USA verklagen Volkswagen Viel mehr als schmutzige Motoren

Die USA fahren dicke Geschütze auf und verklagen VW. Im Abgasskandal wird damit ausgerechnet das kleinste der Problemfelder zum aufwändigsten, umkämpftesten und wohl auch teuersten Fall für Volkswagen. Ein Kommentar.

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Die scharfe Wortwahl der US-Behörden lässt kaum Spielraum für Kompromisse. Quelle: dpa

Zufälle sehen wahrhaft anders aus. Am Mittwochmorgen deutscher Zeit sollte eigentlich eine neue Zeit für VW in den USA eingeläutet werden. Markenchef Herbert Diess wird dann auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas ein stromgetriebenes Auto präsentieren, dessen Bild um die Welt gehen sollte.

Der „E-Bulli“, wie ihn Fachmedien bereits nannten, soll eine Reichweite von 500 Kilometern haben, in drei Jahren schon auf den Markt kommen und die Amerikaner vor allem emotional treffen. Erinnert er optisch doch an Woodstock und Flower Power, als kein Auto so sehr die Lebenseinstellung der Hippies wiederspiegelte wie der Ur-Bulli T1.

Anderthalb Tage vorher erhielt die seit Monaten geplante Präsentation am Montagabend einen Dämpfer. Auch die US-Justiz reicht Klage gegen den Wolfsburger Autobauer wegen des Diesel-Skandals ein. Zusammen mit der Umweltbehörde EPA geht es jetzt um Milliarden an Strafe. Die scharfe Wortwahl lässt kaum Spielraum für Kompromisse.

Die Rede ist von irreführenden Informationen und fehlendem Willen zur Aufklärung. Den Wolfsburgern bleibt weiterhin nichts anderes übrig, als in der Öffentlichkeit Reue zu zeigen und die weiterhin intensive Zusammenarbeit mit den Behörden zu betonen.

Ausgerechnet der letzte und zahlenmäßig kleinste Fall der insgesamt drei großen Problemfälle wird damit zum aufwändigsten, umkämpftesten und wohl auch teuersten für Volkswagen. Für die rund 8,5 Millionen Fahrzeuge in Europa sind Lösungen in Sicht. Auch den möglichen Skandal um zu hohe CO2-Werte bekam man relativ zügig in den Griff. Es bleiben die weniger als 600.000 Autos, die in den USA mit manipulierten Stickoxidwerten verkauft wurden und für die nun eine Lösung gesucht wird.

In Europa genügte dafür ein Update der Software. In den USA sind die Vorgaben für Stickoxidwerte nach der Vorschrift BIN 5 strenger als bei der Euro 6 hier. Die Situation ist verfahren.


Umweltbehörden wollen mit Skandal Punkte sammeln

Was in Wolfsburg als intensive Zusammenarbeit bezeichnet wird, werten die US-Behörden als unkooperatives Verhalten. Da der Austausch hinter verschlossenen Türen und dazu noch auf sehr spezialisierter Fachebene stattfindet, ist eine seriöse Aussage nicht möglich, wer hier näher an der Realität liegt.

In der öffentlichen Meinung nehmen die US-Behörden als diejenigen, die den Skandal aufgedeckt haben, ohnehin weiterhin die Rolle des Guten ein. Volkswagen dagegen hat betrogen, aus dieser Rolle kommt der Konzern nicht raus. Insofern glaubt die Masse auch jetzt den Behörden.

Dass aber die USA neben dem Schutz der Umwelt ein Eigeninteresse haben, darf vermutet werden. Konservativen Kreisen in der Politik geht die Macht der Umweltbehörden schon lange zu weit. Käme es bei der Präsidentenwahl am 8. November zu einem Sieg der Republikaner, dann würde im Anschluss an die Regierung von Demokrat Barack Obama womöglich einiges anders geregelt. Insofern dient der VW-Skandal derzeit auch gut der Existenzberechtigung, um mit einem konsequenten Vorgehen in der Öffentlichkeit zu punkten.

Mit Beginn des neuen Jahres geht es in der Auseinandersetzung zwischen Volkswagen und den US-Behörden damit um mehr als nur um schmutzige Motoren.

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