregend. Noch.

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