Aus Amerika hatte Voestalpine-Chef Wolfang Eder seinen Aktionären stets schöne Nachrichten mitgebracht. Zuletzt etwa im vergangenen Herbst, als der österreichische Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine ein Rohstahlwerk im texanischen Corpus Christi eröffnete. Auf der Hauptversammlung an diesem Mittwoch werden Eders Aktionäre wieder nach Nachrichten aus den USA gieren. Die Fragen stellen sich diesmal aber unter verkehrtem Vorzeichen: Wie schlimm steht es um das US-Geschäft des Stahlkochers unter US-Präsident Trump wirklich?
Bereits im März bezichtige die US-Administration die Stahlkocher Voestalpine, Salzgitter und Dillinger Hütte des Dumpings und verhängte Strafzölle gegen bestimmte Stahlsorten der Unternehmen. Auch wenn das Verfahren bereits unter dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama eingeleitet worden war, droht die Lage unter Präsident Donald Trump nun zu eskalieren.
So droht der US-Präsident mit Verweis auf die nationale Sicherheit Amerikas mit weiteren Strafzöllen und Einfuhrquoten auf Stahl. Bereits beim G-20-Gipfel in Hamburg könnte Trump seine Pläne konkretisieren und damit den Anstoß zu einem Handelskrieg geben. Bundeswirtschaftsministerium Brigitte Zypries (SPD) warnte die USA bereits vor weiteren Strafzöllen und wies darauf hin, dass diese nicht durch das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) gedeckt seien.
Inmitten dieses Konflikts steht der Stahlkocher Voestalpine und dessen Geschäft in Amerika. Fast eine Milliarde Euro setzt der Konzern jährlich in den USA um. Rund 2500 Menschen beschäftigt das Unternehmen an 47 Standorten in den USA. Durch dieses Engagement wird die Hauptversammlung der Voestalpine zum Stimmungsbarometer der gesamten Stahlbranche und Eder zu ihrem Orakel. Kann der Konzernlenker aus Linz sein Amerika-Geschäft retten oder wird das US-Investment zum unkalkulierbaren Risiko?
"Keine nennenswerten finanziellen Auswirkungen"
Bereits im Vorfeld versucht Eder seine Aktionäre zu beruhigen. "Bisher hatten die US-Strafzölle keine nennenswerten finanziellen Auswirkungen auf unsere Geschäftstätigkeit", sagte Eder der WirtschaftsWoche. Zudem hat der Konzern ein Worst-Case-Szenario errechnet, nach dem alles gar nicht so schlimm sei: Maximal 3,5 Prozent des Konzernumsatzes, das entspricht rund 400 Millionen Dollar, wären demnach von einer Verschärfung der protektionistischen Maßnahmen betroffen.
Österreichs umsatzstärkste Unternehmen
Andritz AG
6,04 Milliarden Euro
Diese Auswertung zeigt die zehn größten österreichischen Unternehmen nach Nettoumsatz im Jahr 2016 in Milliarden Euro.
Quelle: Statista / Trend
Mondi AG
6,18 Milliarden Euro
Borealis AG
7,22 Milliarden Euro
Benteler International AG
7,42 Milliarden Euro
Voestalpine AG
11,29 Milliarden Euro
Rewe International AG
12,72 Milliarden Euro
Strabag SE
13,45 Milliarden Euro
Spar Österreich
13,8 Milliarden Euro
OMV AG
19,26 Milliarden Euro
Porsche Holding GmbH
12,1 Milliarden Euro
Ingo Schachel, Analyst bei der Commerzbank, sieht das Risiko von Voestalpine ebenfalls begrenzt: "Operativ läuft es bei dem Werk der Voestalpine in Texas sehr gut. Prinzipiell sehe ich bei den US-Werken der Voestalpine derzeit kein außergewöhnlich hohes Risiko." "Unberechenbar" bleibe laut Schachel aber die Entwicklung möglicher Handelshemmnisse, auch wenn die Exporte von Voestalpine "im Sektorenvergleich eher gering" seien.
Lobby-Arbeit gegen Trump
Mit der Rolle des Zuschauers im aufziehenden Handelskrieg will sich Voestalpine nicht zufrieden geben. Bereits nach dem Amtsantritt von Trump hat der Konzern eine eigene "Task-Force USA" mit elf Mitarbeitern in Amerika und Österreich eingerichtet. Und diese Truppe beschränkt sich nicht bloß auf die Beobachterrolle.
Laut Unternehmensangaben führt die Task-Force zusammen mit US-Anwaltskanzleien Gespräche mit Senatoren, Politikern in den Bundesstaaten und Kunden des Konzerns. Ziel dieser Lobbyarbeit soll es sein, den Gesprächspartnern die Auswirkungen der Sanktionspolitik deutlich zu machen und die Folgen für die USA aufzuzeigen.
"Es scheint, dass man derzeit in den USA die Bedeutung und Komplexität von Wertschöpfungsketten anders sieht als in den übrigen Wirtschaftsregionen der Welt", sagte Wolfgang Eder und verwies auf die Folgen dieser Politik: "Aufgrund der wechselseitigen globalen Abhängigkeiten ist damit nicht auszuschließen, dass sich Endprodukte infolge der diskutierten Maßnahmen für US-Verbraucher entsprechend verteuern."
Weitere Sanktionen könnten für die USA zum Bumerang werden
Doch nicht nur auf eine mögliche Verteuerung seines Stahls weist Voestalpine die Kunden hin. Auch die Auswirkungen auf die von dem Konzern geschaffenen direkten und indirekten Arbeitsplätze in den USA sollen in den Gesprächen anklingen. Dass das Investitionsklima ausländischer Unternehmen unter Trump leidet, zeigten zuletzt die vorläufigen Zahlen der Direktinvestitionen in die USA, die im ersten Quartal 2017 um fast 40 Prozent unter denen vom Vergleichszeitraum des Vorjahres lagen. Diese Zahlen hat die WirtschaftsWoche zuerst veröffentlicht.
Weitere Handelssanktionen im Stahlsektor könnten die USA dabei selbst treffen: So wären besonders die Jobs in den stahlverarbeitenden Industrien wie im Automotive-Bereich oder im Maschinenbau durch Preissteigerungen gefährdet. Laut Schätzungen könnten die Importzölle, die der frühere US-Präsident George W. Bush 2002 auf Stahl verhängte, bis zu 200.000 Arbeitsplätze in den USA gekostet haben.
Dass US-Handelsminister Wilbur Ross weitere Handelssanktionen beim Stahl fordert, gilt Beobachtern aus ausgemacht. Vor abenteuerlichen Begründungen schreckt die US-Administration dabei nicht zurück: So werden die Stahlimporte gar als Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA bezeichnet. Derzeit arbeitet Ross an einem Gutachten über das vermeintliche Preisdumping ausländischer Stahlunternehmen. Der Vorwurf: Sie hätten ihre Produkte in den USA unter Wert verkauft, also gedumpt.
Seit den Importzöllen unter Präsident Bush wissen die europäischen Stahlkocher aber auch mit Handelshemmnissen umzugehen. Voestalpine-Konkurrent Salzgitter weist etwa darauf hin, in der Ära Bush trotz der Importzölle gute Geschäfte in den USA gemacht zu haben. Weil bestimmte Stahlsorten, die etwa im Flugzeugbau oder der Autoindustrie einsetzt werden, in den USA gar nicht produziert werden, sind die Amerikaner auf Importe angewiesen. Davon könnte auch Voestalpine mit seinen Spezialstählen am Ende profitieren.