Volkswagen in China Die Wolfsburger setzen zur Elektro-Offensive an

Volkswagen präsentiert auf der Automesse in Schanghai neue Elektromodelle. Die Wolfsburger reagieren damit auf Forderungen der chinesischen Regierung. Doch die Steigerung der Produktion gelingt nicht von heute auf morgen.

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Der VW-Konzern setzt auf der Automesse in Schanghai auf neue Elektromodelle. Die Wolfsburger wollen ihre Vormachtstellung in China behalten. Quelle: dpa

Schanghai Volkswagen hat in China einiges zu verlieren. Der deutsche Autohersteller ist dort seit Jahren Marktführer – 2016 haben alle Konzernmarken zusammen fast vier Millionen Autos verkauft. Kein anderes Land hat einen solch hohen Stellenwert für die Wolfsburger, China hat den deutschen Heimatmarkt schon lange überholt. „Wir werden alles tun, diese führende Position auszubauen und zu verteidigen“, sagte Konzernchef Matthias Müller am Dienstag auf der Automesse in Schanghai.

Diese hervorgehobene Position hat sich der VW-Konzern über Jahrzehnte in China erarbeitet und die wachsende Bedeutung des Landes früh erkannt, das aber ausschließlich mit klassischen Verbrennungsmotoren. Genau diese Antriebsarten hat die chinesische Regierung nun im Visier. Die Luft in den wichtigsten chinesischen Ballungsräumen soll viel sauberer werden – und das will Peking an erster Stelle mit neuen Elektroautos erreichen.

Schon vom kommenden Jahr an dürften in China Quoten für Elektrofahrzeuge gelten. Dann müssen die umweltfreundlichen Autos einen bestimmten Anteil bei den Neuzulassungen erreichen. Von Jahr zu Jahr werden die Bestimmungen dann wahrscheinlich verschärft, der Anteil der Elektroautos soll immer größer werden. Bislang ist geplant, dass die Autohersteller 2018 einen Elektroanteil von acht Prozent erreichen müssen.

Volkswagen muss auf diese Vorgaben aus Peking reagieren, ansonsten ginge der Spitzenplatz als größter Autokonzern in China verloren. Auf der Automesse in Schanghai wollen die Wolfsburger unter Beweis stellen, dass sie von den Vorgaben der chinesischen Regierung nicht überrascht worden sind. Auf der Autoschau präsentieren die Konzernmarken VW, Audi und Skoda gleich mehrere neue Elektrofahrzeuge, geplant sind erstmals auch eigene Elektro-Geländewagen für China („SUV“).

„Wir wollen chinesischer werden“, betonte Konzernchef Müller in Schanghai. Die 30 Werke in China mit etwa 95.000 Beschäftigten könnten deshalb mit einem höheren Grad an Autonomie rechnen. Nicht jede Entscheidung müsse in Wolfsburg getroffen werden. Volkswagen kündigte auf der Automesse in Schanghai eine Elektrooffensive an. Zunächst werde es eine größere Zahl von Plug-In-Hybriden, die lokal in China gefertigt und nicht importiert werden. Von 2018 an strebt Volkswagen bei rein batteriegetriebenen Fahrzeugen den Einstieg in das Massengeschäft an. Außerdem sollen in China auch europäische Modelle wie der e-Golf produziert werden.

Für den Duisburger Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer steht Volkswagen damit vor einem „epochalen Schritt“. Der „Modulare Elektrobaukasten“ (MEB), die einheitliche Architektur für alle künftigen Elektromodelle des Konzerns, sei fertig entwickelt und werde nun „über alle Marken ausgerollt“. Der einheitliche Baukasten senkt die Produktionskosten und sorgt dafür, dass die Elektromodelle künftig nicht viel teurer als gängige Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden.

Den MEB will Volkswagen natürlich auch in China verwenden, auch in diesem Land spielen die Kosten und der Preis eine wichtige Rolle. Für die Produktion von Elektrofahrzeugen hat sich Volkswagen eigens einen neuen Joint-Venture-Partner gesucht, den chinesischen Autohersteller Jianghuai Automobile Co., kurz JAC. Mit Hilfe des neuen chinesischen Partners will Volkswagen die Produktion von reinen Elektroautos und von Hybriden mit Benzin- und Elektromotor in vergleichsweise kurzer Zeit in die Höhe treiben. Im Jahr 2020 wird ein Absatz von 400.000 Fahrzeugen angestrebt, fünf Jahre später sollen es schon 1,5 Millionen Autos sein.


Die Konkurrenz schläft nicht


Auch die Konkurrenz verstärkt in China ihre Anstrengungen bei Elektroautos. So hat etwa der US-Konzern Ford angekündigt, dass im Jahr 2020 etwa 70 Prozent aller in China verkauften Modelle auch mit Elektroantrieb erhältlich sein werden. Genauso entdecken die chinesischen Hersteller die wachsende Bedeutung des Elektroantriebs: Die Zahl der Anbieter wächst von Jahr zu Jahr, neue Hersteller wie Lynk & Co oder NIO kommen dazu.

Nicht nur in der Fahrzeugproduktion hält Volkswagen Ausschau nach neuen chinesischen Partnern. Erst vor wenigen Tagen ist der Konzern eine Kooperation mit einem Software-Unternehmen aus der Volksrepublik eingegangen: mit Mobvoi, einem Spezialisten für Künstliche Intelligenz. Das Unternehmen hat sich einen Namen gemacht mit der Entwicklung von Systemen zur Spracherkennung. Trägt die Zusammenarbeit mit Volkswagen Früchte, könnten die chinesischen Autos des Konzerns in wenigen Jahren auf Kommandos des Fahrers hören. Schalter und Hebel werden dadurch im Auto überflüssig. 180 Millionen US-Dollar lässt sich Volkswagen erst einmal dieses Joint Venture kosten.

Kurzfristig hat der VW-Konzern allerdings noch ganz andere Probleme in China. Im ersten Quartal von 2017 hat Volkswagen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen deutlichen Rückgang seiner Verkaufszahlen hinnehmen müssen. Von Januar bis März ist der China-Absatz um 6,7 Prozent auf gut 890.000 Autos gefallen. Für dieses Minus ist an erster Stelle die Premiumtochter Audi verantwortlich.

Der Ingolstädter Autohersteller liegt mit seinen chinesischen Händlern im Clinch: Audi will in China ein zweites Händlernetz aufbauen, was den Vertragshändlern überhaupt nicht gefällt. Sie haben ihre Verkaufsanstrengungen deshalb deutlich zurückgefahren, was zum miserablen Audi-Ergebnis im ersten Quartal geführt hat. Rund 109.000 verkaufte Autos stehen für ein Absatzminus von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal.

Der Konzern glaubt daran, dass es eine Kompromisslösung mit den chinesischen Händlern geben wird, vielleicht sogar schon bald. „Wir sind auf gutem Wege, dieses Problem kurzfristig zu lösen“, sagte China-Vorstand Jochem Heizmann. Im März sei schon eine Besserung bei den Verkaufszahlen sichtbar geworden, auch das deute auf eine schnelle Einigung hin. Einen langen Streit kann sich Audi nicht leisten, auch die Premiumtochter muss die Einführung der neuen Elektromodelle zügig vorbereiten.

Der Konzern und Audi wollen ein zweites Händlernetz in China aufbauen, noch wehren sich die Händler dagegen. Heizmann sagte dazu, dass die Ausweitung des Händlernetzes unumgänglich. Mit jährlich mehr als 500.000 verkauften Autos habe Audi in China eine Größe erreicht, mit der die Ausweitung des Händlernetzes ein richtiger Schritt sei.

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