Volkswagen in den USA Neustart in steinigem Gelände

Der Wolfsburger Autokonzern nimmt einen neuen Anlauf in den USA. Mit Geländewagen will Volkswagen nach der Dieselaffäre das Vertrauen bei amerikanischen Kunden zurückgewinnen. Doch noch ist die Affäre nicht ausgestanden.

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Mit seinen Ausmaßen dürfte der Atlas, der im kommenden Jahr auf den Markt kommen soll, US-Kunden durchaus befriedigen. Quelle: Reuters

Wolfsburg Volkswagen gibt sich in den USA nicht geschlagen – obwohl die Dieselaffäre dort ihren Anfang genommen hat und obwohl der Wolfsburger Konzern dort den Verkauf von Dieselmodellen komplett eingestellt hat. VW will in den USA einen Neuanfang versuchen und den Dieselskandal schnell vergessen lassen.

„Wir müssen in den USA eine relevante Marke werden“, nannte VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann am Freitag in Wolfsburg die neue Zielsetzung des Unternehmens. Aktuell kommt die Marke Volkswagen auf der anderen Seite des Atlantiks auf einen Marktanteil von etwa zwei Prozent. Das entspricht in etwa dem Niveau, das der japanische Hersteller Mazda heute in Deutschland erreicht. Wegen der Dieselaffäre ist das Jahr 2016 für VW in den USA nicht sonderlich erfolgreich verlaufen. Die Absatzzahlen sind dort in diesem Jahr um mehr als zehn Prozent gefallen, das bei einem insgesamt stabilen amerikanischen Automarkt. Innerhalb der Region Nordamerika kann Volkswagen die Einbußen aus den USA durch ein starkes Wachstum in Mexiko einigermaßen ausgleichen.

Stackmann nennt keine konkrete Zahl und keinen Zeitraum, welchen Marktanteil Volkswagen in den nächsten Jahren in den USA erreichen soll. Aber Volkswagen dürfte dort erst wieder einigermaßen zufrieden sein, wenn der Marktanteil in Richtung zehn Prozent gehen sollte. Zum Vergleich: In Deutschland erreicht die Marke auf ihrem Stammmarkt eine Quote von rund 20 Prozent.

Volkswagen will den Aufschwung in den USA vor allem über neue Produkte erreichen. An erster Stelle stehen dabei die sportlichen Geländewagen, die SUV. Die Marke VW hat im Jahr 2017 zwei neue Modelle im Angebot, die speziell auf amerikanische Bedürfnisse – sprich: größere Autos – zugeschnitten sind. Vom Frühsommer an wird bei den Händlern eine Langversion des eher auf europäischen Verhältnisse zugeschnittenen Tiguan geben. Ebenfalls im nächsten Jahr bringt Volkswagen den Atlas in den USA auf den Markt; ein SUV, der mit seinen Ausmaßen auf jeden Fall amerikanische Bedürfnisse befriedigen sollte. Das neue Auto wird in den USA produziert, im VW-Werk Chattanooga im Bundesstaat Tennessee.

„Der Markt in den USA verschiebt sich immer stärker in Richtung SUV und leichte Nutzfahrzeuge“, begründet VW-Vorstand Stackmann die wachsende Zahl der im Konzern produzierten Geländewagen. Der klassische Pkw verliere auf dem amerikanischen Markt klar an Bedeutung. In den USA besitzt Volkswagen immer noch das Image des Herstellers kleinerer europäischer Fahrzeuge. Mit ihrer SUV-Offensive wollen die Wolfsburger dieses Erscheinungsbild nachhaltig verändern. Das deutlich höhere Gewicht der großen neuen Autos kann amerikanischen Autofahrern wegen der günstigen Benzinpreise vergleichsweise egal sein. In Deutschland erreicht der Benzinpreis etwa das Vierfache des amerikanischen Niveaus.


Trump-Wahl könnte Diesel-Verfahren verzögern

Richtig befreit kann Volkswagen in den USA allerdings erst dann wieder agieren, wenn der Konzern dort alle rechtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Dieselaffäre hinter sich gelassen hat. Dabei muss sich der VW-Konzern noch in Geduld üben. Für VW wird es immer schwieriger, den Abschluss der strafrechtlichen Untersuchungen noch wie erhofft vor Weihnachten zu erreichen. Volkswagen verhandelt dabei mit dem Justizministerium in Washington über ein Bußgeld in Milliardenhöhe. VW wollte den Abschluss dieser Verhandlungen eigentlich noch vor der Übernahme der US-Administration durch den neuen Präsidenten Donald Trump erreichen. Der damit verbundene Personalwechsel in den Ministerien würde wahrscheinlich eine weitere Verzögerung für Volkswagen in den Diesel-Verfahren nach sich ziehen.

Volkswagen verlässt sich künftig allerdings nicht nur in den USA, sondern auch in seinen Kernmärkten in Europa und in China auf eine neue Generation von Geländewagen. Die SUV erfreuen sich überall in der Welt wachsender Beliebtheit: Die höhere Sitzposition verschafft dem Fahrer einen besseren Überblick und verleiht damit auch ein zusätzliches Gefühl von mehr Sicherheit.

Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann ist mit dem Verlauf des fast abgelaufenen Jahres einigermaßen zufrieden. Trotz der Dieselaffäre wird die Marke VW ihre Absatzzahlen um knapp zwei Prozent auf ungefähr 5,5 Millionen Fahrzeuge steigern können. Allerdings verläuft die Entwicklung in den einzelnen Regionen der Welt zum Teil sehr unterschiedlich.

Zum wichtigsten Markt für Volkswagen hat sich China entwickelt, wo das Unternehmen seine Absatzzahlen in diesem Jahr um fast 13 Prozent steigern kann. Bis zum Jahresende dürfte VW dort insgesamt etwa drei Millionen Autos verkaufen. In China kennt Volkswagen keine Dieselprobleme, weil Autos mit dieser Antriebsart dort überhaupt nicht verkauft werden. Mit dem starken China-Geschäft kann VW Einbußen wie etwa in den USA und in Deutschland ausgleichen. Neue SUV-Varianten dürften auch die Absatzzahlen in China ankurbeln, dort gibt es aktuell nur den Tiguan zu kaufen.

Mit den SUV verdient die gesamte Automobilbranche gutes Geld, die Renditen sind höher als beim klassischen Pkw. Volkswagen kann die zusätzlichen Erträge gut gebrauchen. Mit den erwarteten Milliardenerträgen wird der Wolfsburger Konzern die Investitionen finanzieren, mit denen das Unternehmen den Einstieg in die Digitalisierung und den Wechsel auf den Batterieantrieb vorbereiten muss. „Die SUV schaffen die Basis für diese Transformation“, bestätigt auch Vertriebsvorstand Stackmann.

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