Volkswagen in Europa Der Golf ist wieder die Nummer eins

VW hat die alte Rangordnung wieder hergestellt: Im April ist der Golf meistverkauftes Auto in Europa. Es war nur eine kurze Schmach: Im März musste der Top-Seller aus Wolfsburg noch den Ford Fiesta vorbeiziehen lassen.

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Der Modellwechsel hat den Verkauf des neuen VW Golf etwas stocken lassen, jetzt ist der Top-Seller aus Wolfsburg auch wieder die Nummer eins in Europa. Quelle: AP

Düsseldorf Aufatmen in Wolfsburg: Der VW Golf ist wieder meistverkauftes Auto in Europa. Im April hat sich das wichtigste Modell aus dem Volkswagen-Konzern wie eigentlich gewohnt an die Spitze der europäischen Neuzulassungen gesetzt. Im März war das noch anders, vor einem Monat hatte sich der Ford Fiesta am Golf vorbeigeschoben und den ersten Platz belegt. Zum ersten Mal nach sieben Jahren war der Top-Seller aus Wolfsburg nicht mehr Europas Nummer eins.

Genau 35.085 Stück vom Golf sind im April in Europa neu zugelassen worden. Nach einer aktuellen Analyse der Marktforscher von Jato Dynamics in London reichte das aus, um sich wieder auf den Spitzenplatz zu setzen. Auf den nächsten Plätzen folgen der Renault Clio sowie mit dem Polo und dem Tiguan zwei weitere Modelle von Volkswagen.

Der Fiesta des US-Herstellers Ford ist im April kräftig abgerutscht und wurde unter den meistverkauften Modellen auf den achten Platz durchgereicht. Der Fiesta leidet jetzt zunehmend unter dem Wechsel von der siebten auf die achte Generation. Der im Kölner Stammwerk produzierte Kleinwagen ist im Moment nur begrenzt verfügbar: Das alte Modell wird nicht mehr gefertigt, der neue Fiesta steht erst im Juli bei den Händlern.

Für die gesamte Autobranche ist der April ein vergleichsweise schwacher Monat gewesen. Durch das späte Osterfest gab es deutlich weniger Verkaufstage als im Vorjahr. Die geringe Lust am Autokauf lässt sich gut an den Golf-Zahlen ablesen: Im April 2016 gab es noch fast 49.000 Neuzulassungen in Europa, der Rückgang für den Golf liegt bei mehr als 28 Prozent.

Wie schlecht sich die Geschäfte im April 2017 entwickelt haben, zeigt der Vergleich zum vorangegangenen Monat: Im März lag die Zahl der Golf-Neuzulassungen noch bei 46.795. Im Segment der sogenannten Kompaktklasse zählen die Jato-Marktforscher den Golf im April als größten Verlierer.

Beim Ford Fiesta fällt der Monatsvergleich noch viel schlechter aus: Der Kölner Kleinwagen ist binnen vier Wochen von 47.263 Neuzulassungen auf 17.943 abgestürzt. Ford muss hoffen, dass die Geschäfte von Juli an mit dem neuen Modell wieder deutlich besser werden. Allerdings fehlt beim Ford-Kleinwagen eine Modellvariante mit Elektroantrieb.


Modellwechsel sorgt für Probleme

Auch Volkswagen hat beim Golf auf ein neues Modell umgestellt. Die Wolfsburger sind den Kölnern allerdings um einige Monate voraus, bei VW erreicht die Produktion deshalb langsam wieder das übliche Niveau. Damit sollte der Top-Seller aus dem größten Automobilkonzern der Welt bald in ausreichender Zahl bei den Händlern stehen. Die Verkaufszahlen des Golf werden sich deshalb in den kommenden Wochen wieder nach oben bewegen. Der europäische Spitzenplatz für den Golf dürfte zumindest kurzfristig nicht wieder in Gefahr geraten.

Auf längere Sicht ist der erste Platz des VW Golf jedoch alles andere als sicher. Das liegt an einer Entwicklung, die sich alle Autohersteller und damit auch Volkswagen selbst zuzuschreiben haben. Klassische Karosserieformen wie beim Golf geraten immer stärker unter Druck, die sogenannten SUV (Geländewagen) werden immer beliebter. Alle Autohersteller weiten das SUV-Segment stark aus und geben damit dem Kundenwunsch nach neuen Geländewagen nach.

Volkswagen wird noch in diesem Jahr einen zweiten SUV („T-Roc“) auf den Markt bringen, der ebenfalls vom Golf abgeleitet ist. Der Tiguan, der andere Geländewagen in diesem Format, entwickelt sich für Volkswagen schon jetzt zu einem Top-Seller. VW hat von diesem Auto im April europaweit fast 20.000 Stück verkauft, gegenüber dem Vorjahresmonat ist das ein Zuwachs von mehr als 70 Prozent. Wenn die Entwicklung bei den Geländewagen so rasant weitergeht, könnte sich der Tiguan auf absehbare Zeit am Golf vorbeischieben und den ersten Platz in der europäischen Zulassungsstatistik belegen.

Der Golf hat noch ein weiteres Problem. Golf-Kunden haben sich bislang häufig für eine Diesel-Variante entschieden. Unter dem öffentlichen Druck auf den Selbstzünder leidet der Golf stärker als andere Modelle. Die Diskussion über die Diesel-Emissionen wird nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa geführt – und sorgt für nachlassendes Vertrauen in diese Antriebsart.

Im April sind die Diesel-Neuzulassungen auf dem gesamten Kontinent um 15 Prozent gefallen, viel stärker als der gesamte Automarkt mit 8,6 Prozent. Für Jato ist das eine „dramatische“ Zahl. Der Diesel hat damit seine einstmals dominante Position in Europa verloren: Im April lag der Anteil der Diesel-Neuzulassungen am ganzen Markt nur bei 46 Prozent, ein Jahr zuvor waren es noch 50 Prozent.

„Alles hat mit dem Dieselskandal angefangen“, sagt Jato-Experte Felipe Munoz. In den zurückliegenden 18 Monaten, seit dem Beginn der VW-Affäre, habe der Selbstzünder massiv an Ansehen und Reputation verloren. In Großbritannien werde inzwischen sogar schon über eine staatliche Abwrackprämie diskutiert, mit der Diesel-Halter ihre Autos gegen Fahrzeuge mit anderer Antriebsart eintauschen könnten. Wenn zudem überall über die neuen Elektrofahrzeuge gesprochen werden, leide das Diesel-Image erst recht.

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